Steinhausen:Trambahn auf Schmusekurs

Langsam-Fahrt für Kaninchen

Ein Herz für Kaninchen zeigten die Fahrer der Tram 25 beim Passieren der Zuchtschau in Steinhausen.

(Foto: privat)

Fahrer der Linie 25 nehmen Rücksicht auf Kaninchen

Von Anita Naujokat, Steinhausen

Da sage noch einmal jemand, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) habe kein Herz für Tiere. Wegen des Sommerfests und der Jungtierschau am Wochenende hatte der Kaninchenzuchtverein (KZV) B6 München Ost um das Wohl seiner Tiere gebangt. Denn die hatten ihre Käfige direkt neben den Tramgleisen der Linie 25, kurz vor dem Berg am Laimer Bahnhof. Kaninchen sind von Natur aus sehr schreckhafte Wesen - gerade bei plötzlichen lauten Geräuschen oder unvermittelten Bewegungen, wie der Vorsitzende und Zweite Zuchtwart, Klaus Dieter Samietz, bestätigt.

Kurzerhand hatten die Kaninchenzüchter zu Hammer und Säge gegriffen: Auf zwei großen selbst gezimmerten Pressholzschildern in stabilen Ständern neben den Gleisen - in jeder Fahrtrichtung eines - baten sie die Fahrer unübersehbar, nur langsam vorbeizufahren. Eigentlich handelt es sich dort um eine beschleunigte Trasse, bei der die Bahnen richtig gut ausgefahren werden können. Ein Brief mit noch mehr Erklärungen an die "lieben Trambahnfahrerinnen und -fahrer" hing auch an der Endhaltestelle. "Wir haben die Ausstellung jedes Jahr, und jetzt ist die Trambahn da, wir dachten, die Tiere drehen ja durch", sagt Samietz. Immerhin ging es um 173 wertvolle Kaninchen in drei Reihen, nur von einer dünnen Folienwand von den Gleisen abgeschirmt. 20 verschiedene Rassen aus ganz Ober- und Niederbayern waren versammelt, vom Weißen Riesen über Rote Neuseeländer bis hin zum Farbenzwerg.

Über einen Freund des Vereins, der selbst Trambahnfahrer ist, hat Samietz einen Kontakt zur Leitstelle erhalten und dort angerufen. Und fürwahr, der Appell hat gewirkt. Bis auf ein oder zwei drosselten die Fahrer nach den Beobachtungen der Kaninchen-Freunde sicht- und hörbar die Geschwindigkeit, bevor sie die "Steinerne Einkehr", das Vereinslokal des B6, erreichten. Die Meldung wurde von der Leitstelle - wohlgemerkt als Bitte, nicht als Dienstanweisung - auch in die Trambahnen übermittelt. "Ich habe sie eben gesehen, es ist erst meine zweite Tour", sagte eine Fahrerin am Sonntag an der Endhaltestelle. Eine offizielle Dienstanweisung hatte MVG-Sprecher Matthias Korte am Freitag noch abgelehnt. Eine solche brauchte es aber auch gar nicht. "Es funktioniert super, ich bin echt begeistert", schwärmt Samietz.

Auch eine kleine politische Dimension hat das Ganze: Er habe es auch über einen der Stadträte versucht, berichtet Samietz. Doch diese Bemühung sei komplett gescheitert. Bis Sonntagmittag jedenfalls zeigten sich die Kaninchen sichtlich wohl. Nur eines hat es nicht geschafft: ein kleiner Zwergwidder. Ob sein Tod am Freitagabend mit der Straßenbahn zusammenhängt, lässt sich Samietz zufolge nicht sagen. Es kann auch krank gewesen sein oder Stress beim Transport gehabt haben, oder beides zusammen. Die Schilder jedenfalls werden aufgehoben - für das nächste Jahr. Und auf die eine oder andere Art will sich der Verein noch bei den Fahrern erkenntlich zeigen.

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