Wirtschaftsserie "Vater, Mutter, Firma":Die Segel richtig gesetzt

Markus Glas war Fischer am Starnberger See, bevor er sich 1924 dem Schiffsbau widmete. Seine Nachfahren verkaufen heute auch Rennboote und Luxusversionen aus Mahagoni.

Von Manuela Warkocz, Pöcking

Bootsbauer Glas für Wirtschaftsserie

1800 Stunden Arbeit stecken in einem Segelboot, das Markus Glas herstellt.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Stil und Eleganz sind Trumpf in der Bootswerft Markus Glas in Possenhofen am Starnberger See. Der Chef lässt das Motorboot "Gloria" erst einmal ordentlich wienern, bevor fotografiert werden darf. Das schlanke Rennboot entwarfen die Bootsbauer 1953 im Auftrag der reichen Starnberger Filmproduzentin und Besitzerin des Münchner Gloria-Filmpalastes Ilse Kubaschewski.

Nach ihrem Tod konnte die Werft den edlen Oldtimer über Umwege wieder erstehen. Als Mahagoni und Messing glänzen und die cremefarbenen Ledersitze in der Sonne leuchten, klemmt sich Markus Glas, 60, hinter das Lenkrad. Seine beiden Söhne Max, 33, und Dominik, 31, schwingen sich gut gelaunt dazu.

Einst waren die Glas' eine Fischerfamilie

Das Boot, ein Klassiker des legendären Konstrukteurs Carlo Marconi, dient ihnen heute als Arbeitsboot. "Mal schnell zum Einkaufen nach Starnberg. Geht ja über den See schneller als auf der Straße", feixt Max Glas.

Auch zum Schleppen von Segelschiffen muss die elegante Gloria ab und zu ran, etwa für Kundschaft aus dem feinen Bayerischen Yachtclub in Starnberg. Und wenn die Glas-Männer das so erzählen, kommt es gar nicht protzig rüber nach dem Motto "Mein Haus, mein Auto, mein Boot . . .". Es wirkt bei ihnen ganz selbstverständlich.

Die Bodenständigkeit gehört zum Erfolgsrezept der international agierenden Werft. Man hat nie den Ursprung des erfolgreichen Unternehmens vergessen. Seit etwa 1530 lebt die Familie in dem kleinen Ort am Westufer des Würmsees, wie der Starnberger See früher hieß. Sie verdienten als Fischer ihr Brot.

Der Firmengründer sattelte vom Wagner zum Bootsbauer um

Auch Firmengründer Markus Glas, 1900 geboren, war Fischer. Bis heute ist es Tradition, dass das Familienoberhaupt Mitglied ist in der Fischereigenossenschaft Würmsee, wenn auch nur noch als Hobby-Angler. Markus Glas lernte damals noch Wagner dazu.

Als er aber feststellte, dass die Wagnerei mit den aufkommenden Automobilen keine Perspektive mehr bot, machte er sich auf nach Hamburg und sattelte auf Bootsbauer um. Nachdem er seinen Meisterbrief hatte, der heute noch eingerahmt im Büro hängt, gründete er 1924 die Firma.

Dabei bewies er Entschlossenheit und Weitblick. Denn es gelang ihm, seine 13 Geschwister allesamt auszuzahlen. Am Seeweg, gleich gegenüber dem Wohnhaus, errichtete er eine Werfthalle. "Der Großvater hat mit Ruderbooten angefangen, geklinkerten Booten mit überlappenden Planken wie bei den Wikingerschiffen", erzählt Enkel Markus Glas, braun gebrannt in Polo-Shirt und Segelschuhen.

Ersatzteile wurden mit dem Rad geliefert

Die Kähne wurden nicht nur am Starnberger See gekauft, sondern gingen bis an den Tegernsee und Chiemsee. Brach ein Ruder, musste ein Mitarbeiter ein neues liefern - per Fahrrad. Zwischen sechs und acht Arbeiter waren beschäftigt, auch heute sind es mit 15 Mitarbeitern nur unwesentlich mehr. Immer sind auch zwei Lehrlinge dabei. Darauf legt Markus Glas Wert, der zeitweise Obermeister der bayerischen Bootsbauerinnung war.

