Wildtiere:Wenn sich die Füchse nicht mehr vertreiben lassen

Füchse in der Stadt

Immer mehr Füchse leben in der Stadt und lassen sich auch nicht mehr vertreiben.

(Foto: dpa)

Die Wildtiere sind längst in den Städten angekommen. Der Mensch muss sich damit arrangieren. Bei manchen löst das allerdings Angst und Ärger aus.

Von Carolin Fries, Starnberg

Die Familie sitzt auf der Terrasse bei Kaffee und Kuchen, nur wenige Zentimeter entfernt schläft unter den Steinplatten der Fuchs. Und wenn er sich dort nicht heimlich einquartiert hat, dann eben unterm Gartenhaus oder bei der Garage. "Er ist nicht im Kommen, er ist längst da", sagt der Wildbiologe Christof Janko über den Fuchs. Und: "Wir kriegen die Städte auch nicht mehr fuchsfrei." Zwischen 3000 und 5000 Tiere lebten bereits in München, im Landkreis Starnberg schätzt er die Zahl im Mittelwert auf etwa 1500.

Zehn Jahre lang hat sich Janko, der inzwischen am Landesamt für Landwirtschaft arbeitet, an der Technischen Universität München intensiv mit den Tieren auseinandergesetzt. Er hat im Landkreis Starnberg den Befall mit dem Fuchsbandwurm und dessen Eindämmung untersucht, sich vor allem aber der Konflikte in der Beziehung Mensch-Fuchs gewidmet.

"Der Fuchs hat ein sehr gutes Image", sagt er, "die meisten Menschen sehen ihn gern". Jedenfalls solange, bis er die Hasen aus dem Stall im Garten holt oder das Grab des geliebten Onkels auf dem Friedhof zerstört. Spätestens dann ist Schluss mit Zuneigung. Meist reicht es schon, wenn er wie Nachbars Katze durch den heimischen Garten streift.

Das kann Sina Sperl von der Unteren Naturschutzbehörde bestätigen. Nahezu jeden zweiten Tag klingelt bei ihr das Telefon: Jemand hat einen Fuchs gesehen. Es ist dann oft nicht klar, was der Anrufer will. Sperl ist im Jagdwesen tätig, sie beschäftigt sich vorrangig mit Abschusslisten von Rot- und Schwarzwild. Der Fuchs sagt sie, ist nach dem Jagdrecht herrenlos, er gehöre niemandem. "Die Anrufer wollen meistens, dass jemand kommt." Oft werde betont, wie sehr man das Tier schätze, doch jetzt müsse er weg.

Das ist unmöglich. Der Fuchs gehört in den Siedlungsgebieten längst dazu, wie auch der Igel. Er hat sich dem Stadtleben angepasst, ob es dem Menschen gefällt oder nicht. Natürliche Feinde hat er hier schon lange nicht mehr, das Auto gilt ihm als größte Gefahr. Unmotorisiert ist ihm der Mensch in der Stadt ziemlich egal. Anders als im Wald hat er hier immer Schonzeit.

In sogenannten befriedeten Gebieten wie Wohnsiedlungen, Grünanlagen, Friedhöfen und Gärten ist die Jagd mit Schusswaffen verboten, es bleibt allein die Fallenjagd. Die kann man beim Landratsamt beantragen, bloß: In den Fallen landen regelmäßig Katzen, der Fuchs ist meist zu schlau. Die Experten raten deshalb: Mensch und Tier müssen lernen, neben- und miteinander zu leben. Im Starnberger Landratsamt arbeitet man derzeit an einem Informationsblatt über das Zusammenleben mit dem Fuchs. Motto: Aufklärung statt Ablehnung.

Die Stimmung schwankt zwischen Bewunderung einerseits und Beklemmung beziehungsweise Ärgernis andererseits. Während es Menschen gibt, die einen Fuchs regelmäßig füttern oder sich amüsieren, dass er aus einem Spieltrieb heraus ihre Schuhe verschleppt wie das vor einigen Jahren regelmäßig im Landkreis der Fall war, haben andere einfach nur Angst.

Freilich muss niemand eine Fuchsfamilie unter der Terrasse beherbergen. Das heißt - doch: Während der Aufzucht der Jungen darf man diese nicht stören. Ansonsten kann man versuchen, ihn mit Duftzäunen, Spritzanlagen oder "textreichen Radiosendungen in maßvoller Lautstärke" zu vertreiben, wie das Landratsamt auf dem Infoblatt empfiehlt. Am effektivsten ist es freilich, die Nahrungsquellen wie Komposthaufen, Katzen- und Hundefutter sowie gelben Säcke mit leeren Plastikbechern und Dosen nicht nachts offen stehen zu lassen. Der Fuchs ist ein Allesfresser, drei bis vier Komposthaufen jede Nacht mit ein paar Küchenabfällen und er ist glücklich, weiß Janko. Im Wald müsse er lange suchen, um derart satt zu werden.

Was ist mit Tollwut und Fuchsbandwurm?

"Der Fuchs im Wald ist ein armer Hund", sagt der ehrenamtliche Kreis-Jagdberater Ludwig Fesenmeier. Er suche sich deshalb städtische Behausungen. Sina Sperl berichtet von Fuchsbauten am Starnberger Bahnhof, am Seeufer, im Gewerbegebiet und vor der eigenen Tür beim Landratsamt. Vor allem aus Söcking kommen außerdem viele Meldungen von Fuchssichtungen; im Kraillinger Gemeinderat wurden zuletzt verwüstete Gräber auf dem Parkfriedhof gemeldet.

Doch nicht nur damit bringt sich der Fuchs als Nachbar in Erinnerung. Was ist mit Tollwut und Fuchsbandwurm? Die Tollwut gilt als erloschen, der letzte bestätigte Fall trat in Deutschland 2006 auf. Der Fuchsbandwurm indes ist ein Thema, die Befallsquoten bei Füchsen werden auf 50 Prozent oder höher geschätzt. Doch lediglich 25 bis 30 Menschen infizieren sich damit jedes Jahr in Deutschland, das Risiko ist also gering angesichts mehrerer tausend Grippetoter im Jahr.

Der beste Schutz vor dem Fuchsbandwurm ist es, Hunde und Katzen regelmäßig zu entwurmen sowie sämtliche Nahrungsmittel aus dem Wald abzukochen. Von Entwurmungsprojekten der Füchse, wie sie auch im Landkreis Starnberg jahrelang forciert wurden, ist man inzwischen abgerückt. "Das ist auf Dauer eine Preisfrage", sagt Janko. Ob man sich auch infizieren kann, wenn man einen Fuchs streichelt? Da muss Janko schmunzeln. Soweit sei es noch nicht. "Kein Fuchs lässt sich streicheln."

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