Zugvögel im Landkreis:Der Winter der Meeresvögel

Zugvögel im Landkreis: Der imposante, in Mitteleuropa extrem rare Gelbschnabeltaucher soll sich an den Ammersee verirrt haben.

Der imposante, in Mitteleuropa extrem rare Gelbschnabeltaucher soll sich an den Ammersee verirrt haben.

(Foto: Norbert Potensky)
  • Die Tiere überwintern eigentlich im Nordwestpazifik oder an der Küste Norwegens.
  • Die Seetaucher können Fische mit einem Kilo Gewicht verschlingen.
  • Dass auch Gelbschnabeltaucher gesichtet wurden, gilt als Sensation.

Von Armin Greune, Schondorf/Starnberg

Seit einer Woche sind die Vogelfreunde im weiten Umkreis des Fünfseenlands aus dem Häuschen. Am vorvergangenen Wochenende ist am Ammersee angeblich ein Gelbschnabel-Eistaucher (Gavia adamsii) entdeckt worden - ein imposanter Zugvogel, der sich dort wohl noch nie blicken ließ. Aber auch am Starnberger See überwintern heuer ungewöhnlich viele Seetaucher aus dem hohen Norden. Der Grund dafür könnte der Wintereinbruch und die noch strengeren Fröste in Nord- und Osteuropa sein.

Der Gelbschnabeltaucher ist nicht nur für Spezialisten eine spektakuläre Erscheinung: Mit bis zu 1,60 Meter Spannweite ist er die größte der fünf Seetaucherarten, mit bis zu 6,5 Kilogramm wird er schwerer als eine Graugans. Die Vögel brüten in der küstennahen Tundra Sibiriens und Nordamerikas; im Winter sind sei eigentlich im Nordwestpazifik oder an Norwegens Küste unterwegs. Dort tauchen sie auf der Jagd bis zu 75 Meter ab: Alle Gavia-Arten sind mit stromlinienförmigem Körper und kräftigen Ruderfüßen hervorragend an Vorstöße in die Tiefe angepasst, sie können Fische mit einem Kilo Gewicht verschlingen.

Schondorf: Hobby Ornithologe Wolfgang Podszun

Hobby-Ornithologe Wolfgang Podszun späht an der Schondorfer Seepromenade nach dem besonderen Vogelexemplar.

(Foto: Nila Thiel)

Kein Wunder also, dass ihr Vorkommen derzeit viele Hobby-Ornithologen ins Fünfseenland zieht. Für Wolfgang Podszun etwa ist die Vogelbeobachtung zur Passion geworden: In Armenien war er dem Balkansteinschmätzer auf der Spur, auf den Kapverden erwischte er die Pfuhlschnepfe, auf Island die Gryllteiste. Nun ist er nach dem Gelbschnabeltaucher am Schondorfer Seeufer auf der Pirsch - mit Spektiv und Kamera versteht sich. Ein als zuverlässig bekannter Ornithologe hat am 15. Januar eine Sichtung am Ammersee gemeldet, die Nachricht verbreitete sich unter den Eingeweihten rasch.

Auch Josef Willy hat davon bereits gehört. Der 79-jährige Schondorfer gilt als der Vogelexperte am Ammersee: Im August wurde er im Umweltministerium ausgezeichnet, weil er seit 50 Jahren regelmäßig an den Wasservogelzählungen teilnimmt, mehr als eine Millionen Tiere hat er am Ammersee so bereits erfasst. Auch zum jüngsten Stichtag 15. Januar war Willy wieder im Revier von Stegen bis Utting unterwegs, konnte dabei aber keine besonderen Raritäten entdecken. Auffällig seien lediglich die mehr als 1000 Enten und Bläßrallen gewesen, die sich in Schondorf zwischen Dampfersteg und Strandbad Forster tummelten. "Heuer ist ein besonders günstiger Winter zur Vogelbeobachtung im Fünfseenland", sagt Willy. Er führt dies auf die kontinentale Kältewelle zurück, die in vielen Teilen Europas auch langsame Fließgewässer zufrieren ließ. Am 6. Januar brach mit dem Orkan "Axel" Kaltluft vom Nordpol ein, seitdem halten die stabilen Hochs "Angelika", "Brigitta" und "Christa"Mittel- und Osteuropa im Dauerfrost.

Willy wertet die mutmaßliche Sichtung des Gelbschnabeltauchers als "ziemliche Sensation". Sie sei von einem seriösen Beobachter bestätigt worden, "andere waren sich freilich nicht ganz sicher". Willy kann sich nicht erinnern, dass sich jemals ein Vertreter dieser imposanten Art am Ammersee gezeigt hätte. Auszuschließen sei dies allerdings nicht: Gavia Adamsii taucht zwar selbst an Nord- und Ostsee nur ausnahmsweise auf, aber als winterlicher Irrgast ist er alle ornithologischen Jubeljahre mal auch an mitteleuropäischen Seen anzutreffen. So soll zuletzt vor etwa 15 Jahren ein Exemplar am Starnberger See gesichtet worden sein, sagt Horst Guckelsberger, Kreisvorsitzender im Landesbund für Vogelschutz. Dort fände sich "im Winter schon immer ein größeres Artenspektrum als auf dem Ammersee ein", sagt Willy, denn der Starnberger friere seltener zu und biete mit dem klareren Wasser für Seetaucher etwa bessere Lebensbedingungen.

Auch wenn dort ein Gelbschnabeltaucher heuer noch nicht erblickt wurde, ist der Starnberger See als Winterquartier für andere Seetaucherarten seit langem bekannt. In diesem Jahr sind außergewöhnlich viele dieser großen Meeresvögel anzutreffen: Im November 2016 konnten an einem Tag etwa 105 Prachttaucher (Gavia arctica) beobachtet werden. Sie erreichen eine Spannweite bis 1,20 Meter und halten sich bis April vor allem in der Seeshaupter Bucht auf. Schwerer zu entdecken sind die etwas kleineren Sterntaucher (Gavia arctica), die vereinzelt oder in kleineren Trupps auf See schwimmen. Vom Eistaucher (Gavai immer), der fast die Ausmaße des Gelbschnabeltauchers erreicht, ist in manchen Wintern ein überwinterndes Individuum am Starnberger See zu sehen. Heuer hält sich seit dem 21. November ein Jungvogel in der Seeshaupter Bucht auf. Zudem wurden in diesem frostigen Winter besonders viele Meeresenten wie die massige Eiderente registriert. Im November wurden insgesamt 22 500, im Dezember 20 000 Wasservögel am Starnberger See gezählt.

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