Zum Ratschen und Einkaufen:Die lebhafte Mitte Seefelds

An der Hauptstraße gibt es ein buntes Angebot an Läden von der Apotheke bis zur Post. Kunden genießen die entspannte und familiäre Atmosphäre. Was stört, ist der zunehmende Verkehr

Von Christine Setzwein

Die Hauptstraße in Seefeld als gemütlich oder als Boulevard zu bezeichnen, wäre aus der abgasgeschwängerten Luft gegriffen. Rechts und links wird geparkt, Autofahrer, die durch wollen, müssen Schlangenlinien fahren. An diesem Donnerstagvormittag ist auch noch Markt auf dem Platz gegenüber dem alten Rathaus. Im Imbisswagen vor dem Rathaus brutzelt es schon, Brathendlduft zieht durch den Ort. Der lebhafte Verkehr zeigt aber auch: Seefelds Mitte lebt. Und das soll so bleiben, wünschen sich Bürger und Kommunalpolitiker gleichermaßen. Darum war die Befürchtung groß, dass der Tengelmann-Markt schließen könnte, weil er nicht vergrößern kann oder der neue Eigentümer Edeka andere Pläne hat. Mittlerweile gibt es Pläne zur Erweiterung, der Supermarkt als Magnet bleibt.

Es sind etwa 900 Meter von der Ecke Haupt-/Hubertusstraße bis zum Marienplatz in Oberalting. Viele Läden säumen den Weg. Die schöne alte Schlossapotheke versorgt vor allem das südliche Seefeld, gegenüber gibt es einen Stoffladen und einen Friseur. Bei "Sissi & Franz" ist gerade Winter-Sale, Dirndl und Blusen, Lederhosen und Janker sind im Sonderangebot. Vor dem Blumenladen sind bunte Primeln aufgereiht.

Auf dem Markt wird nicht nur eingekauft, er ist auch Treffpunkt für einen kleinen Ratsch. Die Stände sind gut besucht. Es gibt Fleisch und Wurst, Käse, Feinkost, Fisch, Gemüse und Obst, Brot und Kuchen. Auch Annabell Rudolph-Otto kauft hier mit ihrer Tochter Filippa ein: "Wir sind gerade vor drei Monaten nach Herrsching gezogen und fühlen uns dort sehr wohl. Aber zum Einkaufen fahre ich nach Seefeld. Hier ist es stressfreier und entspannter, das Angebot gut sortiert. Ich gehe gerne auf den Markt, aber auch die Umgebung ist sehr schön, das Schloss, der Einrichtungsladen Kokon. Sehr gut ist auch das La Croissanteria."

Dort ist Emil Pop zugange. Der gelernte Bäcker hat vor zwei Jahren die Konditorei und Bäckerei eröffnet. Seine Croissants - der Teig kommt aus Paris -, die Kuchen und das Brot schmecken fabelhaft. Sogar vegane Dinkel-Quinoa-Croissants hat der 45-Jährige, der fünf Angestellte beschäftigt, im Angebot. 20 Jahre hat Pop in München gewohnt und gearbeitet, jetzt ist er in Inning zu Hause und hat nicht weit nach Seefeld. "München ist kein Vergleich zu hier", sagt er. Im Fünfseenland sei es viel schöner. Er fühlt sich sehr wohl. Einziger Kritikpunkt: die vielen parkenden Autos und der Verkehr auf der Hauptstraße.

Xhemile Taffertshofer ist Stammkundin im La Croissanteria. "Ich bin fast jeden Tag hier", erzählt die gebürtige Kroatin. Seit 20 Jahren lebt die gelernte Krankenschwester in Seefeld. Und kennt so gut wie jeden. Als Altenpflegekraft bei der Nachbarschaftshilfe Seefeld kommt sie viel rum. "Ein schönes Dorf", sagt die 64-Jährige, "aber früher war es ruhiger." Mehr Autos, mehr Stress, und vor allem die älteren Menschen hätten mehr Angst. Schon nachmittags seien oft die Rollladen unten, hat sie festgestellt. Auch sie hat Angst - um ihre Tochter, die täglich mit der S-Bahn nach München pendelt. Dass ein Asylbewerber aus Hechendorf 18 Frauen in der S 8 begrapscht haben soll, hat nicht nur Mütter erschreckt.

