Taschenuhr von König Ludwig II.:Als Kinis letztes Stündlein schlug

Stehengeblieben abends um 6:53 Uhr: Die goldene Taschenuhr von König Ludwig II. ist eines der wenigen Zeugnisse, die bei der Rekonstruktion des Todes im Starnberger See eine Rolle spielen. Die kann man nun besichtigen.

Stefan Mayr

Als Albert Meilhaus im Sommer 1991 seine Doppelhaushälfte verließ, war der Himmel über Bayern prächtig weißblau und seine Frau Silvia befürchtete Schlimmes. "Oje, das wird teuer", sagte sie. Meilhaus fuhr von Puchheim im Landkreis Fürstenfeldbruck in das Münchner Auktionshaus Hermann Historica.

Taschenuhr von König Ludwig II.: Wie starb der Märchenkönig? Der Tod von Ludwig II. gibt immer noch Rätsel auf.

Wie starb der Märchenkönig? Der Tod von Ludwig II. gibt immer noch Rätsel auf.

(Foto: ddp)

Dort wurden rund 1000 Dinge aus allen Epochen versteigert, die meisten aus dem Dritten Reich. Albert Meilhaus interessierte sich aber nur für einen ganz speziellen Gegenstand: Die goldene Taschenuhr von König Ludwig II., die dieser nachweislich trug, als er am 13. Juni 1886 in den Starnberger See ging und starb.

Meilhaus rechnete mit vielen potenten Mitbietern für das filigran verzierte Schmuckstück. Dennoch war er zu allem entschlossen. Denn erstens ist die Uhr eines der wenigen verbliebenen Zeugnisse, die bei der Rekonstruktion der Todesnacht eine Rolle spielten. Und zweitens hat Meilhaus' Familie eine ganz besondere Verbindung zum Märchenkönig.

Ein unerwartet günstiges Mitbringsel

Die Auktion endete mit einer Überraschung. "Ich war tatsächlich der einzige Bieter", so Meilhaus. Der Käufer war begeistert, der Auktionator stinksauer. Dieser habe vor der Versteigerung ungleich höhere Angebote gehabt, so Meilhaus, und dachte wohl, bei einer Versteigerung würde der Preis noch höher steigen. Eine Fehlkalkulation.

"Die haben mir die Uhr wutentbrannt in die Hand gedrückt", berichtet Meilhaus - "ohne Verpackung". Wie viel das Schnäppchen kostete? "Bitte nicht fragen", sagt der 60-Jährige, "Sie kriegen ein Auto dafür, aber keinen Ferrari." Sogar seine Frau war begeistert über das unerwartet günstige Mitbringsel: "Ich weiß, warum keiner mitgeboten hat", sagte sie, "diese Uhr war für dich bestimmt." Auch die "Augsburger Königstreuen" freuten sich über das Ergebnis der Auktion: "Nicht auszudenken", schrieben sie an Meilhaus, "wenn die Uhr in die Hand eines Japaners oder gar eines Preußen geraten wäre."

Der Antiquitäten-Sammler hat die Investition nie bereut. Denn die Uhr ist nicht nur in handwerklicher Hinsicht sein bestes Stück, sondern hat auch einen ideellen Wert: Seine Urgroßtante war von 1846 bis 1854 das Kindermädchen des Königs und dessen Bruder Otto. Sybilla Meilhaus, genannt "Billa", wohnte im Dachgeschoss von Schloss Hohenschwangau, lehrte den kleinen Erbprinzen lesen, schreiben und rechnen und kochte für sie. "Wenn König Maximilian Hunger hatte, musste die ganze Familie mitspeisen", berichtet Meilhaus. "Und sobald der Vater aufhörte, mussten auch die Kinder das Besteck weglegen." So kam es, dass Sybilla Meilhaus oft hungrige Kinder um sich hatte. Also machte sie ihnen immer wieder schnell ein Essen.

