Strafjustizzentrum:Nicht einmal ein Gericht ist vor Diebstählen gefeit

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Beim NSU-Prozess haben Zuschauer einfach beim Imbiss zugegriffen, ohne dafür zu zahlen. (Foto: lukasbarth.com)

Gestohlene Semmeln, ungebetene Gäste beim Mittagessen: Nirgendwo laufen offenbar so viele unehrliche Menschen herum wie im Strafjustizzentrum. Eigentlich kein Wunder.

Kolumne von Christian Rost

Wer es mit der bayerischen Justiz zu tun bekommt, dem könnte angesichts der im Bundesvergleich doch recht strengen Rechtsprechung manchmal der Appetit vergehen, möchte man meinen. Tatsächlich aber ist das Gegenteil der Fall: Die öffentlich zugänglichen Kantinen im Münchner Justizpalast und im Strafjustizzentrum arbeiten mittags an ihrer Kapazitätsgrenze, weshalb der Pächter zusammen mit der Hausverwaltung verfügt hat, dass von 11.30 bis 12.30 Uhr vorrangig Justizbedienstete mit Speis und Trank versorgt werden.

In den Zeiten vorher und nachher sind auch alle anderen Gäste - Anwälte, Gutachter, Besucher - willkommen. Weil sich trotzdem immer wieder Externe zur Kernzeit bei der Essensausgabe einschleichen, vor allem freitags, am Schnitzeltag, fragt das Personal an den Kassen mittlerweile streng ab, ob der Gast tatsächlich bei der Justiz arbeitet. Falls nicht, bekommt er einen Merkzettel in die Hand gedrückt, damit er weiß, wie viel Uhr es für ihn geschlagen hat.

Mittagspause
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Diese etwas ruppige Vorgehensweise macht den Charme eine Behördenkantine aus, die immerhin ein preislich unschlagbares Angebot zur Mittagszeit offeriert: Die Suppe kostet 90 Cent, der Fisch 4,20 Euro. Andere Lokalitäten in der Innenstadt können da nicht mithalten. Das hat sich herumgesprochen.

Und auch beim NSU-Prozess wussten die Besucher, dass während der Pausenzeiten eine günstige Brotzeit bereit stand, direkt neben einer Kasse, in die der Gast auf Vertrauensbasis seinen Beitrag entrichten sollte. Natürlich war es naiv zu glauben, dass das funktioniert. Die belegten Semmeln wurden nicht nur nicht bezahlt, sogar aus der Kasse bedienten sich die Besucher.

Ein letzter Hort der Verlässlichkeit war bislang eine nicht eben schmucke, aber funktionale Cafeteria im Strafjustizzentrum. Dort durften sich jederzeit alle aufhalten, die im Gericht zu tun hatten. Doch seit dieser Woche liegt auch ein Schatten über diesem Ort. Beim Kassenbestand soll etwas nicht gestimmt haben, das Personal wurde ausgetauscht. Und das alles ausgerechnet bei der Justiz. Andererseits: Nirgendwo sonst wie in einem Gerichtsgebäude laufen so viele unehrliche Menschen herum.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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