Die weiteren Geschäftszweige der Firma, wie sie heute noch bestehen, stellte ebenfalls schon der Firmengründer in den Aufschwungjahren vor dem Zweiten Weltkrieg auf die Beine: Bau und Reparatur von Segelschiffen, Vermietung von Liegeplätzen an Bojen, eine Winterlagerhalle, ein eigener kleiner Hafen.

Die Motorboote bringen den Durchbruch

Mit Motorbooten machte sich Glas in den Fünfzigerjahren einen Namen. Als es schick wurde, mit einem eigenen Boot an der Côte d'Azur oder auf dem Gardasee herumzuflitzen, ließ man sich eine Luxusversion in Possenhofen bauen, mit abgewandelten 300 SL-Motoren von Mercedes. Herbert Quandt zählte zu den Kunden und der Unternehmer Heinz Rosteg von der Wintershall AG.

Bootsbauer Glas für Wirtschaftsserie

Besonders stolz ist Firmenchef Markus Glas, hier mit seinen Söhnen Max und Dominik, auf das Motorboot "Gloria", das einst für die Starnberger Filmproduzentin Ilse Kubaschewski gebaut wurde.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Markus Glas, der gleichnamige Vater des heutigen Firmeninhabers - "Ja, da gibt es bei uns ein bisschen Durcheinander mit dem Traditionsnamen. Deshalb heißen die Söhne jetzt anders" - jagte die eigenen Boote zu Spitzengeschwindigkeiten: die 19,4 Kilometer Entfernung von Starnberg nach Seeshaupt am südlichen Seeende in 27 Minuten.

Schaut man heute in die recht enge Bootsbauerhalle, kann man einen Drachen auf Kiel liegen sehen, eines der Erfolgsboote der Glas-Werft. 1800 Stunden Arbeit stecken in dem Segelboot, bis es zu Wasser gelassen werden kann. Die Preise für die individuelle Handarbeit sind entsprechend. Mit einem Kunststoff-Rumpf ist ein Drachen für 80 000 Euro zu haben, für ein reines Holzboot - grundsätzlich aus Mahagoni - muss man 150 000 Euro hinblättern.

Fünf Boote werden pro Jahr verkauft: "Das reicht"

Etwa fünf Boote im Jahr verkaufen die Possenhofener. "Das genügt", so Markus Glas. Neben dem Drachen ist vor allem das offene Kielboot L 95 ihr Erfolgsmodell, zudem Binnenkreuzer und nationale Kreuzer. Sonderanfertigungen wie eine 15-Meter-Yacht kann man ebenso finden.

Die Possenhofener zählen sich selbst zu den einzigen Bootsbauern in Bayern, die noch in nennenswertem Stil Boote selbst bauen und sich nicht nur auf Reparatur und Service verlegen.

So ein Rundum-Sorglos-Paket für den anspruchsvollen Genuss-Segler hat Glas freilich auch im Angebot. Das Boot wird im Frühjahr hergerichtet, zu Wasser gelassen, aufgetakelt und im Herbst wieder eingelagert. Dabei gibt es durchaus Kunden, die zwar 4000 Euro für einen Liegeplatz zahlen, aber ihr Boot die ganze Saison nicht anrühren.

Die Söhne stehen schon mit Ideen für die Nachfolge parat

Seinen Beruf sieht Glas als "vielseitige Mischung". Er liebt die vielen Materialien im Bootsbau, aber auch die Herausforderungen eines Kaufmanns, gut zu kalkulieren und mit den Kunden zu verhandeln. Bei allem Geschäft bleibt immer noch genügend Zeit für den Spaß auf dem Wasser. Jedes Sommerwochenende segelt Glas irgendwo eine Regatta.

Die vierte Generation Glas will die Werft in flotteren Wind drehen. Die beiden Brüder Max und Dominik, beide Bootsbaumeister, haben die Hand bereits mit am Ruder des Unternehmens. Auf dem 3000 Quadratmeter großen Werftgelände ist eine zweite Halle als Werkstatt geplant.

Außerdem will sich der Yachtclub Possenhofen erweitern, der auf dem Glas-Gelände situiert ist und dessen Mitglieder natürlich zur besten Kundschaft der Glas Werft gehören. Die einzige Frau, die auf der Werft namhaft in Erscheinung tritt, ist Anneliese Binder, die Schwester von Markus Glas. Sie betreibt eine hübsche kleine Galerie auf dem Gelände - die "Kunst-Werft".

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