Musikalische Lesung:Der stille Held

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Zieht das Publikum in seinen Bann: das E.T.A. Hoffmann-Trio (v. li.) mit Werner Grobholz, Susanne Jutz-Miltschitzky und Christoph Probst. (Foto: Nila Thiel)

Dem E.T.A. Hoffmann-Trio gelingt gemeinsam mit Sprecher Peter Weiß in einer musikalischen Lesung ein bisher vernachlässigter Zugang zur Widerstandsgruppe Weiße Rose und zu Christoph Probst

Von Reinhard Palmer, Weßling

Die Weiße Rose. Was hat man nicht schon alles über die Widerstandsgruppe gegen das Naziregime gehört, gesehen oder gelesen? Und doch fand der nahezu ausverkaufte Abend im Weßlinger Pfarrstadl, zu dem der Verein Unser Dorf einlud, einen ungewohnten, bisher vernachlässigten Zugang zu der Thematik. Dazu genügte die Fokusverschiebung von den Geschwistern Scholl auf Christoph Probst, der zusammen mit Alexander Schmorell und dem Universitätsprofessor Kurt Huber den Kern der Widerstandsgruppe bildete - so sinngemäß die Darstellung von Christoph Probst, dem gleichnamigen Enkel des feinsinnigen Kämpfers, der hier als Mitglied des E.T.A. Hoffmann-Trios zudem am Cello zu hören war.

Seine Großtante, Schmorells große Liebe Angelika Probst, habe sehr darum gekämpft, das große Leid, das offenbar der ganzen Familie Probst widerfahren ist, gleich nach dem Krieg ins rechte Licht zu rücken sowie die Bedeutung ihres Bruders für die Weiße Rose zu dokumentieren. Die historische Rezeption neigt aber dazu, stille Helden in den Hintergrund zu rücken. Und ein Schöngeist sowie liebender Familienvater mit drei Kindern, wie Probst, passt eben nicht in unsere Hollywood geprägte heroische Vorstellung von Helden. Doch Widerstand ist zunächst eine intellektuelle Leistung, gegen den Strom zu schwimmen, das Falsche und Schlechte zu erkennen, dem auch eine Vision entgegen zu setzen.

Die Wende in der Würdigung bleibt noch aus, doch die Veröffentlichung von mehr als 300 Dokumenten zu Schmorell und Probst (Lucas-Verlag 2011), meist Briefe, bringt allmählich nachdenkliche Fassetten ins Gedenken an die Weiße Rose. Er sei "voller Liebe, gedanklicher Klarheit und hoher Bildung" gewesen, konstatierte Probsts Enkel über seinen Vorfahr. Eine Charakterisierung, die in den hier gelesenen Briefen gänzlich seine Bestätigung fand. Schauspieler und Rundfunksprecher Peter Weiß fühlte sich hervorragend in die private Korrespondenz des Medizinstudenten ein und wählte einen entsprechend liebevoll intimen Ton. Obgleich Probst in seiner positivistischen Weltsicht - "vertraue immer auf die Hilfe des Himmels" - gerne ins Philosophieren geriet, gelang es Weiß, alles Dozierende aus seinem Vortrag herauszuhalten. Was Probst an seinen Halbbruder Dieter Sasse schrieb, offenbarte aber auch eine tiefgründig humanistische und christliche Haltung Probsts, die er in feinsinnig changierenden Stimmungen seiner gewählten Sprache mit überzeugenden Gedanken füllte. Von Hoffnung war darin die Rede, Mut machen war der Grundtenor, Gottvertrauen das Allheilmittel - "... da muss man Stark bleiben und auf das weitere Schicksal vertrauen", schrieb der gerademal 22 Jahre alte und tat, was er für richtig hielt.

Die dazwischen interpretierten Sätze des a-Moll-Trios op. 4 vom in Theresienstadt 1943 ermordeten böhmisch-jüdischen Komponisten Siegfried Fall waren hier zweifelsohne die richtige Wahl, führten sie doch mit ihrer Berg- und Talfahrt im Ausdruck sowie immer wieder sehnsuchtsvoll-romantischen Melodik Probsts Gemütsverfassung treffend vor Ohren. Das E.T.A. Hoffmann-Trio mit Werner Grobholz (Violine), Susanne Jutz-Miltschitzky (Klavier) und Probst (Violoncello) ging auf die plastische Durchbildung des Ensemblesatzes einfühlsam ein. Mit Albert Beckers Adagio religioso op. 94/7 kam dann die Wende zum schmerzhaften Ausgang mit Probsts Briefen an seine Mutter kurz nach der Verhaftung, dann unmittelbar vor der Hinrichtung. "Sag ihnen, dass mein Sterben leicht und freudig war", las Weiß ohne heldenhafte Theatralik in der Stimme. Ein würdiger Abschied eines Siegers. Viel Applaus, ein erhellender Abend.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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