Utting:Mit den Wölfen geheult

Eine Ausstellung im ehemaligen Atelier des Malers Adolf Münzer in Utting zeigt das umfassende Werk eines Künstlers, der stets lieferte, was gefragt war

Von Armin Greune, Utting

Fünf Jahre lang hat Florian Münzer an der Biografie über seinen Großvater Adolf Münzer, den Mitbegründer der Künstlergemeinschaft "Scholle", gearbeitet. Nun, da das 256 Seiten umfassende, reich bebilderte Buch im Eigenverlag erschienen ist, präsentiert das Kulturforum Utting in Zusammenarbeit mit den Städtischen Museen Landsberg eine ebenso aufschlussreiche Ausstellung im ehemaligen Atelier des Malers.

Auch wenn das kompakte Fachwerkhäuschen seit der Errichtung 1905 mehrmals umgebaut worden ist, lässt sich im parkähnlichen Anwesen noch immer erspüren, warum die Münchner Szene Anfang des 20. Jahrhunderts an den Ammersee zog und die Künstlerkolonie Holzhausen gründete. Für die Ausstellung öffnet das Haus ausnahmsweise die Türen für Fremde, in den zwei Räumen findet sich eine von Florian Münzer kuratierte Werkauswahl, die exemplarisch für das Schaffen seines Ahnen ist.

Es sei ein "wahrhaft großes Werk", das sein Großvater hinterlassen habe, sagte Florian Münzer bei der Eröffnung - das gilt zunächst einmal in quantitativer Hinsicht. In der Erinnerung des seinerzeit vierjährigen Enkels habe Adolf Münzer noch kurz vor dem Tod 1951 "unentwegt Zigaretten geraucht" und unablässig gearbeitet. Ebenso bewundernswert wie das gewaltige Pensum ist das handwerkliche Geschick, mit dem Adolf Münzer Pinsel, Feder und Stift führte. Unstrittig sind auch das dekorative Talent und der kommerzielle Erfolg, der ihm zeitlebens beschieden war; noch heute lassen sich viele seiner Werke gut verkaufen. Er hatte eben auch großes Talent darin, das zu liefern, was gewollt und bezahlt wird.

Selbstporträt Adolf Münzer

Adolf Münzer auf dem Höhepunkt seiner künstlerischen Schaffenskraft, hier mit Selbstbildnis von 1910.

(Foto: Anja Bach)

Und dennoch: Als großen Künstler mag man Adolf Münzer nicht einstufen. Es fehlte das kreative Genie, eine unverkennbare eigene Handschrift, das Bemühen, einen individuellen Stil zu entwickeln und zu verfeinern. Stattdessen kommt man nicht umhin, eine gewisse Regression in seinem Lebenswerk zu bemerken, die auch in der Ausstellung deutlich wird. Da hängt etwa das 1905 entstandene, fünf Quadratmeter große, sehr intensive Gemälde "Abseits vom Fest", in dem Münzer seine spätere Frau Marie Therese im Wald von Holzhausen zeigt: mit leichter Hand, dem Vorbild der französischen Impressionisten folgend, von Plein-Air-Malerei und Jugendstil beseelt. Doch im gleichen Raum findet sich auch "Am Waldbrunnen": Mit der mythologischen Darstellung von Nymphe, Hirsch und Hörnchen hatte sich Münzer für die Große Deutsche Kunstausstellung (GDK) 1942 beworben, doch das Bild war wohl selbst der NS-Reichskunstkammer zu kitschig. Besser hatte Münzer den Geschmack der Machthaber getroffen, als er 1936 den Bahnhof Düsseldorf mit dem idyllischen Kraft-durch-Freude-Wandgemälde "Sommerleben am Rhein" dekorierte, das tanzende Mädchen im kurzen Rock zeigt. Und 1938 fand ein auf der GDK gezeigter, weiblicher Akt gar allerhöchste Gunst: Der Führer selbst erwarb das Bild des Namensvetters für 3500 Reichsmark.

Adolf Münzer war stets bereit, auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren: In den goldenen Jahren vor dem Ersten Weltkrieg lieferte er eine Vielzahl gekonnter, mehr oder minder textilfreie Frauenporträts. Sein Grundeinkommen bezog er durch etwa 300 Zeichnungen, für die "Simplicissimus" und "Die Jugend" von 1896 bis 1916 jeweils 300 Reichsmark zahlten - was seinerzeit dem Jahressatz an Sozialhilfe entsprach, wie Florian Münzer erläuterte. Als der Großvater 1932 altersbedingt sein Lehramt an der Kunstakademie Düsseldorf verlor, habe ihn die Existenzangst in die Arme der Nationalsozialisten getrieben, denn die Familie hatte sich an einen aufwendigen Boheme-Lebensstil mit Personal gewöhnt. Nach dem Ende des Naziregimes erhielt Adolf Münzer als Mitläufer einen Sühnebescheid über 1000 Reichsmark. Doch er hatte noch viel mehr verloren: Sein erstgeborener Sohn kehrte nicht aus dem Krieg zurück.

Utting: Das Foto von Adolf Münzer stammt von 1910.

Das Foto von Adolf Münzer stammt von 1910.

(Foto: Anja Bach)

Es ist das Verdienst des Kurators und Biografen Florian Münzer, dass er trotz der starken persönlichen Bindung auch Fehltritte und Opportunismus des Großvaters schonungslos offenlegt. "Eine Künstlerbiografie zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik" heißt es im Untertitel des Buchs, die Vermittlung des zeitgeschichtlichen Kontextes darin ist geradezu vorbildlich. Es ist die Biografie eines Mannes in stürmischen Zeiten, der das Segel immer nach dem Wind drehte und dabei das Ziel aus den Augen verlor. Bevor man ihn allzu leichtfertig aus unserer soziokulturellen Sicht verurteilt, sollte sich jeder selbst fragen, welche Kröte er bereit wäre zu schlucken, um von seinem Traumberuf leben zu können.

Die Ausstellung im Haus Am Weitlesberg 5 in Utting-Holzhausen ist noch an den nächsten drei Wochenenden (1. bis 3., 8./9. und 15./16. Oktober), jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Das Buch kann per E-Mail an florian.muenzer@utting.net bestellt werden, es kostet 20 Euro.

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