Stille:Die Suche nach Stille

Die Deutsche Gesellschaft für Akustik will eine Karte mit Ruhe-Oasen erstellen

Von Marco Völklein

Natürlich fallen Rainer Kühne auf Anhieb ein paar "stille Örtchen" ein in München. Nein, keine Toiletten, sondern Oasen der Ruhe in einer an sich doch recht lauten Stadt. Der Finanzgarten an der Galeriestraße beispielsweise, oder der Alte Südliche Friedhof an der Thalkirchner Straße. Kühne allerdings glaubt: Es gibt noch viel mehr solcher Oasen in der Stadt, die auch für die Bürger zugänglich sind. In kleinen Hinterhöfen zum Beispiel. Oder in abgelegenen Sträßchen. "Diese würde ich gerne aufspüren", sagt Kühne, der früher als Beamter beim Landesamt für Umwelt (LfU) in Augsburg gearbeitet hat und sich nun ehrenamtlich im Kampf gegen zu viel Krach in der Landeshauptstadt engagiert, beim Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik (ALD).

In den offiziellen Lärmkarten der Stadt und des LfU finden sich nur ein gutes halbes Dutzend ruhiger Gebiete. Diese liegen vor allem am Rand der Stadt: die Aubinger Lohe zum Beispiel im Westen oder der Truderinger Wald im Osten sind als Ruhe-Oasen ausgewiesen. Ebenfalls tauchen der Nordteil des Englischen Gartens in der Übersicht auf sowie die Warnberger Feldflur am Forstenrieder Park. "Das reicht aber nicht", findet Anti-Lärm-Aktivist Kühne. In der Stadt gebe es weitaus mehr ruhige Orte, in die sich die Bürger zurückziehen könnten, um ein wenig Abstand zu gewinnen vom Lärm der Großstadt. Um Kraft zu tanken. Um abzuschalten.

Stille: Ausruhen, abschalten: Es gibt auch in München stille Orte - zum Beispiel hier an der Isar.

Ausruhen, abschalten: Es gibt auch in München stille Orte - zum Beispiel hier an der Isar.

(Foto: Stephan Rumpf)

Dabei müssten solche "Inseln der Ruhe" gar nicht mal vollkommen leise sein, sagt Kühne. Oftmals genüge bereits ein wenig Grün, eine Sitzgelegenheit und zumindest die Tatsache, dass man den Verkehr und seine Abgase nicht riecht, um einen Ort als "stilles Örtchen" wahrzunehmen. "Viele empfinden Ruhe ja subjektiv", sagt Kühne. Darum will er sich zusammen mit seinen Mitstreitern vom ALD nun auf die Suche begeben, um genau solche Ruhe-Pole in der Stadt zu entdecken. Sie vielleicht in einer Karte zu verzeichnen und so andere darauf aufmerksam zu machen.

Letztlich müsse es dann darum gehen, sagt Kühne, die so gefundenen Orte als Ruhe-Oasen langfristig zu schützen - und eine mögliche "Verlärmung" zu verhindern. Denn nach wie vor wachse der Autoverkehr in der Stadt, sagt Kühne. Und die vielen Autos und Lastwagen seien nun einmal "Lärmquelle Nummer eins". Deshalb habe sich der Stadtrat vor Jahren bei der Festlegung der Ruhegebiete auch nicht getraut, Gebiete weiter drinnen auszuweisen. "Man hat sich bewusst auf Zonen am Stadtrand beschränkt, um sich keine Beschränkungen bei der Stadtplanung im Inneren aufzuerlegen", sagt Kühne.

Programm

Der "Tag gegen Lärm" steht in München unter dem Motto "Stille Örtchen und ruhige Gebiete". Von 13 Uhr an werden sich Fachleute in Vorträgen im Rathaus (Ratstrinkstube) dem Thema nähern - unter anderem sprechen Matthias Hintzsche vom Umweltbundesamt sowie Rainer Kühne vom Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik (ALD). Gegen 16.15 Uhr ist eine Podiumsdiskussion geplant, an der der städtische Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne) teilnimmt. Zudem hoffen die Veranstalter darauf, dass die Besucher "Geheimtipps" für stille Orte in München nennen. Dazu gibt es einen Fragebogen. Man kann den Tipp auch per E-Mail senden an: ald@ald-laerm.de. mvö

Doch genau in diesem Punkt wollen er und seine Mitstreiter nun Druck machen. Mit einer Karte, auf der diverse Oasen der Ruhe innerhalb der Stadt zu sehen sind, könnte man an die Stadt herantreten, hofft Kühne. Man könnte von der Stadt fordern, diese Gebiete besser zu schützen. Den Autoverkehr aus einzelnen Vierteln mit vielen Ruhezonen zurückzudrängen. Oder zumindest Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts vorzuschreiben, um so die Lärmbelastung zu mindern.

Bereits zwei Vorstöße in diese Richtung hatte die Stadtverwaltung zuletzt gewagt - einmal Umweltreferent Joachim Lorenz (Grüne), zum anderen Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle. In beiden Fällen lehnte eine Mehrheit aus CSU, SPD und FDP die Vorstöße ab. Bei Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit würden viele Autofahrer von den Haupt- auf Nebenstraßen ausweichen, hatten die Vertreter der drei Parteien argumentiert. Und das wäre dann in vielen Vierteln das Ende für die dortigen Ruhe-Oasen.

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