Weßling:Hilfe zur Selbsthilfe

Weßling, Susanne Flesche

Sie kennt die Museumslandschaft in all ihren Höhen und Tiefen: Susanne Flesche aus Weßling.

(Foto: Georgine Treybal)

Susanne Flesche hat lange als Kuratorin in Museen gearbeitet und erkannt, wie schwierig es für kleinere Häuser geworden ist, eigene Ausstellungen zu organisieren. Ihre Plattform soll das ändern

Von Ute Pröttel, Weßling

Die Museumslandschaft in Deutschland und auch über die deutschen Grenzen hinaus ist extrem vielfältig. Doch regionale Museen sind viel zu wenig miteinander vernetzt. Susanne Flesche aus Weßling hat eine Plattform für Wanderausstellungen gegründet, die Kuratoren regionaler Museen miteinander in Kontakt bringen soll. "Eine Ausstellung muss berühren", da ist Susanne Flesche sehr schnell mit der Antwort. Das kann im Guten wie im Schlechten sein. "Ich habe meine Hausaufgaben als Kuratorin nicht gemacht, wenn die Besucher einer Ausstellung keinen Mehrwert mitnehmen," sagt die ehemalige Direktorin des Kunsthauses Kaufbeuren. Egal, ob die Leute betroffen, nachdenklich oder im Optimalfall beseelt ein Museum verlassen, als Kuratorin wünscht sie sich, einen Aha-Effekt auszulösen.

Gerne schlägt sie in ihren Ausstellungen Spannungsbögen über die Epochen hinweg. Wie etwa in "Minimal!". Darin werden Quilts der amerikanischen Religionsgemeinschaft der Amish, die über die Wende des 19. Jahrhunderts entstanden sind Kunstwerken der 1960er Jahre gegenübergestellt. Die Quilts unterliegen einer streng geometrischen Komposition und brachten mit ihren klaren Farben ein wenig Abwechslung in den von Schlichtheit und Ordnung geprägten Alltag der Amish. Sie nehmen auf verblüffende Art und Weise die Konkrete Kunst und die Op Art vorweg. Die Quilts stammen aus einer privaten Sammlung, die Kunstwerke aus Museen in Ingolstadt und Waldenbuch. Sozusagen Museen der zweiten Reihe, die oft wahre Schätze in ihren Archiven haben, aber immer weniger Geld, um ambitionierte Ausstellungen zu organisieren. Acht Jahre lang leitete Susanne Flesche ein solches regionales Museum, das Kunsthaus Kaufbeuren. Vor zwei Jahren gab sie ihren Job als Direktorin auf, um eine Plattform für Wanderausstellungen zu gründen. "Als Museumsdirektorin habe ich immer wieder auf Wanderausstellungen zurückgegriffen. So hatte ich Zeit, mich auf meine eigenen Ausstellungskonzepte zu konzentrieren." Bei der Suche nach passenden Wanderausstellungen ist ihr jedoch aufgefallen, dass es eine solche Plattform bisher nicht gab.

Ein Jahr lang entwickelte sie von Weßling aus ihre Geschäftsidee. Sie sprach mit Sammlern, Künstlern und Museumsdirektoren, baute zusammen mit einer Grafikerin eine Website auf und entschloss sich nach langen Überlegungen, ihrem Projekt den englischen Namen Institute for Exhibition Partnership (IEP) zu geben. Das ART in Partnership hebt sie dabei besonders hervor. "Der englische Namen ist den neuen Medien geschuldet," erklärt sie. Denn ihr Institut ist ein digitales. Ein "Pool" wie sie sagt, der hochkarätige Ausstellungen verschiedenster Couleur versammelt und aus dem sich Ausstellungsmacher bedienen können. Damit sollen sie Zeit für neue Projekte gewinnen und umgekehrt eine Möglichkeit finden, die eigenen Ausstellungen einem breiteren Interessentenkreis anzubieten, um damit wieder Einnahmen zu generieren. "Viele Etats werden immer mehr zusammengestrichen", weiß sie aus eigener Erfahrung. In der Konsequenz würden weniger Ausstellungen gezeigt werden - wogegen sie mit ihrer Plattform angehen will.

Bevor Susanne Flesche an das Kunsthaus Kaufbeuren wechselte, war sie sechs Jahre lang als Kuratorin bei der Villa Stuck in München angestellt. Gleich nach dem Studium der Kunstgeschichte in Regensburg verpflichtete das Folkwang Museum in Essen sie und gab ihr die Möglichkeit, aus ihrer Magisterarbeit heraus eine Ausstellung über Fotografinnen in der Weimarer Republik mit zu organisieren. Die damalige stellvertretende Direktorin des Folkwang Museums, Ute Eskildsen, empfiehlt sie weiter ans renommierte Getty Museum in Kalifornien, wo Flesche eine Ausstellung zu dem deutschen Fotografen August Sander (1876 bis 1964) betreut, der sich mit seinem Fotoprojekt "Menschen des 20. Jahrhunderts" verewigte. An das Kunsthaus Kaufbeuren wechselt die Weßlingerin, nachdem sie kurz hintereinander zwei Kinder bekommen hatte.

Jetzt wagt sie mit Mitte Fünfzig noch einmal einen Schritt in eine neue Richtung. "Als Direktorin eines kleinen Museums war ich mit vielfältigen Aufgaben beschäftigt. Verwaltung, Personal, Umbau, da blieb immer weniger Zeit für das Ausstellung machen, meine eigentliche Kompetenz", sagt Flesche. Nun kann sie sich wieder dem widmen, was ihr am liebsten ist: Ausstellungen kuratieren. Drei neue Konzepte treibt sie gerade voran. Nur so viel sei verraten: Auch hier arbeitet sie epochenübergreifend daran, Berührungspunkte verschiedener Stilrichtungen aufzuzeigen.

Auf ihrer Website finden sich mittlerweile acht Ausstellungen. Eine davon zeigt Papierskulpturen von mehr als hundert Künstlern, darunter große Namen wie Damien Hirst, Andreas Gursky, Claes Oldenburg oder Daniel Spoerri. Sie stammt von einem privaten Sammler aus Paris und trägt den Titel "From Page to Space".

Ansprechen will Susanne Flesche kleine und mittlere Museen weltweit. Sie ist in Kontakt mit der Landesstelle nichtstaatlicher Museen in Bayern und plant ihre nächste Reise nach Altenburg, Dresden, Halle, Apolda und Cottbus. Oft wüssten die Direktoren gar nicht, was der Kollege hundert Kilometer weiter plant, stellt sie fest. Aber alle kämpfen mit denselben Schwierigkeiten.

Weitere Infos unter www.iep-exhibitions.com.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: