Würmtal:Die Asyl-Experten

Helferkreis Asyl Gräfelfing, 1. Mal Kaffetrinken bei Schneider-Eickes

Elisabeth Schneider-Eicke vom Helferkreis Asyl beim Kaffeetrinken mit einer syrischen Familie.

(Foto: privat)

250 Ehrenamtliche betreuen 500 Flüchtlinge in Gräfelfing, Planegg und Krailling

Von Annette Jäger, Würmtal

Vor gut einem Jahr kamen die Flüchtlinge zu Tausenden am Münchner Hauptbahnhof an. Für sie wurden Turnhallen zu Notunterkünften umfunktioniert. So auch in Gräfelfing und Planegg. Elisabeth Schneider-Eicke wohnt in der Nähe der Gräfelfinger Turnhalle und bekam mit, wie 200 Stockbetten in der Halle aufgebaut wurden. Als die Flüchtlinge einzogen, ging sie kurzentschlossen vorbei und bot ihre Hilfe an. Heute ist sie Koordinatorin des Helferkreises in Gräfelfing, aus dem spontanen Hilfsangebot ist an vielen Tagen ein Ganztagsjob geworden.

Dass das Zusammenleben der Flüchtlinge im Würmtal friedlich verläuft, viele der Flüchtlinge bereits arbeiten und gut Deutsch sprechen, die Kinder regelmäßig in Kindergärten und Schulen gehen, dass die Familien Arztbesuche selbstständig meistern und auf ihre Anhörung vorbereitet sind, ist auch ein Verdienst von Würmtalern wie Elisabeth Schneider-Eicke: über 250 Ehrenamtliche betreuen an die 500 Flüchtlinge in Gräfelfing, Planegg und Krailling. "Uns geht es so gut, davon möchte ich etwas zurückgeben" ist ein Satz, mit dem viele Helfer ihre Motivation beschreiben.

Der Helferkreis Asyl Würmtal ist eine der am längsten existierenden Gruppierungen dieser Art im Landkreis München und Starnberg, vermutet der Kraillinger Herbert Veit. Er baute 1992 den Kreis zusammen mit Gisela Wirth und Annemarie Detsch auf, als viele Flüchtlinge während der Balkankriege nach Deutschland kamen. Schon damals organisierte der Kreis Deutschkurse, half bei der Arbeitssuche, unterstützte bei Behördengängen. Zum 20. Jubiläum im Jahr 2012 war die Helferzahl auf vier geschrumpft - der Bedarf, Flüchtlingen zu helfen, war kaum mehr vorhanden. Das änderte sich schlagartig, als ab 2013 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan in zunehmend großer Zahl ins Würmtal kamen. Der Helferkreis wurde wiederbelebt, inzwischen haben sich unter seinem Dach drei eigenständige Gruppen in den Gemeinden Planegg, Gräfelfing und Krailling gebildet. Alle arbeiten intensiv zusammen, treffen sich und tauschen Informationen aus.

Uli Essig ist einer der Helfer, der den Kreis schon aus den 1990er Jahren kennt. Essigs Familie nahm damals Balkan-Flüchtlinge bei sich Zuhause auf und kam so in Kontakt mit dem Helferkreis. Heute ist er Koordinator des Planegger Kreises. Er sei schon immer "ein politischer Mensch" gewesen und habe sich gesellschaftlich engagiert, früher bei der Friedensinitiative Würmtal. Jetzt spendet er zwischen 20 und 40 Stunden pro Woche den Flüchtlingen und ist Ansprechpartner für die Teams. Die gibt es in jedem Helferkreis: das eine Team kümmert sich um Jobsuche, das andere um Sprachunterricht, wieder andere helfen bei Alltagsfragen oder gestalten Freizeitaktivitäten. Im Moment ist das Thema Anhörung hochbrisant, sagt Herbert Veit. Der Behördentermin entscheidet darüber, ob ein Asylbewerber hier bleiben darf oder nicht. Die Helfer bereiten die Betroffenen darauf vor, gehen die zu erwartenden Fragen gemeinsam durch: "Wie bist Du hergekommen? Warum bist du geflohen? Das sind die Kernfragen", erklärt Konrad Kraft vom Helferkreis Krailling. Die Helfer sind zu Experten des Asylverfahrens geworden.

Manche Helfer - vorwiegend engagieren sich Rentnerinnen - sind zu Paten geworden und stehen einer Familie zur Seite, andere helfen stundenweise. Weitere Helfer sind immer willkommen, sagen alle Koordinatoren, vor allem in Martinsried. Die Ehrenamtlichen agieren alle nach derselben Leitlinie: Hilfe zur Selbsthilfe geben. "Nicht überbetreuen", nennt Essig es: die Helfer zeigen, wie Deutschland funktioniert, nach und nach sollen es die Flüchtlinge selbst hinkriegen. Neben vielen Erfolgserlebnissen gibt es immer wieder auch Enttäuschungen. Die Hilfe wird nicht immer so angenommen, wie erhofft. "Wir müssen akzeptieren, dass es jeder anders macht", sagt Konrad Kraft. Es bleiben unterschiedliche Kulturen und Werte, die aufeinandertreffen. Damit kann der eine Helfer besser umgehen als der andere. "Distanz zu halten ist wichtig", mahnt Essig. Sonst wird man innerlich aufgefressen.

Manchmal wacht Elisabeth Schneider-Eicke morgens auf und fragt sich, wie sie ihre Termine alle unter einen Hut kriegen soll. Wenn sie aber nachmittags in die Flüchtlingsunterkunft in Gräfelfing kommt, fällt alle Belastung von ihr ab, sagt sie. "Wenn ich die Menschen treffe, geht mein Herz auf, sie sind so zugewandt, die Resonanz ist so groß, viele kommen gut alleine zurecht. Wir haben schon so viel geschafft."

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