Zu teuer:Hohe Mieten schrecken Arbeitnehmer ab

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In Herrsching entstehen Mitarbeiterwohnungen der AWA-Ammersee (von links): Thomas Jacobs, Mario Löser und Horst Marek. (Foto: Arlet Ulfers)

Auch Normalverdiener tun sich im Landkreis Starnberg schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. IHK-Chef Eickelschulte kritisiert die Gemeinderäte, weil sie eine zu geringe Baudichte genehmigen und Wirtschaftsförderer Winkelkötter nimmt die Firmen in die Pflicht

Von Michael Berzlund Otto Fritscher, Starnberg

Bernhard Rekus ist nur einer von vielen, die bei der Verleihung des Wirtschaftspreises auf das selbe Problem hinweisen, mit dem Unternehmen, aber auch Hilfsorganisationen im Landkreis zu kämpfen haben: "Wir verlieren Mitarbeiter oder bekommen keine neuen, weil diese keinen bezahlbaren Wohnraum finden", sagt das Vorstandsmitglied des Pöckinger Sozialdienstes. In die selbe Kerbe schlagen dann in Filmeinspielungen noch ein halbes Dutzend Unternehmer. Auch Angestellte bei den Gemeinden, Krankenschwestern, Polizisten und Pflegekräfte - eben Menschen mit keinem üppigen Einkommen - tun sich schwer, hier bezahlbaren Wohnraum zu finden. Doch Jammern reiche nicht, findet Christoph Winkelkötter, Geschäftsführer der Gesellschaft für Wirtschafts- und Tourismusentwicklung (Gwt) im Landkreis Starnberg. "So einfach dürfen sich das die Firmenchefs nicht machen. Sie müssen sich schon auch selbst an der Nase fassen", sagt er im Gespräch mit der SZ. Das heißt: Wieder Wohnungen für Mitarbeiter bauen, Werkswohnungen, wie dies früher mal hieß. Doch das, weiß auch Winkelkötter, ist dann doch nicht so einfach.

Ein Teil des Problems sei "selbstgemacht", sagt Starnbergs IHK-Chef Martin Eickelschulte. Zwar seien die meisten Gemeinderäte dafür, dass der Verband Wohnen baut. "Aber die benötigte Baudichte wird oft nicht bewilligt." Oft seien eben vier statt zweier Stockwerke nötig. "Und dann werden noch zu viele Stellplätze verlangt und einiges mehr." Ein anderes Problem muss laut Eickelschulte der Gesetzgeber lösen. Es gebe nämlich durchaus "Äcker am Ortsrand, die mit gefördertem Wohnraum bebaut werden könnten, wäre da nicht das Problem, dass der Verkäufer rund 50 Prozent des Verkaufspreises an Steuern abgeben muss." Es habe in den Sechzigerjahren bereits Steuererleichterungen gegeben, wenn jemand Grund für Wohnbau abgegeben habe, "und ein solches Modell brauchen wir wieder". Aber damit noch nicht genug der Hemmnisse: "Immer wieder sind Anwohner komplett gegen Wohnbauprojekte und klagen dann."

Es gibt aber auch positive Ansätze. Um bezahlbaren Wohnraum für Mitarbeiter des Starnberger Landratsamtes zu schaffen, investiert der Landkreis selbst eine Menge Geld. Auf einem Grundstück in Söcking sollen für gut zwei Millionen Euro zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt zehn Wohnungen errichtet werden. Die Mieten dort sollen unter zehn Euro pro Quadratmeter bleiben, sagte Landrat Karl Roth, als der Bauausschuss des Kreistags in dieser Woche über Details der Holzbauweise und die Unterkellerung abstimmte. Die Häuser entstehen auf einem Hanggrundstück an der Andechser Straße. Vorgesehen sind zwei Etagen und ein Dachgeschoss, das lediglich als Speicher dient.

Wenn das Bauvorhaben auch vom Willen des Landkreises getragen ist, günstige Wohnungen anzubieten, so muss das Projekt trotzdem wirtschaftlich sein. "Wir dürfen es nicht subventionieren", erklärte Roth zu den finanziellen Rahmenbedingungen. Die Kosten dürfen also nicht zu hoch liegen, weshalb der Ausschuss mehrheitlich beschlossen hat, in einem der beiden Häuser auf einen Keller zu verzichten. Die künftigen Mieter müssen sich also mit dem Speicher arrangieren.

Einen anderen Weg geht die Gemeinde Gauting, die an der Ortsdurchfahrt von Stockdorf einem privaten Investor Baurecht für ein größeres Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage und insgesamt 18 Wohnungen schafft und sich zugleich ein Belegungsrecht verbriefen lässt. Auf diese Weise will es die Gemeinde zum Beispiel Rathausmitarbeitern oder Erzieherinnen in Kindergärten ermöglichen, eine Bleibe zu finden, die sie sich leisten können. Auf dem Grundstück steht jetzt noch das schon lange geschlossene Gasthaus Oberland, das abgerissen wird.

In Herrsching bauen die Wasser- und Abwasserbetriebe AWA-Ammersee ein Haus mit insgesamt sechs Mitarbeiterwohnungen. Es soll Mitte nächsten Jahres bezugsfertig sein. "Die Wohnungen sind längst vergeben", sagt Technischer Leiter Thomas Jacobs. Das Projekt habe noch einen anderen Vorteil: "Die Wohnungen liegen nur 400 Meter vom Arbeitsplatz entfernt, so dass man kein Auto braucht."

Gwt und Wirtschaftsforum wollen Wohnbauprojekte künftig "mit professioneller Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung begleiten, um für sie eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen", kündigte Eickelschulte an.

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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