Vorgeblättert:Das Buch bleibt

Das papierne Produkt ist ein so genügsamer wie anspruchsvoller Begleiteter. Es ist ohne Anforderungen ans Dateienformat zu lesen und wird sich gegen das E-Book behaupten

Von Andrea Molliné-Greiner

Wird es in zwanzig Jahren noch Bücher geben? Oder nur noch E-Books? Und was ist mit den Buchhandlungen? Sind sie Auslaufmodelle in Zeiten der digitalen Omnipräsenz? Mit Fragen wie diesen befasst sich die Serie "Vorgeblättert": Die SZ bat Buchhändler aus dem Fünfseenland um ihre Prognose und außerdem um einen ganz altmodischen Buchtipp. Die Autorin dieses Textes, Andrea Molliné-Greiner, leitet zusammen mit ihrem Ehemann die Buchhandlung Greiner in Starnberg.

Seit fast dreißig Jahren betreiben mein Mann und ich die Buchhandlung Greiner in Starnberg. In dieser Zeit haben wir das entstehende Internet miterlebt und die Veränderungen auf dem Buchmarkt, das Hörbuch, das E-Book. Wir haben Generationen von Lesern beraten, haben mit ihnen das Lesen erlebt und Leseerlebnisse geteilt.

Die Erfahrungen, die wir in diesen Jahren machen durften, fließen in die Gedanken ein, die ich mir zum Buch mache, zu dem Gegenstand, den wir seit langer Zeit mit unseren Kunden teilen.

Buchhandlung Greiner

Generationen von Lesern beraten: Andrea Molliné Greiner (Mitte) in ihrer Buchhandlung.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Buch lebt. Und es ist im besten Alter. Die Schreibmaschine konnte nicht die Handschrift verdrängen, das gedruckte Buch wird sich gegen das E-Book behaupten. Die Gutenberg-Bibel ist auch nach einem halben Jahrtausend noch lesbar. Die ersten Computerdateien sind nach nicht einmal einem halben Jahrhundert nur noch von Spezialisten zu entschlüsseln.

Das Buch ist ein genügsamer Begleiter. Es lässt sich ohne Anforderungen an Dateiformat, Stromversorgung und Endgerät einfach und überall lesen. Gerade weil es so genügsam ist, wird es immer Leser finden. Sicher auch die, die nach dem übernächsten Reader-Update feststellen, dass die alten E-Books nicht im passenden Format sind, um gelesen werden zu können.

Das Buch ist ein durchaus anspruchsvoller Begleiter. Es erschließt sich nur dem, der die jahrtausendealte Kulturtechnik des Lesens beherrscht. Doch der Mensch will gefordert sein.

Das Buch ist eine Schönheit. Der jüngst erschienene Prachtband "Starnberger See" beispielsweise findet in kürzester Zeit eine Vielzahl von Käufern, die sich am Inhalt mindestens ebenso erfreuen wie an der aufwendigen Gestaltung.

Das Buch verbindet. Es bringt ins Gespräch, es regt zum Austausch, zu höchstem Lob und zu ätzender Kritik an. Welches Vergnügen ist es, in der S-Bahn die Bucheinbände der Lesenden zu studieren und ein gemeinsames Interesse zu entdecken! Unsere Buchhandlung im Herzen von Starnberg ist ein beliebter Treffpunkt, man trifft auf gleichgesinnte Leser, man trifft auf uns und tauscht sich aus über Gelesenes und zu Lesendes.

Buchtipp

Das jüngste der Starnberg-Bücher rückt die Kulturgeschichte rund um den See ins Zentrum. Prachtvoll ausgestattet, vorzüglich geschrieben, sehr interessant sicherlich auch für alle Anwohner des Starnberger Sees. Wolfgang Till (Text) und Gerhard Trumler (Fotos): Starnberger See, Brandstätter Verlag, 224 Seiten, 49,90 Euro.

Das Buch bleibt. Und wartet. Und lässt sich entdecken. Wir führen in der Buchhandlung Greiner nicht nur die aktuellen Romane und Sachbücher, wir finden und bieten erlesene antiquarische Perlen an, die auch einhundert Jahre nach ihrem Erscheinen Käufer finden.

Ein Buch ist ein Gefühl. Gerade im Kinder- und Jugendbuchbereich ist das Lesen und Vorlesen eine gemeinsame Erfahrung, eine Zeit, die man mit den Eltern als Ritual verbringt. Aus der Erfahrung wird eine Erinnerung, eine Erinnerung an ein Gefühl. Dieses Gefühl verbindet man mit dem Buch, nicht mit dem E-Book-Reader. Dieses Gefühl kann man sich wieder hervorrufen, wenn man viele Jahre später in einem Buch versinkt. Wenn ich mir die vielen Kinder anschaue, die Tag für Tag unsere Kinderbuchabteilung bevölkern, sich in die Leseecke zurückziehen, dann weiß ich, dass das gedruckte Buch noch ein langes Leben vor sich hat.

Das Buch ist verwandlungsfähig. Ob als großformatiger Prachtband über die Villen am Starnberger See, ob als Heftchen mit den schönsten Sprüchen zur Hochzeit, ob als schweres Sachbuch, ob als Pixibuch für die Kleinsten, in seiner ganzen Vielzahl von Erscheinungsformen wird das Buch gelesen.

Das Buch berührt die Sinne. Das Auge erfreut sich an einem ansprechenden Einband. Das Geräusch, wenn man die Seiten durchblättern lässt, bevor man zu lesen beginnt, die raue oder auch glatte Anmutung des Papiers, der Geruch eines zum ersten Mal geöffneten Kunstbildbandes, das sind Eindrücke, die einem das Buch neben dem reinen Inhalt mitvermittelt.

Ein Buch findet seine Leser. Dies ist der Grund, weshalb die Kunden trotz der Möglichkeiten der Internetbestellung nach wie vor in die Buchhandlungen gehen, den Ort, an dem man findet, wonach man gar nicht gesucht hat.

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