Band aus Wörthsee:Könige der Entspannung

Lesezeit: 3 min

Die Band "Vorteilspack" ist erst Ende 2012 gegründet worden. Trotzdem haben die jungen Musiker aus Herrsching und Germering schon ihren Stil zwischen "Kings of Convenience" und "Notwist" gefunden

Von Gerhard Summer, Wörthsee

Das Gute liegt so nah. Es muss November 2012 sein, als sich die Schulfreunde Max Grüner und Jakob Schuster treffen, um Musik zu machen. Sie covern den Bob-Dylan-Song "I shall be released" und kommen auf die Idee, ein eigenes Gitarrenstück ins Netz zu stellen, "Crazy Reign". Soundcloud bietet sich für so was an, der Online-Musikdienst. Aber natürlich brauchen die Musiker erst mal einen Bandnamen. Die beiden haben sich Nudeln gemacht, Barilla Spaghetti Nr. 5. Ihr Blick fällt auf die Großpackung, da steht "Vorteilspack" drauf. Okay, das klingt eher nach Deutsch-Punk als nach Indie und Acoustic-Pop mit englischen Texten. Aber trotzdem verdammt gut.

Andere Bands machen sich verrückt mit der Suche nach einem originellen Namen. Oder geben entnervt auf und entscheiden sich für einen windigen Kompromiss. Vorteilspack kamen viel schneller zum Ziel, das scheint ohnehin charakteristisch für diese Formation zu sein, die vor gut drei Jahren als Duo startete, Anfang 2013 mit Jonas Dannecker zum Trio geworden ist und seit dem Sommer 2015 noch Elias Finsterlin (Bass und Synthesizer) als Vierten im Bunde dazu gewonnen hat. Gleich nach der Bandgründung jedenfalls beteiligten sich die Jungs am Bandwettbewerb Emergenza. Sie kamen als Trio immerhin bis ins Bayern-Finale in der Münchner Muffathalle. Das war im Sommer 2013. Im Mai 2014 entschied Vorteilspack im Alten Bahnhof Steinebach den "Bandcontest der Jugendhäuser im Landkreis Starnberg" für sich und gewann einen Aufnahmetag in den Tutzinger Red-Rooster-Studios von Peter Maffay. Inzwischen hat die Gruppe, deren Altersdurchschnitt gerade mal bei 20,5 Jahren liegt, ihre zweite Platte "Dreamconstruct" herausgebracht. Und so unwahrscheinlich das auch klingen mag: Dieses auf CD und auf Vinyl erschienene Album ist musikalisch so reif, eigenständig und frei von allem Schielen auf Hits, dass man wieder an kleine Wunder glauben mag.

Soundtüftler: "Vorteilspack", hier in Trio-Formation mit Max Grüner, Jonas Dannecker und Jakob Schuster (v.li.) im Alten Bahnhof Steinebach. (Foto: Georgine Treybal)

Natürlich ist kaum zu überhören, dass Vorteilspack Vorbilder hat und die Singer-Songwriter der Siebzigerjahre schätzt. Die von zweistimmigem Gesang, von Klassik- und Westerngitarren geprägten Songs zwischen Pop, Folk, Jazz und Rock erinnern oft an die unaufgeregte, atmosphärisch dichte Musik der Kings of Convenience, an die frühen Coldplay, natürlich an die Elektroniktüftler Notwist aus Weilheim, vielleicht auch an die Art, wie die Alternative-Pop-Band Alt-J aus Leeds ihre Themen vorantreibt. Doch über all dem schwebt der eigene Stil der Musiker aus Herrsching und Germering, die keine Scheu davor haben, sich Gastmusiker ins Homerecording-Studio zu holen, zum Beispiel eine Bassklarinettistin, und in den vergangenen zwei Jahren mindestens zwei Konzerte pro Monat gespielt haben. Vorteilspack-Songs sind sehr entspannt, ruhig, minimalistisch, stimmungsvoll und schwermütig. Das hört sich fast so an, als säßen ein paar Freunde rauchend und mit Gitarren, Klarinette, Saxophon und Percussion rund ums Lagerfeuer und schauten zu, wie das Leben so vorüberzieht. Und das Schönste an "Dreamconstruct" ist, dass dieses Stücke nicht geradelinig wie auf Schienen laufen. Immer wenn es zu ruhig und zu melancholisch wird und man denkt: Ach, jetzt könnten die Jungs aber einen Zahn zulegen, gibt es eine Wendung, mischt sich ein neu dazugekommenes Instrument ein, nimmt die Musik Fahrt auf und steigert sich wie im Titelsong zu einer Hymne, die von Fleetwood Mac oder Pink Floyd stammen könnte. Vorteilspack nennen ihren Stil "Psycoustic" und "Indietronic". Man könnte auch sagen: wunderschöne Songs für die Insel.

Für die Texte der Herrschinger Kings of Relaxation ist Jakob Schuster zuständig. Er hat es nicht so mit den sozialkritischen Polit- oder den typischen Lovesongs. Er erzählt lieber vom "Kreislauf des Lebens", tendiert zu Märchen, packt viel Selbsterlebtes rein. Lyrics, "die sich nicht aufdrängen", sagt er dazu. In "The Stranger, the Eagle & the Whale" zum Beispiel geht es darum, wie die Sonarwellen eines Schiffes einen Walfisch in die Irre leiten.

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Jakob Schuster studiert inzwischen in München Medizin, Max Grüner akustische Gitarre in Dresden und Jonas Dannecker Musik auf Lehramt. Elias Finsterlin macht eine Ausbildung zum Tontechniker. Die Songs schreiben vorwiegend Schuster und Grüner (beide Gitarre und Gesang), aber einige Stücke sind auch zu dritt entstanden. Hierarchien oder feste Strukturen mögen die Soundtüftler ohnehin nicht. Für sie ist es wichtiger, "für alles offen zu sein", genau zu überlegen, an welchen Stelle einem Song Reduktion gut täte, oder auch mal im Heimstudio zehn Stimmen übereinander zu schichten, bis es passt.

Musik ist für die Band, die im Alten Bahnhof in Steinebach probt, längst zur Leidenschaft geworden. Sogar auf Reisen durch Südamerika: Jakob Schuster und Max Grüner treiben sich derzeit in Argentinien herum und wollen in Buenos Aires Hauskonzerte geben und in einer Folkbühne spielen. Natürlich wäre es schön, wenn sie von ihrer Musik leben könnten, sagt Jonas Dannecker, "klar ist das der Traum". Aber sie wollen das nicht um jeden Preis erzwingen. Vorteilspack hält es mit dem Kommerz wie seine Vorbilder: "Notwist ist immer in der Indie-Schiene geblieben."

Die CD "Dreamconstrukt" ist über vorteilspackmusic@gmail.com zu haben. Die CD kostet zehn Euro, die Vinylplatte 20 Euro.

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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