Wörthsee:Aus alt mach neu

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In Wörthsee tut sich einiges. Das Strandrestaurant "Raabe am See" wird verpachtet, im Gemüseladen gibt es jetzt auch Brot. Und "Raabes Wirtshaus" schürt die Emotionen

Von Christine Setzwein, Wörthsee

Es gibt Nachrichten, die verbreiten sich wie ein Lauffeuer. Vor allem solche, über die man sich richtig aufregen kann. Zum Beispiel die, dass da an einem Samstag einfach jemand kommt und vom Traditionswirtshaus "Raabe" in Steinebach das geschmiedete Schild mit dem Raben entfernt. "Die Zerstörung unseres Wirtshaus Raabe und der Steinebacher Ortsmitte geht weiter", postet Harald Lossau und stellt auf Facebook auch gleich ein Foto von der Demontage ein.

Obst und Brot unter einem Dach: Barbara Steinmüller und Mosafer Saeed teilen sich einen Laden. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Noch eine Nachricht macht in Wörthsee die Runde: Das Strandrestaurant "Raabe am See" schließt. Kaum hat die eine Wirtschaft - der Augustiner - wieder auf, macht die andere ein paar Meter weiter zu. Und wieder ist die Rede von der Schlafgemeinde Wörthsee.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht. Im Obst- und Gemüseladen von Mosafer Saeed in der Seestraße hat die Bäckerei Stenzel eine neue Heimat gefunden und verkauft dort jetzt Brot, Brezen und Butterhörnchen. Auch das wird kommentiert im Netz. Da geht einem Wörthseer "das Herz auf, wenn ich sehe, dass etwas Neues entsteht und nicht wieder was Altes zumacht". Einen "fantastischen Espresso" gebe es dort, heißt es, die Bedienung sei freundlich und gut, und der Hefezopf ein Traum. Da ist also jetzt quasi über Nacht ein Dorfladen entstanden, während die ehemalige Filiale der Kreissparkasse, in der ein genossenschaftlich betriebener Dorfladen geplant ist, immer noch leer steht. Anteile von mehr als 86 000 Euro wurden bereits gezeichnet, die Gemeinde Wörthsee hat sich zu einer Bürgschaft über 37 000 Euro durchgerungen, damit der Zuschuss aus dem für Leader-Projekt fließt, und der Dorfladenverein steht immer noch in Verhandlungen mit den Bankern. "Es zieht sich", heißt es in der jüngsten Mitteilung. Ohnehin sind viele Wörthseer der Meinung, es braucht keinen weiteren Dorfladen, wo es doch bereits einen in Walchstadt gibt, einen Metzger in Etterschlag, einen Hofladen in Auing und jetzt den gemischten Obst- und Gebäckladen. Mosafer Saeed, der seit 30 Jahren in Steinebach lebt, freut sich, dass die Bäckerei am Ort gehalten werden konnte. Jetzt ist der kleine Laden, in dem seine Frau Zahra mithilft, vor allem samstags zu einem Treffpunkt geworden.

Zu Erklärungen sieht sich Andrea Raabe genötigt, nachdem die Post den Briefkasten abgebaut hatte. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Zurück zu Raabes Wirtshaus, dem prägenden Gebäude der Steinebacher Ortsmitte. Das ganze Areal steht seit Ende Juli leer. Die Eigentümer, das Ehepaar Andrea und Willi Raabe, wollen es verkaufen. Seit kurzem steht auch ein Bauzaun um das Grundstück herum. Und die Volksseele kocht. Der Bauzaun - "eine Schikane", dass das Schild mit dem Raben entfernt wurde - "da möchte sich jemand mit dem ganzen Dorf anlegen". Für Harald Lossau, Gemeinderat der Freien Wähler, ist es "nicht nachvollziehbar, dass man sich als Eigentümer eines solchen Traditionsobjekts seiner Verantwortung nicht bewusst ist". Er vermutet, dass "sie" das Wirtshaus abreißen möchte, um das Grundstück teurer verkaufen zu können. Und jetzt hat "sie" auch noch den Briefkasten abmontieren lassen.

"Sie" ist Andrea Raabe und kann alles aufklären, wenn man sie denn fragt. Das Schild mit dem Raben gehöre der Familie und sei abmontiert worden, um es zu restaurieren - und dann wieder aufzuhängen. Bedauerlicherweise sei der untere Teil der Konstruktion, ein buntes Glas mit Lampe, vor einiger Zeit heruntergefallen und vom Wirt weggeworfen worden. Der Bauzaun, erklärt Raabes Planerin Anneliese Hagl, sei lediglich aus haftungsrechtlichen Gründen aufgestellt worden. Was den Verkauf des Raabe-Areals betrifft, "sind wir mit zwei Interessenten im Gespräch", sagt Hagl. Ihr - sie lebt auch in Wörthsee - und der Familie Raabe sei es wichtig, dass der neue Eigentümer gut mit der Kommune zusammenarbeite, "er muss sich einfühlen, was das Beste für die Gemeinde ist". Den Raabes sei es nie um "maximalen Gewinn gegangen", sagt die Ingenieurin.

Bürgermeisterin Christel Muggenthal kann die Aufregung nicht ganz verstehen. Als Gemeinderat müsse Lossau wissen, dass für das Raabe-Areal eine Veränderungssperre gilt und laut Bebauungsplan das Gebäude erhalten werden muss.

Erhalten wird auf alle Fälle die Marke "Raabe am See". Auch wenn Thomas und Maria Raabe ihr Traditionslokal zum Jahreswechsel verpachten. Ein Entschluss, der dem Wirtepaar nicht leicht gefallen ist. 25 Jahre haben die Beiden das Restaurant geführt, haben es saniert und erweitert. Nun stand die nächste Renovierung an, sagte Thomas Bernhard. Aber der Familie sei klar geworden, dass nicht nur das Ambiente verändert, sondern auch die Aufgaben anders verteilt werden müssten. Kassensystem, Bürokratie, Personalwechsel, die Organisation neben dem Restaurantbetrieb wurde immer mehr, das Familienleben mit den zwei Töchtern immer weniger. Dazu kommt, dass die Mutter von Thomas Bernhard bei der Verwaltung der Familien-Immobilien mehr Unterstützung braucht. Neue Pächter gibt es wohl, aber die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Deshalb halten sich die Bernhards noch sehr bedeckt mit weiteren Informationen. Nur so viel: Nach umfangreichen Renovierungs- und Umbauarbeiten wird das Lokal im Frühjahr 2017 mit einem neuen Gastronomiekonzept und Ambiente neu eröffnet. Bis Kirchweihsonntag hat der Raabe am See noch auf. Am Montag 17. Oktober, wird es ein großes Abschiedsfest zu Gunsten des BR-Wohltätigkeitsprojekts "Sternstunden" geben. Wer mitfeiern will, sollte sich anmelden. Nur noch Privatiers wollen die Bernhards nicht werden. "Das könnte ich gar nicht", sagt die Wirtin. Aber auch darüber wird nichts verraten.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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