Stimmgewaltig:Luthers Weg in die Münchner Herzen

Stimmgewaltig: Der Komponist probt sein Werk im Olympiadorf mit 100 Chorleitern: Dieter Falk (rechts) hat das Pop-Oratorium "Luther" geschrieben.

Der Komponist probt sein Werk im Olympiadorf mit 100 Chorleitern: Dieter Falk (rechts) hat das Pop-Oratorium "Luther" geschrieben.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im kommenden März soll das Pop-Oratorium zu Ehren des Reformators in der Olympiahalle zu sehen sein - mit mehr als 2000 Sängerinnen und Sängern aus ganz Bayern

Von Christiane Koormann

"Luther! Luther! Wer ist Luther?" So klingt es fünfstimmig aus der Olympia-Kirche hinaus. Im Kirchenraum riecht es nach Kaffee. Die Stuhlreihen sind besetzt von Chorleitern, die aus ganz Bayern angereist sind: aus Rosenheim etwa, aus Starnberg, aus Donauwörth, Nürnberg, Erlangen und Bayreuth. Hier sitzen sie als erste und zweite Sopranstimme, als Alt, Tenor und Bass, und besingen die Frage, wer dieser Mönch war, der vor 500 Jahren den Anstoß zur Reformation der Kirche gab. Ein Ketzer? Ein Befreier? Ein Zerstörer und Volksaufhetzer? "Luther war ein spannender Typ, mit positiven und mit Schattenseiten", sagt Musikproduzent Dieter Falk. "Dass er es geschafft hat, sich gegen die Obrigkeit der Kirche und des Staates seiner Zeit aufzulehnen, das war revolutionär. Aber darüber hinaus ist er noch viel mehr als jemand, der die Kirche reformiert hat, nämlich ein großes Stück deutsche Kultur."

Falk steht auf einem Hocker, sodass alle Chorleiter ihn gut sehen. Er sprüht vor Energie. "Das Ganze noch mal von vorn - mit Schmackes!" Der Düsseldorfer Produzent, Musiker, Pianist und Komponist von "Luther" trainierte am Wochenende in München 57 Chorleiter aus der Region für das gleichnamige groß angelegte Pop-Oratorium, das im Jubiläumsjahr der Reformation 2017 in acht deutschen Städten und am 18. März in der Münchner Olympiahalle aufgeführt wird. Weitere Chöre und Einzelpersonen, die mitsingen möchten, können sich noch beim Veranstalter anmelden. Für das "Projekt der tausend Stimmen" sollen mehr als 2000 Sänger und Sängerinnen aus Bayern mobilisiert werden, die Martin Luthers Geschichte erzählen und als Riesenchor gleichzeitig die Hauptrolle übernehmen. "Der Chor steht im Mittelpunkt", sagt Dieter Falk, "der singt, der kommentiert, was die Solisten singen, er ergreift Partei, Pro und Contra."

Unter den zwölf professionellen Solisten sind beim Pop-Oratorium in München auch zwei Solisten dabei, die eigens für diesen Auftritt am Freitag bei einer Audition von Dieter Falk und einer Fachjury ausgewählt wurden. In der Rolle des "Engels des Wortes" wird die 17-jährige Nadja Sabersky aus München auf der Bühne stehen; als junger Luther tritt der zehnjährige Valentin Porsch aus Unterschleißheim auf. Für das Mitwirken von jungen Menschen aus der Region hat sich der Popularmusikverband Bayern stark gemacht. "Das ist auch im lutherischen Sinne - populäre Musik in die Kirche zu bringen", sagt Falk.

Das Großprojekt startet vielversprechend. "Aus unserem Chor haben sich 15 Leute für das Pop-Oratorium angemeldet", erzählt Thomas Pichl, der den Evangelischen Kirchenchor aus Dürrenzimmern bei Nördlingen anleitet. "Für Leute, die sonst nur im Kirchenchor singen, ist das neu und aufregend." Annette Scheffler von der Kantorei Taufkirchen-Dorfen sagt: "Mit unserem Chor sind wir eher im klassischen Bereich angesiedelt, und jetzt bei einem Pop-Oratorium mitzuwirken, reizt uns." Sieben Mitglieder aus ihrem Chor werden im März in der Olympiahalle dabei sein. Else Förg ist als Einzelsängerin angemeldet. Mitglied in einem Chor zu sein, ist keine Voraussetzung - genau so wenig wie eine bestimmte Konfession. "Das wird groß", sagt die Sopranistin.

Bei der Schulung halten die Chorleiter zum ersten Mal die Chorpartitur von "Luther" in den Händen und beginnen im Anschluss mit der Probenarbeit in ihren Chören. Das Bühnenstück besteht aus 20 neuen Liedern sowie traditionellen Chorälen. "Es wird kein Kuttenspektakel", versichert Dieter Falk. "Wir wollten, und das war auch das Ziel unseres Regisseurs Andreas Gergen, dieses Stück in die Jetztzeit bringen. Es gibt so viele Parallelen zwischen damals und heute, dass das Stück auch thematisch aktuell ist." Bis zum Tag der Aufführung gibt es für die Chöre jeweils nur eine Regionalprobe. Anfang März kommen bei der Hauptprobe alle Mitwirkenden zum ersten Mal im Gasteig zusammen.

Die Musik zu "Luther" entstammt Dieter Falks Feder. Die Texte schrieb Michael Kunze, Liedertexter, Librettist, Produzent und Bühnenautor, der neben unzähligen deutschen und internationalen Popmusik-Hits Musical-Produktionen wie "Tanz der Vampire", "Marie Antoinette", "Elisabeth" und "Mozart!" verfasst hat. Für das Pop-Oratorium "Die zehn Gebote" hat das Duo schon einmal erfolgreich zusammengearbeitet. "Luther" legt den Fokus auf den Reichstag 1521 in Worms, wo Martin Luther nach dem Willen des Kaisers und der Kirche angehört werden und seine Thesen widerrufen soll. In Rückblenden und Ausblicken rund um das Geschehen erzählt das Pop-Oratorium von Luthers Kampf um die biblische Wahrheit. Der Energie und Dynamik nach zu urteilen, die am Samstag bereits mit verhältnismäßig wenigen Leuten zu erkennen war, wird "Luther" in München gewaltig. Stimmgewaltig.

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