Wirtschaftsserie, Teil 3: "Vater, Mutter, Firma":Das Erfolgsrezept ist die Familie

Kornprobst gehört zu den 20 besten Bäckern im Freistaat. Schon früh galten die Semmeln im Ort als etwas Besonderes

Von Daniela Gorgs, Hilgertshausen

Das Wichtigste vorweg: Der Brotteig muss in Form gebracht werden. Georg Kornprobst nimmt einen Klumpen und legt ihn auf die lange, bemehlte Arbeitsplatte. Mit den Fingern greift er den Rand und faltet ihn mit den Handballen zurück in die Mitte. Dreht den Teig und wiederholt den Prozess. Den oberen Rand in die Mitte klappen, mit den Handballen festpressen. Rundwirken heißt das in der Fachsprache. Das Wirken bringt Spannung in den Teig. Und Muskeln in die Oberarme des Bäckermeisters.

Georg Kornprobst, 41, hat die Backstube von seinem Vater übernommen. Er ist der vierte Bäcker in der Generationenfolge eines Unternehmens, das Uropa Ignaz im Jahr 1820 gegründet hat. Die Geschichte der Bäckerei Kornprobst geht bis in die Zeit des Hilgertshausener Schlosses zurück. Georg Kornprobsts Vater, der auch Georg heißt, hat die Geschichte aufgeschrieben. Seine Vorfahren betrieben neben der Bäckerei einen Hof mit Landwirtschaft. Viele ortsansässige Handwerker, Häusler und Bauern hatten selbst einen Backofen. Semmeln, Salzspitz, Brezen, Zöpfe und Osterfladen vom Bäcker Kornprobst waren ein Highlight, etwas Besonderes. Viele Familien stellten den Teig selbst her und brachten ihn im Schubkarren zum Backen im Bäckerofen. In den 1920er Jahren begannen die Kornprobsts, Brot und Semmeln auszuliefern. Ihre Kundschaft wohnte in entlegenen Höfen und kleinen Ortschaften der Umgebung. Wegen der schlechten Straßen wurde die Zustellung oft zur Tagesreise.

Seit den 1960er Jahren fahren die Kornprobsts ihre Backwaren mit dem Auto aus. Die großen Höfe waren gute Abnehmer, erzählt Georg Kornprobst senior. An viele nette Begebenheiten, Gespräche mit Knechten und Mägden erinnert er sich. Diesen Austausch an Neuigkeiten genießt der 68-Jährige heute noch, wenn er seinem Sohn unter die Arme greift und die Backwaren zu den Filialen fährt. 2009 übergab er den Betrieb an einen der drei Söhne: Georg. Zwar erlernte noch ein weiterer Sohn das Bäckerhandwerk, doch übt er den Beruf nicht aus. "Mein Bruder konnte das Bäcker gehen nicht", sagt Georg Kornprobst junior schmunzelnd. Will heißen: Er kann nicht früh aufstehen.

Bäckereien

217 Bäckereibetriebe gibt es laut Landesinnungsverband für das Bayerische Bäckerhandwerk in München und der Region. Eine ordentliche Zahl, findet der Obermeister der Dachauer Bäckerinnung, Ludwig Kloiber. Die Familienbetriebe seien Impulsgeber für eine ortsnahe Versorgung und die Wirtschaftskraft der Region. Freilich, die industrielle Konkurrenz mache den Bäckern zu schaffen, aber auch der hohe Strompreis sowie manche Auflage und Vorschrift. Der Mindestlohn etwa. Zwar eine gute Sache, sagt Georg Kornprobst, der seinen Bäckern mehr als den Mindestlohn zahlt. Der bürokratische Aufwand für die neue Verordnung jedoch sei enorm.

Die Dachauer Bäckereien haben gute Strategien im Kampf gegen die Verdrängung durch große Ketten entwickelt. Sie setzen auf Qualität und ein gutes Arbeitsklima. Der erste Auszubildende der Bäckerei Kornprobst zum Beispiel, der 1971 seine Lehre begann, arbeitet noch heute als Bäcker bei seinem ehemaligen Lehrmeister. Derzeit kann Georg Kornprobst allerdings keine Auszubildenden aufnehmen. In der Backstube in Hilgertshausen gibt es keinen Platz. Kornprobst wundert sich, wie es das Team nachts um drei immer wieder schafft, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Es scheint am guten Zusammenspiel der acht Gesellen, einer Gehilfin und des Meisters zu liegen, dass bis frühmorgens um sechs Uhr die ersten Semmeln und Brote in die Lieferwagen gepackt werden können. Die Bäckerei Kornprobst verkauft ihr Brotsortiment in der Zentrale in Hilgertshausen und in den Filialen in Dachau, Reichertshausen, Schiltberg und Schwabhausen. lela

