Weßling:Die Burgl aus Beton

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Die Weßlinger Weihnachtsausstellung zeigt Kunst ohne Hierarchien

Von Patrizia Steipe, Weßling

Es ist eine liebe Tradition in Weßling, an den Weihnachtsfeiertagen durch die winterliche Landschaft zur Weihnachtsausstellung zu stapfen und dort die Bilder, Skulpturen und Fotografien der Hobby- und Profikünstler aus dem Ort zu bewundern. In diesem Jahr strömten die Besucher allerdings durch frühlingshafte Straßen zum Pfarrstadl. Auf weihnachtliche Stimmung mussten sie trotzdem nicht verzichten. Einige der 46 Künstler hatten winterliche Bilder mitgebracht.

Zum Beispiel Rosemarie Schweikhardt. Auf ihren nostalgisch anmutenden Bildern ziehen bunte Menschen ihre Runden auf dem zugefrorenen Weßlinger See. Bei Anne Eichberger stehen Rinder im Schnee und blicken unverwandt aus der Leinwand. Sanne Blessing hat eine Fotocollage aufgehängt, mit stimmungsvollen Winteransichten vom Weßlinger See.

Seit 56 Jahren gebe es die Weihnachtsausstellung bereits, berichtete Organisatorin Constanze von Rebay bei der Eröffnung. Ihr Vater hatte sie damals ins Leben gerufen, um den vielen kreativen Künstlern der Gemeinde ein Forum zu geben. Constanze von Rebay erinnerte sich in diesem Zusammenhang an einen kleinen verhutzelten Weßlinger, den die Kinder respektlos "Zwerg" genannt hatten. Bei der Weihnachtsausstellung hatte er eine 2,5 Meter lange Postkutsche aus Holz beigesteuert. Die Kinder seien über das künstlerische Potenzial dieses unterschätzen Mannes völlig überrascht gewesen.

Bei der Weihnachtsausstellung gibt es keine Hierarchien. Die Gemälde arrivierter Künstler hängen neben bunten Erstlingswerken. "Dabei ist jeder unglaublich wohlwollend und es herrscht ein schöner Gemeinschaftssinn", sagte Rebay. Neben den jahrzehntelangen "Stammausstellern" gibt es jedes Jahr Neuentdeckungen. Zum Beispiel Stefan Negele. Rebay hatte bei einem Spaziergang durch den Ort die vielen bunten Gestalten entdeckt, die auf Bretter gemalt und an einen Zaun angebracht worden waren. Die frechen, lebensfrohen Figuren hat Negele nun im Pfarrstadl aufgestellt. Seit drei Jahren wohnt die Kolumbianerin Patricia Ammann in Weßling. Ihre Tuschezeichnungen entstehen in S-Bahnen, Bussen oder im Flugzeug. "Animal scriba" nennt sie die Technik. Die filigranen detailreichen Zeichnungen erinnern an Mandalas oder an grafische Übungen. Schleifen mäandern über das Blatt, mal entspringen aus ihnen menschliche Figuren, Tiere oder einfach nur Ornamente. Die Motive passen sich dem Reiseziel an. Asiatische Muster zeichnete Ammann bei ihrer Indonesienreise, in Südamerika entsprangen Dschungellandschaften dem Stift, nur in Dubai verzichtete Ammann aus religiöser Rücksichtsnahme auf Figürliches.

"Gegen das Vergessen" hat Gottfried Weber seine Motivwahl genannt. Man sieht die umgestürzte "breite Eiche", die der benachbarten Straße ihren Namen gegeben hat oder die einstige Werkstatt der Zimmerei Dellinger in der Schulstraße, aber auch die hohe verwunschene Hecke, hinter der der im vergangenen Jahr verstorbene Roland von Rebay gelebt hatte. Das Thema "Flüchtlinge" hatte Ute Kirchhof aufgegriffen. Ihr Markenzeichen sind digitale Foto-Abstraktionen. Aus Basisfotos kreiert sie auf dem Computer eigenständige digitale Kunstwerke. Bei der Serie "paradise needs freedom" sah man eine Frau, die durch die an Gefängnisgitter erinnernden Stäbe einer Burka blickte.

Neben den Malern hatten auch Bildhauer ihre Werke ausgestellt. "Sachenmacher" Stefan Pfeiffer hatte seine "gnogelte Kistn" auf gebrannten und mit Pigmenten und Lack eingefärbten Fichtenbrettern dabei. Lothar Bauer hat aus Schwemmholz und Steinen reizvolle Objekte gestaltet, denen er Namen wie "Maureen", "Vera", "Maxi" oder "Dylan" gegeben hatte. Im Kontrast dazu stand die Burgl, eine in Kittelschürze gewandete Frauenfigur aus Beton von Claudia Meisinger, die am Eingang die Besucher des Pfarrstadls begrüßte.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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