Veranstaltung:Globale Dummokratie

Scharfzüngig bis sarkastisch geißelt das Kabarettisten-Duo "Faltsch Wagoni" den Zustand dieser Welt

Von Armin Greune, Dießen

Kaum zu glauben, so frisch wirken sie. Aber auf der Bühne des gut besetzten "Maurerhansl" steht das dienstälteste Kabarettistenpaar der Republik: Schon seit 36 Jahren sind Silvana und Thomas Prosperi alias Faltsch Wagoni privat wie beruflich Partner. Routine oder gar Langeweile strahlen sie deswegen noch lange nicht aus - aber eine gewisse Abgeklärtheit, die es vielleicht mit sich gebracht hat, dass man seine Zeit nicht mehr mit tagesaktuellen Aufregern und läppischen Kleinigkeiten vertrödelt, sondern sich den wirklich großen Themen widmet: Politik und Liebe stehen im Fokus des neuesten Programms "Auf in den Kampf Amore" und über beide Begriffe - ob als Synergisten oder Antagonisten - wird im Laufe des Abends immer wieder gesungen, gereimt und getextet.

Das Paar ist schlicht schwarz-weiß gekleidet, Kabarett lebt schließlich von Polarisierungen und eindeutigen Positionen. In diesem Fall nimmt "Lady Dada" Silvana die Rolle der "Queen of Kings" oder der "Repräsentante" ein, der Thomas, "Souverän und Leichtfuß", als Volk oder "Folks" huldigt. Sie regieren "Empörien, Heimat der empathischen Europäer", die es geschafft hat, vom kleinen Anfänger zum großen Gewinner zu werden. Die Biografie der Künstler fällt bescheidener aus, bietet jedoch auch Munition für (selbst-)ironische Rückblicke auf die "Achtundsechziger von 1978", die angeblich die Polizei mit ihren Schlaghosen in Angst und Schrecken versetzten. Den häuslichen WG-Horror aber verkörpert der Kefir, "das Haustier der 70er", der zur Killersülze mutiert und Mitbewohner Peter nächtens verschlingt.

Neben der ausgeprägten Musikalität ist der Wechsel zwischen Gesellschaftskritik und blühendem Blödsinn eine der großen Stärken von Faltsch Wagoni. In den Couplets lösen sich Kalauer und Aphorismen, Albernheiten und Tiefsinnigkeiten scheinbar willkürlich ab. Einige Kostproben gefällig? "Regieren ohne Lobby ist wie Alpen ohne Schneekanonen." "Wenn ich Gott wäre, würde ich mich tot stellen." "Wir brauchen eine Verwaltung, die auf einen Bierdeckel passt." Sehr ernst wird es im Lied über die bürokratischen Hürden, vor denen Asylbewerber in Zuwanderungsbehörden stehen, wo sie "in der harten Schule permanenter Vor-Vor-Läufigkeit" vom "Waiter" zum "Hater" werden müssen.

Da fließen Erfahrungen ein, die Silvana und Thomas Prosperi als Flüchtlingshelfer im Herrschinger Verein "Wir schaffen das" miterleben mussten. Entschieden treten sie dem Wiederaufleben deutscher Kernkompetenzen wie dem Mauerbau entgegen, der andere von unserer Freiheit ausschließen soll - dabei ist die Freiheit "flüchtig und immer in Nöten". Faltsch Wagoni setzen sich gegen die Restauration zu Wehr, die sicher geglaubte Liberalität abbaut und überholte Rollenmuster wie "Deko-Frauen" aufleben lässt: "Alles wieder da, wie Rinderwahnsinn und Cholera, Frauchen-Frau wie PinUp-Girl und Wonderbra". Und zur Bekämpfung der Alles-muss-sich-rechnen-Seuche wollen sie Marktjongleure zu Landschaftsgärtnern umschulen lassen: "Wachstum mal anders".

Was aber lässt sich der "globalen Dummokratie" entgegnen? Die Prosperis haben eine Antwort parat: "Senz' amore (ohne Liebe) gehen wir baden." Wertschätzung von privatem Glück geht nicht zwingend mit einem Rückzug aus der Politik einher, beides soll sich ergänzen: Zwischenmenschliche Zuneigung spendet die Kraft, sich gesellschaftlich zu engagieren. Umgekehrt braucht die Liebe engagierte Streiter: "Sie erledigt sich nicht", was ebenso für die Freiheit gilt. Im "Maurerhansl" wurde die Botschaft verstanden und so begeistert aufgenommen, dass eine Zugabe dem Publikum nicht reichte.

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