Früh aufstehen. Der Bäckermeister nimmt es mit Humor, mitten in der Nacht in den Backstube zu stehen. Hört man seinem Vater zu, hatte er auch keine Wahl. Die Betriebsübergabe war laut Senior kein Problem: "Das hat sich so ergeben müssen." Wenn man dem Sohn zusieht, wie er den Teig anrührt, knetet, den computergesteuerten Ofen einstellt und verfolgt, mit welcher Hingabe er sein Handwerk erklärt, sieht das authentisch aus. Georg Kornprobst führt mit Leidenschaft fort, was in seiner Familie zuvor der Ignaz, der Simon und der Georg aufgebaut haben. Der junge Bäckermeister wahrt die Tradition der Vorfahren: In Kornprobsts Backstube werden nur reine Zutaten verarbeitet. Künstliche Geschmacksverstärker oder andere Zusätze sind tabu. Und: Es wird experimentiert. Semmeln mit Chia-Samen probiert Kornprobst derzeit. Wenn das bei den Kunden gut ankommt, nimmt er die Sorte ins Programm auf. Kornprobst wurde bereits die höchste Würdigung verliehen, die ein Bäckerbetrieb erhalten kann: 2014 bekam er den Staatsehrenpreis für dauerhaft hohe Brotqualität. Kornprobst gehört zu den 20 besten Bäckern Bayerns.

Das tägliche Brot allerdings ist ein Knochenjob. Georg Kornprobst hat eine Sechseinhalb-Tage-Woche. Den größten Arbeitsstress hat er zwischen zwei und fünf Uhr in der Nacht. Zusammen mit acht angestellten Bäckern stemmt er die Produktion von 2500 Semmeln und 300 Broten. Wenn um fünf Uhr die erste Lieferung rausgeht, wird kurz die Backstube gereinigt und der Teig für den nächsten Tag vorbereitet. Nebenan backen drei Konditoren. Um halb sechs kommen die ersten Kunden, um die noch warmen Semmeln zu kaufen.

Der Betrieb hat mittlerweile 50 Angestellte, wenn man auch die Mitarbeiter des Supermarktes hinzuzählt. 1995 hatte die Familie direkt neben der Backstube einen Lebensmittelmarkt errichtet - zur Freude der Bürger in Hilgertshausen. Wer hier einkauft, kommt an den Kornprobsts nicht vorbei. Georg Kornprobst stellte seinen Bruder Martin, einen gelernten Einzelhandelskaufmann, als Marktleiter ein. Die Eltern helfen sowohl in der Bäckerei als auch im Supermarkt mit. Georg Kornprobst senior macht morgens Kassendienst. "Das trägt zur Kundenbindung bei", freut sich sein Sohn. Der Vater war 21 Jahre lang Obermeister der Bäckerinnung Dachau und ist heute Ehrenobermeister. Er kennt die Kundschaft.

Und dann ist da noch Georg Kornprobsts Frau Ingrid. Das Herz des Familienbetriebs. Auf die Frage, ob sie wusste, auf was sie sich einlässt, als sie ihren Mann heiratete, holt sie tief Luft und schaut in die Richtung ihres Mannes. "Du kannst schon sprechen", ermuntert er sie. "Ich hör auch weg." Er kennt ja die Antwort. Viel Zeit für das Familienleben bleibt nicht, wenn der Mann von frühmorgens bis mittags in der Backstube steht, danach Lieferscheine sortiert und Produktionspläne erstellt, sich kurz hinlegt, um danach den nächsten Tag zu planen und weitere Aufträge zu bearbeiten. Wenn die zwei Kinder, die elfjährige Johanna und der siebenjährige Maximilian, abends im Bett sind und Kornprobst kurz mit seiner Frau den Tag Revue passieren lässt, kann es sein, dass er auf der Couch einschläft, bevor sie über Privates gesprochen haben. Eine Stunde pro Tag nimmt sich der Bäckermeister Zeit für die Familie. Und den Samstagnachmittag. "Wir beschäftigen uns in der kurzen Zeit intensiver und gezielter miteinander", sagt er. Wenn die Familie einmal pro Jahr eine Woche in den Urlaub fährt, muss das gut geplant werden.

Das Rezept für den Erfolg des Betriebs ist, dass alle mitanpacken. Sicher liegt die Hauptlast und Verantwortung auf dem jungen Geschäftsführer und seiner Frau. Ingrid Kornprobst, ausgebildete Steuerfachwirtin, regelt die gesamte Buchhaltung und Lohnabrechnung, sie pflegt die Homepage und kümmert sich um die Vermarktung. Sehr geschäftstüchtig agiert bereits der siebenjährige Sohn Maxi. Frech fragt er den Zeitungsfotografen, ob er eines der Fotos haben kann. Das will er auf den Lieferwagen kleben, zu Werbezwecken. Es sieht so aus, als stehe der fünfte Bäcker in der Familientradition schon bereit. Der Siebenjährige will den Betrieb des Vaters übernehmen. Als der Ofen klingelt, rennt er zur Tür und öffnet diese wie selbstverständlich. Der Opa kommt und hilft ihm. So ist das eben in einem Familienbetrieb.

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