Wir öffnen Türen:Ein Ort für spezielle Vorlieben

Caroline und Christian Weber verkaufen in ihrem Erotikladen in Gilching Spielzeug, Filme und Dessous. Sie sind für ihre Kunden Berater und Kummerkasten gleichermaßen

Von Carolin Fries, Gilching

Am Wochenende haben sie hier Christians Geburtstag gefeiert. Kuchen stand auf dem kleinen Tisch im Erotikshop "Happy Moments" in Gilching, Eltern und Schwiegereltern waren da, "die kennen da nichts", sagt Caroline Weber. Soll heißen: Meterweise Vibratoren im Regal stören die Familienfeier ebenso wenig wie das Sex-Spielzeug in Griffweite oder die Kundschaft, die zwischendurch mal reinkommt, sich umschaut, den Laden womöglich mit einer schwarzen Tüte in der Hand wieder verlässt. "Für uns ist das ganz normal", sagt Caroline Weber, die das Geschäft zusammen mit ihrem Mann seit zehn Jahren betreibt.

Erotikshop Happy Moments

Caroline Weber an der Eingangstür zu ihren "Happy Moments".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Mag das Artikelangebot auf den knapp 100 Quadratmetern auf den ersten Blick auch verstören, einfach, weil überall nackte Menschen oder Teile davon auf den Verpackungen zu sehen sind: Die beiden wirken wirklich ganz normal. Der 43-Jährige trägt ein lila Hemd zur Baumwollhose und spricht mit gedämpfter Stimme und kaufmännischem Sachverstand vom Repertoire. "Mäuschen", wie er seine 33 Jahre alte Frau liebevoll nennt, hat die langen Haare im Nacken zusammengebunden, ist leger gekleidet und dezent geschminkt. "So aufgepusht im Laden, das bin nicht ich", sagt sie.

Erotikshop Happy Moments

Hier gibt es einiges zur Auswahl, darunter auch Handtaschen im Dessous-Format.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Paar lebt in Starnberg. Dort haben sie vor vielen Jahren eine Bäckerei in Franchise betrieben, waren es aber nach neun Monaten satt, jeden Abend Lebensmittel wegzuschmeißen. "Wir haben eine Marktnische gesucht", sagt Caroline Weber. Zooladen und Erotikshop standen zur Auswahl. Mit ihren zwei kleinen Hunden eröffneten sie schließlich "Happy Moments" in einer kleinen Ladezeile abseits vom Ortskern zwischen einem Friseur und einem italienischen Restaurant. Wer im Sommer nicht an der Terrasse des Lokals vorbei will, nimmt den Hintereingang. "Mundpropaganda gibt es nicht", sagt Caroline Weber. Und auch keine Laufkundschaft. Kurzum: "Die Branche ist nicht einfach."

Erotikshop Happy Moments

Auch erotische Adventskalender sind im Sortiment vertreten.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Die Schaufenster sind mit Folien abgeklebt, das verlangt der Jugendschutz. Den Kunden bietet man damit obendrein ein wenig Diskretion. Die Räume selbst aber, das war den Webers wichtig, sollten hell und gemütlich sein. Die Spot-Strahler an der Decke haben sie selbst installiert. Der Raum ist thematisch aufgeteilt: Neben dem Drogeriebereich gleich gegenüber der Kasse gibt es Dessous, Kleidung aus Lack,Leder und Latex, Netz- und Nylon-Fashion, einen kleinen Film-Bereich und die Ecke für Sexspielzeug. Wer die Eingangstür öffnet, steht im Fun-Bereich allerdings erst einmal Nudeln in Penis-Form oder essbarer Unterwäsche gegenüber. "Lachen bricht das Eis", sagt Caroline Weber. Auch Ohrenwärmer im Busenformat hängen hier, drei Exemplare wurden in den vergangenen Jahren schon verkauft, erzählt sie.

Die Webers betreiben auf ihrer Website auch einen Onlinehandel, doch das rentiert sich kaum, wie Christian Weber sagt. Zu groß sei die Konkurrenz. "Wir machen unser Geld im Geschäft", sagt er. Wenngleich es nicht viel sei, wie er betont. "Es sind nicht die Gewinne, sondern mehr das Herz, weshalb wir dabeibleiben." Sie schätzen es, ihre Kunden beraten zu können. Erstkunden ebenso wie das angestammte Publikum. Pärchen, Frauen, Freundinnen und Männer jeden Alters kämen vorbei, sagen die Webers. Mal werde ein Geburtstagsgeschenk gesucht, mal solle eine Ehe gerettet werden, mal fehle einer Beziehung frischer Wind. "Wir sind auch ein Stück weit Kummerkasten", sagt Weber, der inzwischen genau weiß, wie viel Intimität eine professionelle Beziehung zum Kunden verträgt. Früher haben sie Bestellungen noch ausgefahren, verbotene Wünsche erfüllt. Damit haben sie inzwischen aufgehört, der Umweg über die Seniorenresidenzen sei zu weit gewesen. Die Kundschaft kommt nach Gilching. Aus Fürstenfeldbruck und Herrsching ebenso wie aus dem Tölzer Landkreis oder aus München. "Wir spüren, wenn jemand Hilfe braucht", sagt Caroline Weber. "Nerven dürfen wir nicht", weiß die gelernte Einzelhandelskauffrau. Die beiden wissen, worauf es ankommt und können die unmöglichsten Dinge mithilfe von Fachbegriffen so sachlich benennen, dass es gar nicht schmuddelig klingt. Was sie besonders begeistert: der technische Fortschritt. So gibt es Geräte, die sich per Handy-App fernsteuern lassen, "ideal für eine Fernbeziehung", wie Caroline Weber sagt. Oder To-Go-Apparate im Handtaschenformat. Auch die Gestaltung mache inzwischen mehr her, Spielzeug sei mit Kristallen verziert, in verschiedenen Farben und Materialien vorrätig.

Trotz aller Begeisterung der Stammkunden: Die Webers wissen auch, wie schwierig es im katholischen Bayern sein kann, Erotik-Artikel zu verkaufen. "Man muss damit klarkommen, abgestempelt zu werden", sagt Caroline Weber. "Man muss sich anpassen, darf sich aber nicht verbiegen", sagt sie. Deshalb klettere ein beleuchteter Weihnachtsmann die Fassade hinauf. "Das passt eigentlich nicht zu einem Sex-Shop", sagt sie. Aber die Leute stünden drauf. Und die speziellen Vorlieben der Menschen - das ist nun mal das Geschäft der Webers.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: