Station mit "Objektcharakter":Kunst im Kassenraum

Markus Michalke hat die "Metropol-Garage" gerettet. Sie ist jetzt Firmensitz - und ein Ort für Ausstellungen

Von Anna Hoben

Tankstellen sind langweilige Orte. Man tankt sein Auto voll, bezahlt, kauft vielleicht noch eine Cola oder einen Schokoriegel, geht auf die Toilette, lässt sich an der Kasse fragen, ob man Inhaber einer Shell-/Aral-/Total-Club-Smart-Bonuskarte sei, je nachdem, ob die Tankstelle gelb, blau oder rot ist. Man verneint, bezahlt, "mit Karte, bitte", wischt draußen noch schnell die Fenster sauber oder füllt Scheibenwischerwasser nach - und setzt seine Fahrt fort. Tankstellen sind langweilige Orte, so kann man das sehen.

Man kann es aber auch anders sehen. Markus Michalke hat Tankstellen schon immer interessant gefunden. Wenn er durch den Westen der USA gereist ist, dann waren da Wüste und Steppe, kein Haus, nirgends, kein Zeichen von Zivilisation. Und plötzlich, mitten im Nichts, eine Tankstelle. "Wie ein Ufo, das da in der Landschaft gelandet ist." Ein Anblick, der ihm immer "Spaß gemacht" habe. Michalke, 45, ist promovierter Volkswirt und Mitinhaber einer Münchner Beteiligungsfirma. Außerdem ist er kunstaffin, besitzt eine Sammlung moderner Kunst und ist auch im Stiftungsrat der Stiftung Pinakothek der Moderne, einer Art Think Tank für das Kunstmuseum. Und wie geht das jetzt mit den Tankstellen zusammen? Für Markus Michalke haben Tankstellen einen "Objektcharakter", ein wenig wie ein Kunstwerk. Das hat mit ihrer besonderen Architektur zu tun, ihm gefallen vor allem die Vordächer, die "Idee des Überbauten".

Auch Künstler und Fotografen haben Tankstellen schon früh als Motiv entdeckt. Der US-amerikanische Pop-Art-Maler und Filmemacher Ed Ruscha zum Beispiel, "Twenty-Six Gasoline Stations" heißt ein 1963 erschienenes Buch von ihm. Darin finden sich, was sonst, 26 Fotografien von Tankstellen, die der Künstler auf der berühmten Route 66 zwischen seinem Wohnort Los Angeles und seinem Herkunftsort Oklahoma City aufgenommen hat. Auch später widmete Ed Ruscha sich immer wieder dem Motiv, sein Bild einer brennenden Tankstelle, "Burning Gas Station", wurde 2007 zum damaligen Rekordpreis von knapp sieben Millionen Dollar verkauft.

Dass er eines Tages selbst in einer aufgegebenen Tankstelle arbeiten würde, hätte Michalke früher wahrscheinlich eher nicht gedacht. Doch als er vor einigen Jahren in der Georgenstraße, welche die Maxvorstadt von Schwabing trennt, einen Bauzaun sah, witterte er eine einmalige Chance. Einst war dort eine Tankstelle gewesen, mit einem ausladenden sogenannten Trompetenvordach, im Jahr 1955 als Sockel eines Mehrfamilienhauses erbaut. Später wurde sie als Autowerkstatt genutzt, die Straße war einfach zu eng für Anlieferungen per Schwerlaster. Und irgendwann schloss auch die Werkstatt.

"Metropol-Garage" steht aber auch heute noch in alten Lettern über dem Eingang; bei Spaziergängern ist das Haus mit dem auffälligen Vordach, den blauen Säulen und leuchtend gelben Balkonen ein beliebtes Fotomotiv. Manchmal steht noch Michalkes Oldtimer davor, ein schwarzer Porsche. 2007 mietete er die insgesamt 120 Quadratmeter großen Räume und zog mit seiner Firma ein. Sein Schreibtisch steht jetzt in der ehemaligen Waschanlage. Sein Schwager und Geschäftspartner hat sein Büro in der alten Werkstatt. Das Sekretariat befindet sich dort, wo einst die Kundentoiletten waren. "Im ersten Jahr kamen noch immer wieder ältere Damen", erinnert sich Michalke, "und fragten, ob ich was richten könnte an ihrem Auto".

Und dann gibt es noch den Kunstraum, ehemals Kassenverkaufsraum. 2007 hat Michalke dort zum ersten Mal Werke aus seiner Sammlung gezeigt, seitdem hat es immer wieder wechselnde Ausstellungen gegeben. Papierarbeiten und Skulpturen vor allem, programmatisch prägend ist die Zeit des amerikanischen Minimalismus und der nachfolgenden Künstlergeneration. Zurzeit stellen Studenten der Akademie der Bildenden Künste aus, die sich in ihren Werken mit Michalkes Sammlung auseinandersetzen. Um sie anzuschauen, müssen Interessierte einen Termin vereinbaren, www.metropolkunstraum.de.

Im Rahmen einer Architekturausstellung ist die Kunst-Tankstelle in der Georgenstraße als eine der "versteckte Perlen Münchens" vorgestellt worden. In einer Zeit, in der immer mehr Tankstellen aus den Städten verschwinden, wirkt sie inmitten der Wohnbebauung exotisch - eben ein bisschen wie ein Ufo.

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