Steinhausen:Am richtigen Hebel

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Jedes Jahr machen zwölf junge Menschen bei der S-Bahn eine Ausbildung zum Lokführer. Für viele ist es ein Traumberuf. Im Steinhauser Werk der Deutschen Bahn lernen sie den verantwortungsvollen Job im Führerstand

Von Marco Völklein, Steinhausen

Dennys Maschler hat ihn ausprobiert, den Trendberuf vieler junger Leute. Kfz-Mechatroniker bei einem mittelgroßen Unternehmen, rumbasteln an verschiedensten Autos. Eine Tätigkeit für Technikbegeisterte. Als solchen versteht sich der 24-Jährige durchaus. Dennoch: "Für mich war das nichts", sagt Maschler. "Den ganzen Tag in der Halle drinstehen." Er wollte raus, einen Beruf mit Verantwortung, in einem technischen Umfeld. "Aber auch mit Kontakt zu den Menschen, für die ich tätig bin." Maschler ging zur Münchner S-Bahn und lernt dort seit nunmehr zweieinhalb Jahren den Beruf des Triebfahrzeugführers. Voraussichtlich im Herbst wird er fertig sein mit seiner Lehre. Dann geht es raus auf die Strecke.

Jedes Jahr beginnen zwölf junge Menschen die Ausbildung bei der S-Bahn zum Triebfahrzeugführer, umgangssprachlich weiterhin "Lokführer" genannt. Im S-Bahn-Werk in Steinhausen hat die Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn eigens ein kleines Ausbildungszentrum eingerichtet. An der Wand in einem der Schulungsräume hängen fiktive Gleispläne, eingezeichnet ist dort zum Beispiel der kleine "Haltepunkt Forst", der Bahnhof "Kleinstadt" oder auch der "Abzweig Baukau". Gleise, Weichen und Signale sind vermerkt. All das gibt es in der Realität nicht. Aber es hilft Ausbildern wie Jörg Linack, die jungen Lokführer vorzubereiten auf ihren Beruf draußen im Betrieb. Einen Fahrsimulator gibt es außerdem, mit dem die ersten Fahrversuche unternommen werden, ohne dass jemand im realen Betrieb gefährdet wird. Der steht aber nicht im Werk in Steinhausen, sondern in Aubing.

Alles im Griff: Maximilian Betz kam über ein Schülerpraktikum zur Bahn. (Foto: Schunk)

Die meisten jungen Leute kommen über ein Praktikum zur Bahn. "Das kann ich jedem nur empfehlen", sagt Max Betz, 19, ebenfalls ein angehender Lokführer. Bei einer Jobbörse in Dachau kam er in Kontakt mit der Bahn, absolvierte ein Schülerpraktikum bei dem Konzern, fuhr mal auf einem Führerstand mit, schaute in einem Stellwerk vorbei, besuchte die Werkstatt in Steinhausen. Am Ende war klar: "Lokführer ist mein Traumberuf." Warum? "Mich begeistert die Technik, die dahintersteckt", sagt Betz. Und noch immer ist er fasziniert, wenn er im Führerstand sitzt, den Zug beschleunigt, dann den Hebel zurücknimmt - und erlebt, wie der Zug kilometerweit weiterrollen kann, ohne dass Betz auch nur ein kleines bisschen zusätzlich beschleunigen muss. Wenn Stahlrad auf Stahlschiene rollt, ist die Reibung äußerst gering. "Das ist Wahnsinn", sagt Betz. "Ganz anders als beim Auto." Man merkt ihm seine Begeisterung an.

Genau darauf komme es an, sagt Ausbilder Linack: Auf die Motivation der jungen Leute, die Begeisterung für die Eisenbahn. "Wir möchten leuchtende Augen bei den Bewerbern sehen", sagt Linack. Wer sich im Führerstand langweile, der sei eher nicht geeignet für den Beruf. Wichtig sei auch eine gewisse Kontaktfreudigkeit. Als S-Bahn-Lokführer stehen die jungen Leute bald täglich im direkten Kontakt mit den Kunden. "Bei fast 850 000 Fahrgästen täglich sind wir auch Ansprechpartner für ganz viele Menschen", sagt Linack, der immer wieder auch selbst eine S-Bahn steuert, allein schon, um seine Lizenz zu erhalten. "Wer damit nicht klar kommt, der geht dann doch lieber zum Güterverkehr."

Dennys Maschler machte zunächst eine Lehre als Mechatroniker. (Foto: Claus Schunk)

Zweieinhalb bis drei Jahre dauert die Ausbildung zum Lokführer, genauer gesagt: zum "Eisenbahner im Betriebsdienst" (kurz "EiB"), so die offizielle Bezeichnung. Am Ende steht eine Prüfung durch die Industrie- und Handelskammer. Wer die besteht, kann nahezu überall als Lokführer anfangen, nicht nur bei der S-Bahn, auch im Güter- oder Fernverkehr oder bei einem der mittlerweile zahlreichen Konkurrenten der Deutschen Bahn. Ziel des Konzerns sei es aber, die jungen Leute zu halten, sagt Linack. Weshalb die Bahn auch immer wieder betont, dass jedem mit EiB-Abschluss weitere Möglichkeiten im Konzern offen stünden, etwa die Weiterbildung zum Disponenten oder zum Fahrdienstleiter in einem Stellwerk.

Von solchen Aussichten will Adhurim Sagojeva vorerst mal nichts wissen. "Ich will Lokführer werden", sagt er. Mehr erst einmal nicht. Der heute 21-Jährige wurde in Dachau als Kind einer Flüchtlingsfamilie aus Kosovo geboren, wurde dann nach ein paar Jahren abgeschoben und kam 2008 wieder zurück nach Deutschland. Auch er fand über ein Schülerpraktikum zum Lokführer-Beruf; doch dann war unklar, ob er es schafft, in den Lehrgang aufgenommen zu werden. Seine Deutschkenntnisse waren zu schwach. Doch gutes Deutsch ist eine wichtige Voraussetzung, sagt Trainer Linack. "Wir kommunizieren hier in einer Fachsprache." Die kann nur erlernen, wer des Deutschen mächtig ist. Linack steckte den jungen Kosovaren deshalb zunächst in ein spezielles Förderprogramm des Konzerns, Sagojeva absolvierte mehrere Deutsch-Kurse. Mittlerweile steht auch er kurz vor dem Abschluss. Und er freut sich darauf, bald allein loszufahren. Ohne einen Trainer im Führerstand. Auf die Strecken der S 6 nach Starnberg oder der S 7 nach Kreuzstraße freut er sich am meisten. Warum auf diese? "Da ist die Aussicht auf die Berge einfach grandios."

© SZ vom 22.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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