Waltraud Wieczorek bestellt einen Frühlingsstrauß im Blumenladen. Sie kommt gerade vom Tennisspielen und will auf keinen Fall fotografiert werden. Die 49-Jährige ist nicht nur sportlich im Verein aktiv, sie singt auch im Chor Cappella Vocale. Funktioniert das Vereinsleben, funktioniert auch das soziale Miteinander, meint sie. Sie wohnt mit ihrer Familie erst seit 2003 in Seefeld, ihr Mann pendelt nach München. "Wir fühlen uns sehr wohl hier", sagt sie, "es ist schön, hier zu wohnen." Wieczorek nutzt alle Geschäfte am Ort, kritisiert aber auch den Verkehr in der Hauptstraße. Sie ist froh darüber, dass der Supermarkt bleibt. Und überhaupt: "Die Stimmung am Ort ist sehr gut."

Weiter geht es. Im Herzen Seefelds gibt es alles, was nötig ist: Kühlschränke und Spülmaschinen, Modisches für die Frau, Secondhand-Sachen für die Kinder, Zeitungen und Lottoannahmestelle, Autos und Getränke, ein Fitnessstudio. Ein paar Meter weiter versorgt die Kreissparkasse ihre Kunden mit Geld. Danach wird es ruhiger, auch wenn an der Hauptstraße die Chirurgische Klinik liegt. Schräg gegenüber steht Peter Obermeier und passt auf, dass die Schulkinder wohlbehalten über die Straße kommen. Seit fünf Jahren ist er Schülerlotse. Die Verkehrssituation sei teilweise schon extrem, sagt der 61-Jährige. Er hat sich einmal an einem Freitag die Mühe gemacht und die Autos gezählt: Von 13 bis 13.20 Uhr waren es 110. Trotzdem fühlt mich Obermeier wohl in seinem Heimatdorf. Weil der Zusammenhalt stimmt und es alles gibt: "Krankenhaus, Apotheke, Geschäfte, Vereine", zählt er auf. "Eigentlich", meint er, "braucht man in Seefeld überhaupt kein Auto."

In der Rosen-Apotheke von Michaela Erdmann ist gut Betrieb. Die Apothekerin in dritter Generation aus Planegg ist noch nicht so lange in Seefeld, aber sehr gerne. Mit der Schlossapotheke gebe es "ein gutes Miteinander". Erdmann hat sich auf Nahrungsergänzungsmittel und Homöopathie spezialisiert. Ihre Mitarbeiterin Erna Scheuermann macht sogar Antlitzanalyse. Ganz wichtig sei die Beratung, die verlangten die Seefelder auch. "Die Leute sind sehr nett, die Stimmung familiär", sagt die 53-Jährige. Sie geht gern in die Croissanteria, und von dort kommt jetzt Xhemile Taffertshofer.

Auch Elke Radetzky, 71, und Karl Schmidt, 75, holen sich ihre Medikamente in der Rosen-Apotheke. Sie leben erst seit 2008 in Seefeld, schwärmen aber vom Ort, von der wunderschönen Landschaft, vom Schloss mit dem Kino Breitwand und von den guten Lokalen. Einziger Nachteil: Der S-Bahnhof ist weit entfernt. Aber sie sind ohnehin am liebsten zu Fuß unterwegs. Schließlich, sagt Elke Radetzky, "sind wir von München in die Natur gezogen".

Als eine der wenigen Gemeinden hat Seefeld noch eine richtige Postfiliale. Dahinter befindet sich das Seniorenstift. Dieser Abschnitt der Hauptstraße ist eher Wohngegend. Einfamilienhäuser wechseln sich mit Mietshäusern ab. Ein Raumausstatter bietet seine Dienste an. Eine Bäckerei, ein Obst- und Gemüsehändler haben hier ihre Geschäfte. Beim Italiener sitzen die Gäste schon auf der Terrasse beim Mittagessen. In der Metzgerei Ruf stehen die Kunden Schlange.

Im "Gasthaus Ruf", gegenüber der mächtigen Pfarrkirche St. Peter und Paul, kümmert sich Thomas Ruf um das leibliche Wohl seiner Gäste. Gerade kommt eine muntere Wandergruppe. Thomas Ruf ist gebürtiger Seefelder, sitzt für die Freie Wählergemeinschaft im Gemeinderat. Auch er lobt die Infrastruktur des Ortes, bezeichnet den Verkehr in der Mitte aber als "grausam". Nur, räumt der 50-Jährige ein, "das ist überall so". Nur mit Parkverboten zu arbeiten, funktioniere jedenfalls nicht. Er ist froh, dass der Supermarkt gehalten werden kann. Dass Seefeld so beliebt ist, hat natürlich auch eine Schattenseite: Die Grundstücke werden immer teurer, in Hechendorf wegen der S-Bahnanbindung sogar noch mehr.

Auf seinen Lorbeeren ausruhen kann sich Seefeld jedenfalls nicht, meint der Gastwirt. Als Beispiel nennt Ruf das Freizeitangebot. "Nur die Seen sind zu wenig", sagt er. Eine Kegelbahn wäre schön, oder ein Minigolfplatz.

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