Steuerflüchtlinge in München:Die Angst wächst

Die besorgten Anfragen von Steuerflüchtlingen bei Münchner Anwälten nehmen zu. Diese raten zur Selbstanzeige, denn "erst wenn der Staatsanwalt auf der Matte steht, ist es zu spät."

A. Krug, B. Kastner, K. Ott

Die Angst vor Entdeckung hat nun auch die Kapitalflüchtlinge erfasst, die relativ kleine Summen in ausländischen Steueroasen angelegt haben. Auf Steuerstrafrecht spezialisierte Anwaltskanzleien registrieren immer mehr Anfragen besorgter Kunden. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Banken in Liechtenstein.

Christian Altmann, Fachanwalt für Steuerrecht aus Grünwald, registriert derzeit viele Nachfragen von "kleineren Kapitalvermögenden", die ihr Geld etwa in Österreich angelegt haben und es dort in Sicherheit vor dem deutschen Fiskus wähnten: "Die Leute befürchten, dass Liechtenstein nur ein Testballon des Fiskus war und nun überall ähnliche Aktionen steigen."

Besonders gefragt seien Informationen über Selbstanzeigen. "Die Angst steigt", sagt Altmann. Auf der anderen Seite sei das Vertrauen in die sogenannten Steueroasen stark geschrumpft. Viele Anleger befürchten, dass Liechtenstein nur die "Spitze des Eisberges" sei und die Behörden längst weitere Aktionen planten.

Unterdessen wird die Kritik am Vorgehen der Bochumer Ermittler immer lauter. "Was die da machen, liegt im Grenzbereich der Strafvereitelung", kritisiert der Münchner Strafverteidiger Thomas Pfister. Durch die öffentliche Ankündigung weiterer Razzien in ganz Deutschland habe die Staatsanwaltschaft potentielle Steuerflüchtlinge gewarnt und damit auf eine effektive Strafverfolgung verzichtet. Für eine strafbefreiende Selbstanzeige ist es nach Ansicht Pfisters aber nie zu spät. In Anwaltskreisen nenne man dies die "Mattentheorie": "Erst wenn der Staatsanwalt auf der Matte steht, ist es zu spät."

Die Angst wächst

Der Münchner Strafverteidiger Steffen Ufer hält den "Datenklau" eines Bankmitarbeiters und dessen derzeitige Verwertung für "hochkriminell". Aus langjähriger Erfahrung verweist er indes darauf, dass "es schon lange keine gute Idee mehr war, sein Geld nach Liechtenstein zu tragen". Die Münchner Finanzbehörden seien dort schon seit "vielen, vielen Jahren" erfolgreich Steuersündern auf der Spur.

Unmut über die Bochumer Fahnder kommt aber auch aus einer ganz anderen Ecke. Hiesige Ermittler sind über das Vorgehen ihrer Kollegen aus Nordrhein-Westfalen alles andere als erfreut. "Die Informationspolitik lässt zu wünschen übrig", sagt ein hochrangiger Münchner Fahnder. Die Bochumer haben ihre Leute offenbar zu absoluter Verschwiegenheit vergattert, selbst gegenüber Kollegen.

"Darüber kann keiner glücklich sein", heißt es in München. Man werde allenfalls um Amtshilfe gebeten, kurzfristig an eine Adresse bestellt, dürfe dann nach einem Stichwort in den Akten suchen oder Ordner beschriften - und wieder gehen. Amtshilfe müssen Polizei oder Steuerfahnder leisten, ob sie wollen oder nicht - und kommen sich dabei vor wie "Handlanger".

Die mutmaßlichen Steuersünder fühlen sich von ihrer Liechtensteiner Bank, der LGT, im Stich gelassen. "Die Bankkunden sind verbittert über die LGT", sagt der Steueranwalt Jan Olaf Leisner, der inzwischen zahlreiche Mandanten hat. Die LGT habe offenbar schon seit zwei Jahren von dem Datenklau gewusst, berichtet Leisner. Die Kunden seien aber nicht gewarnt worden und hätten deshalb auch nicht die Möglichkeit zur Selbstanzeige gehabt.

Jetzt seien die Kunden dabei, sämtliche Mittel von der LGT abzuziehen. Einige LGT-Kunden überlegen nach Angaben aus Anwaltskreisen sogar, die Bank auf Schadenersatz zu verklagen. Das dürfte aber wenig bringen. Schließlich ist die Steuerschuld gesetzliche Pflicht und kein Schadensfall. Und einzelne LGT-Kunden hofften noch, sagt ein Anwalt, dass sie von der Razzia schlicht verschont blieben.

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