Weniger Rauch, mehr Rausch:Jugendliche betrinken sich hemmungslos

Saufen bis zum Koma bleibt unter Jugendlichen ein beliebter Sport. Die Suchtberatung Condrobs zieht eine alarmierende Bilanz für den Landkreis.

Christiane Bracht

Komatrinken ist bei Jugendlichen offenbar immer noch in. Zwar hört man kaum noch von Flatrateparties, aber Krankenhaus-Statistiken zeigen, dass der Trend ungebrochen ist. So wurden im Jahr 2000 lediglich acht Burschen aus dem Fünfseenland im Alter von zwölf bis 19 Jahren mit einem Vollrausch ins Krankenhaus eingeliefert. Neun Jahre später waren es bereits 66 Jugendliche, davon 24 Mädchen. Vor allem letzteres macht den Suchtberatern und Krankenkassen große Sorgen. Denn die Zahl der bis zur Besinnungslosigkeit betrunkenen Mädchen steige noch immer stark, sagt der Sprecher der Techniker Krankenkasse Stephan Meier. Für 2010 gibt es zwar noch keine Gesamtstatistik, aber die Zahlen der Ersatzkassen, bei denen jeder Dritte versichert ist, liegen bereits vor: Danach tranken sich vergangenes Jahr 21 Buben und 18 Mädchen im Landkreis Starnberg ins Koma. "Das ist eine leichte Zunahme zum Jahr 2009", sagt Mayer. "Wir hoffen, dass der Scheitel der Welle bald erreicht ist." Die Starnberger Suchtberatungseinrichtung Condrobs, aber auch die Krankenkassen selbst haben inzwischen umfangreiche Präventionsprogramme erarbeitet. "Wir versuchen die Jugendlichen zu erreichen, wo wir können", sagt der Sozialpädagoge Wolfram Skasa-Weiß von Condrobs. Er und seine Kollegen gehen in die Schulen, fragen, was die Jugendlichen beschäftigt und diskutieren mit ihnen, was Genuss ist, wann Sucht beginnt, stellen sich vor und bieten ihnen an, dass sie jeder Zeit vorbei kommen können. Auch an die Eltern treten die Condrobs-Mitarbeiter laut Skasa-Weiß regelmäßig heran, fordern Sie auf, Grenzen zu setzen und besprechen mit ihnen, wie sie und ihre Kinder mit Gefühlen umgehen können. Denn wer dies gelernt habe, habe Waffen gegen die Sucht, sagt Skasa-Weiß. Auch mit Ständen bei größeren Veranstaltungen und Aktionen wie die Präventionswochen gegen Alkohol machen die Suchtberater immer wieder auf sich und das Thema aufmerksam. Auffällig ist zudem, dass trotz Jugendschutzes, unter 16-Jährige von älteren Alkohol bekommen. Deshalb habe Condrobs erst vor kurzem Aufklärungsarbeit bei Gastronomen gemacht und ihnen vor Augen geführt, wie wichtig Jugendschutz ist und welche Auswirkungen es haben kann. Zwar sei das Alkoholproblem bei Münchner Jugendlichen bedeutend schlimmer als im Landkreis, aber auch hier gebe es Stadlfeste, sagt der Condrobs-Leiter Stefan Wenger. Vergleicht man das Fünfseenland mit anderen Landkreisen, fällt auf: "Starnberg ist vorne mit dabei", so Mayer. Hier hätten die Jugendlichen Räume und Geld, um Parties zu feiern und sich genügend Alkohol zu besorgen, weiß Skasa-Weiß. "Und das wird genutzt."

Weniger Rauch, mehr Rausch: Sein Glaube verbiete ihm jeglichen Umgang mit Alkohol, sagte ein als Ladenhilfe in einem Supermarkt angestellter Moslem - und verlor prompt seinen Job. Dagegen hat er geklagt.

Sein Glaube verbiete ihm jeglichen Umgang mit Alkohol, sagte ein als Ladenhilfe in einem Supermarkt angestellter Moslem - und verlor prompt seinen Job. Dagegen hat er geklagt.

(Foto: AP)

Beim Rauchen hätten sich die 15 bis 20 Jahre Präventionsarbeit ausgezahlt, sagt Mayer. "Wir haben derzeit so wenig jugendliche Raucher wie nie zuvor." Für das Alkoholproblem brauche man vermutlich ebenfalls langen Atem.

Lediglich 15 Prozent der insgesamt 536 Hilfesuchenden, die Condrobs im vergangenen Jahr beraten hat, sind unter 22 Jahre alt. Die meisten waren 35 bis 49 Jahre alt. Um so früh wie möglich helfen zu können, gehen die Berater jetzt sogar in die Krankenhäuser. Außerdem hat man engen Kontakt zu Fachärzten.

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