Landgericht München:Stripclub-Betreiber beschäftigt Tänzer scheinselbständig

  • Ein 50-Jähriger steht vor Gericht, weil er als Betreiber einer Striptease-Bar seine Mitarbeiter als Scheinselbständige beschäftigte.
  • Den entstandenen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft auf etwa eine Million Euro.

Von Christian Rost

Auf unzähligen Seiten im Internet gibt es viel nackte Haut zu sehen, dennoch scheint das reale Striptease-Geschäft nach wie vor nicht schlecht zu laufen. Mehr als 110 Mitarbeiter beschäftigte eine große Table-Dance-Bar am Münchner Hauptbahnhof, um einsame Geschäftsreisende, Junggesellen-Abschieds-Runden oder Landfrauen beim München-Ausflug zu unterhalten.

Chef des Ladens war bis 2012 acht Jahre lang Michael K. Der 50-Jährige steht seit diesem Montag vor Gericht, weil er, wie er einräumen musste, die meisten Mitarbeiter als Scheinselbständige beschäftigte und ihnen damit laut Anklage in 352 Fällen Arbeitsentgelt und Sozialversicherungsbeiträge vorenthielt und veruntreute. Den dadurch entstandenen Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft München I auf rund eine Million Euro.

Wie die Staatsanwaltschaft die Anklage begründet

Es klingt unfreiwillig komisch, wie die Anklage erläutert, weshalb die Tänzerinnen und Tänzer keine selbständigen Gewerbetreibenden waren: Sie hätten über keinen eigenen Betriebssitz, keine Betriebsmittel und keine Betriebsausstattung verfügt. Wenn jemand Geld verdient, indem er sich vor allem auszieht und mit dem Hintern wackelt, braucht er vermutlich auch keine besondere Betriebsausstattung oder Betriebsmittel.

Höchstens eine Eisenstange, um die sich die Akteure herumschwingen, wenn sie nicht gerade bei den Gästen auf dem Schoß sitzen oder einen Privattanz zwischen deren Beinen - einen sogenannten Lapdance - vollführen. Immerhin, die Tanzstange, an der sie sich bewegten, stand in besagtem Club.

Es gab aber noch weitere Beweise dafür, dass der weit überwiegende Teil des Personals fest und ausschließlich für diesen Tanzbetrieb arbeitete und keine weiteren Auftraggeber hatte. Die Mitarbeiter seien "hinsichtlich Ort, Zeit, Dauer, Art, Ausführung und Reihenfolge ihrer Tätigkeit" in den Betrieb voll eingebunden gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Sie seien verpflichtet gewesen, an Choreografieübungen und Bühnenshows teilzunehmen.

Und schließlich habe man sie dahin gehend kontrolliert, ob sie die Gäste auch tüchtig zum Getränkekonsum animieren. Den Mitarbeitern war es auch verboten worden, in anderen Betrieben zu arbeiten. Nur für fünf der in der Anklage aufgeführten Tänzerinnen und Tänzer galt das nicht. Sie waren tatsächlich selbständig, stellte Michael K. gleich zum Prozessauftakt vor der 6. Strafkammer am Landgericht München I klar.

Warum ein tanzender Pädagoge wirklich selbständig war

Demnach war zum Beispiel ein Pädagoge im Hauptjob in der Jugendarbeit tätig und zog sich nur gelegentlich für die durchaus nicht wenigen weiblichen Gäste in der Table-Dance-Bar aus. Das Gericht erfuhr auch, weshalb diese Tätigkeit einen gewissen Reiz für ihn hatte: Die Gäste steckten den Tänzern Dollarscheine zu, die in der Bar gegen Euro verkauft wurden, oder übergaben das Geld auf andere Weise, von Mund zu Mund etwa.

Von den Dollars bekamen die Tänzer dann einen Anteil. Im Fall einer Jurastudentin, so erklärte Verteidiger Klaus-Peter Knauf, habe ebenfalls keine Scheinselbständigkeit vorgelegen. Die junge Frau arbeitete auch als Mannequin und Moderatorin und trat obendrein in Eigenregie bei Privatfeiern als Bauchtänzerin auf. Diese Fälle wird das Gericht vermutlich aus der Anklage streichen.

Wie der Prozess enden könnte

Michael K. war von 2004 an Geschäftsführer bei drei Firmen, die nacheinander die Table-Dance-Bar betrieben haben. Nachdem die letzte GmbH insolvent ging und ein neuer Betreiber den Laden übernahm, musste K. den Geschäftsführerposten räumen. Inzwischen arbeitet er als Türsteher für den Club und nebenher als Hausmeister.

In die Striptease-Branche war er zufällig hineingeraten, wie er erzählte. Nach einer soliden Lehre in einem Münchner Kaufhaus und ein paar Berufsjahren als Leiter der Abteilung Heim- und Handwerken heuerte er bei einer Diskothek in Niederbayern an, ehe es ihn ins Münchner Bahnhofsviertel verschlug.

Mit seinem Geständnis erspart sich der Mann ein paar Jahre Gefängnis. Die Kammer sicherte Michael K. in einem Deal zu, ihn zu einer Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe zu verurteilen.

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