Verkehr:Das Image der Raser-Autobahn

Die Polizei sagt, statistisch wird auf der A 95 nicht schneller gefahren als anderswo

Von Matthias Köpf, Starnberg

Ab der Ausfahrt Fürstenried kommt Bewegung in den Drehzahlmesser. Der digitale Tacho klettert schnell auf mehr als 200 Stundenkilometer und ist bald jenseits der 300. Gelegentlich huscht auf der nächtlichen Tour rechts etwas Rötliches vorbei, das sind die Rücklichter eines überholten Autos. Manchmal nimmt der Fahrer sogar selber die rechte Spur, aber nur wenn es die Innenkurve ist und seiner Ideallinie entspricht. Die Fahrt bis Eschenlohe dauert nicht lange auf diese Weise, auch wenn das Video nicht sehr unterhaltsam ist. Clips wie diesen gibt es viele im Internet, und ein beliebter Drehort für so etwas ist die A 95, die von München aus den Landkreis Starnberg passiert, praktisch einmal der Länge nach den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen entlang Richtung Garmisch führt. Die A 95 gilt vielen Rasern als ideale Rennstrecke zum Ausfahren ihrer Boliden, und gelegentlich gehen solche Fahrten nicht gut aus. Davon, dass sie eine Raser-Route wäre, will die zuständige Verkehrspolizei in Weilheim aber nichts wissen.

Zuletzt hat vor vier Wochen ein 71-Jähriger aus Grünwald seinen Luxussportwagen der Marke McLaren auf Höhe Großweil mit 240 Stundenkilometern in eine Leitplanke gesetzt. Das Auto war nur noch Schrott, die Autobahn stundenlang gesperrt, doch der Mann kam mit einem Kratzer davon. Weil auch sonst niemand betroffen war, gilt der Unfall als Ordnungswidrigkeit. Die Strafe für so etwas liegt bei 35 Euro, doch auf den Mann kommen erhebliche Kosten für einen riesigen Polizei- und Feuerwehreinsatz zu.

Zu hohes Tempo

Im Jahr 2012 hat die zuständige Verkehrspolizei Weilheim 429 Unfälle auf der A 95 registriert. 2013 waren es 403, davon 58 mit Personenschäden. Deren Ursache war in 26 Fällen ein zu hohes Tempo bei guten Wetterbedingungen, 14-mal waren die Fahrer bei Nässe zu flott unterwegs, achtmal bei Schnee. Die aktuellen Zahlen für 2014 sind ähnlich, aber leicht verbessert: 406 Unfälle insgesamt, 52 mit Personenschäden, 19-mal zu schnell, achtmal bei Nässe und dreimal bei Schnee. Im langfristigen Vergleich sterben laut Polizei bei solchen Unfällen auf der A 95 pro Jahr drei Menschen. kpf

Dass solche Unfälle ein großes Aufsehen erregen und in jeder Polizeimeldung ein Porsche eher ins Auge sticht als ein Passat, ist nach Ansicht von Werner Huber der eigentliche Grund für das schlechte Image der A 95 als angebliche Raser-Autobahn. Huber ist stellvertretender Leiter der Weilheimer Verkehrspolizei und kennt seine Statistik genau. Und die spreche eben klar gegen die beliebte Raser-These. "So ein Tag wie der Donnerstag mit dem Starkregen - da kann die Autobahn nichts dafür", sagt er zu den jüngsten Aquaplaning-Unfällen. Dass zwischen München und Eschenlohe gerne gerast wird, ist Huber allerdings auch bewusst. Aus der politischen Debatte über ein Tempolimit will sich der Polizeibeamte lieber heraushalten. Er fragt nur vorsichtig, wie viele Länder es in Europa noch gibt, in denen man ohne Limit Gas geben darf.

Dass das Rasen auf der A 95 so einfach ist, liegt am geringen Verkehr: Zwischen München und dem Dreieck Starnberg sind laut Autobahndirektion Südbayern täglich 59 000 Autos unterwegs, bis Wolfratshausen sind es 44 000 und südlich davon nur noch 29 000. Lastwagen gibt es ab hier fast nicht mehr. Vor allem aber gibt es auf der A 95 auf 60 Kilometern Länge keinerlei Tempolimit, es sei denn, die Fahrbahn ist nass. Dann trägt es die Sportwagen mit ihren breiten Rennreifen eben recht leicht aus der Kurve, sagt der Verkehrspolizist Vincenz Wirth. Er ist sich mit Huber aber darin einig, dass Tempo 250 bei guten Bedingungen durchaus möglich ist, wenn auch das Auto und das Können des Fahrers das erlauben.

Verkehr: Quelle: Sz-Grafik

Quelle: Sz-Grafik

Die jüngste Blitzer-Kampagne an der Baustelle zwischen Dreieck Starnberg und Fürstenried wertet die Polizei als Erfolg. Inzwischen zeigen sich die Pendler laut Huber dort sehr diszipliniert. Zuletzt seien nur noch zwei Prozent zu schnell gewesen, geblitzt werde aber weiter, versichert der Beamte.

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