In den acht Jahren entstand zwischen Ludwig und seiner Erzieherin eine enge Bindung. "Sie war eine Art Ersatzmutter", sagt Albert Meilhaus. Peter Wolf vom Haus der bayerischen Geschichte bestätigt dies: "Es war eine der intensivsten Bindungen in Ludwigs Leben, ansonsten kündigte der König Kontakt und Freundschaft sehr schnell auf." Obwohl Billa schon 1854 abgelöst wurde, schrieb Ludwig auch in späten Jahren regelmäßig Briefe an seine "liebe Meilhaus" und machte ihr viele Geschenke. Peter Wolf: "Er hat sie wohl wirklich geliebt."

Eine Aura, die einen besonderen Schauer auslöst

Als Sybilla Meilhaus 1881 in Augsburg starb, ließ Ludwig auf ihrem Grab einen prächtigen Trauerkranz niederlegen und ein stattliches Grabmal errichten. Dieses steht bis heute im Friedhof an der Hermanstraße. Auf der Säule aus weißem Marmor steht: "König Ludwig II: der treuen Pflegerin seiner Kinderjahre." Fünf Jahre nach "Billa" starb der König seinen rätselhaften Tod im Starnberger See. Eine Tatsache steht fest: Er trug die goldene Taschenuhr an diesem Tag bei sich, und sie blieb exakt um 6.53 Uhr und 40 Sekunden stehen.

Puchheim: Albert Meilhaus und seine König-Ludwig-II.-Uhr

Um 18.53 und 40 Sekunden blieb sie stehen: Diese Taschenuhr trug der Märchenkönig, als er im Starnberger See ertrank.

(Foto: Johannes Simon)

Die stumme goldene Zeugin war zwischen Ziffernblatt und Glas "vollständig mit Wasser gefüllt", wie Oberamtsrichter Jehle anno 1886 in seinem Bericht an das Königliche Staatsministerium der Justiz festhielt. Der Bezirkstechniker Haertinger ergänzte in seinem Schreiben an das Königliche Bezirksamt München II, dass im Innern der Uhr auch Tuffsand zurückgeblieben sei. Mit diesem Sand rekonstruierte der Techniker die Stelle im See, an der die Leiche gelegen haben muss. Wer nun behauptet, der König sei um 18.53 Uhr und 40 Sekunden gestorben, der muss mit geballtem Widerstand von Historikern und Kriminalisten rechnen. Denen zufolge ist nur eines bewiesen: Der spätestmögliche Eintauchzeitpunkt ins Wasser. Alles andere ist reine Spekulation.

"Wir wussten, dass sie existiert, aber nicht, wo"

Oberamtsrichter Jehle ließ die Uhr nach der Untersuchung dem Schlossverwalter Huber übergeben. Später wurde sie der Königinmutter Marie überreicht. Seitdem war sie in Privatbesitz des Hauses Wittelsbach. Bis sie im Jahre 1991 versteigert wurde. Albert Meilhaus bewahrt sie in einem Banktresor auf. Öffentlich gezeigt wurde sie noch nie. Doch nun stellt Meilhaus das Stück dem Haus der bayerischen Geschichte für die Landesausstellung 2011 "Götterdämmerung" auf Schloss Herrenchiemsee zur Verfügung.

Der Untertitel der Ausstellung lautet: "König Ludwig II. und seine Zeit." Wie passend zur Taschenuhr. Es besteht kein Zweifel, dass sie ein herausragendes Exponat sein wird. "Wir wussten, dass sie existiert, aber nicht, wo", sagt Ausstellungsleiter Wolf. Jetzt ist sie aufgetaucht. "Diese Uhr ist etwas ganz Besonderes, allein vom Ansehen", sagt Wolf. "Und dazu kommt die Aura, die einen besonderen Schauer auslöst."

Gefertigt wurde sie im Schweizer Uhrmacherort Chaux de Fonds. Auf dem Deckel wurde die gebläute Silberplatte mit einem doppelten L-Monogramm und Krone graviert. Die Rückseite ziert der Kopf von "Cosa Rara", Ludwigs Lieblingspferd. Die Uhr ist restauriert und funktionstüchtig. In der Ausstellung aber wird sie nicht ticken. Sondern 6.53 Uhr und 40 Sekunden anzeigen.

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