Urteil:70-Jährige dreht 88-Jähriger völlig überteuerten Teppich an

Die Angeklagte webt eine Lügengeschichte um das angeblich wertvolle Teil - nicht zum ersten Mal. Der Richter droht der vorbestraften Frau mit Gefängnis.

Von Christian Deussing

Mit Lügen hat eine mehrfach vorbestrafte Frau immer wieder versucht, angeblich wertvolle Teppiche aus Versteigerungen oder Restbeständen eines Münchner Geschäfts zu verkaufen. Mit dieser Masche betrog die 70-jährige Münchnerin laut Anklage im November 2016 auch in Starnberg eine Rentnerin. Der 88-Jährigen hatten die Angeklagte und ihre mit beschuldigte Schwiegertochter erzählt, einen indischen Seidenteppich für 29 000 Euro bei Sotheby's in London ersteigert zu haben - sie aber bereit seien, ihn auch für 10 000 Euro zu verkaufen. Die Witwe erwarb den Teppich für 8000 Euro in bar, der laut Gutachten nur 2500 Euro wert war und lediglich aus Kunstseide bestand. Das Opfer gab zudem einen eigenen Teppich im Wert von etwa 5000 Euro bei dem Geschäft in Zahlung.

Die Angeklagte ist am Donnerstag vom Amtsgericht Starnberg wegen gemeinschaftlichen Betrugs zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt - mit der Auflage, 500 Euro an die Lebenshilfe zu zahlen oder 50 Sozialstunden abzuleisten. Die ebenso geständige Schwiegertochter erhielt eine Bewährungsstrafe von acht Monaten. Richter Franz von Hunoltstein sprach von einer Betrugsmasche, die sich bei der älteren Angeklagten wie ein roter Faden durch ihr Leben ziehe. Es sei ein "dreistes Vorgehen", mit Lügengeschichten "minderwertige Teppiche hochpreisig" an alte Menschen zu verkaufen. Der Richter warnte die Hauptangeklagte vor einer weiteren Straftat: "Sonst kommen Sie für längere Zeit ins Gefängnis."

Das hatte der Staatsanwalt gefordert. Die Frau habe ein Dutzend Vorstrafen, darunter viele einschlägige, "nach dem gleichen Muster mit krimineller Energie" gehandelt und erheblichen Schaden angerichtet, betonte der Ankläger. Er wollte die Frau für 20 Monate in Haft schicken.

Diese gab auf Nachfrage an, den Teppich der Starnbergerin in eine Mülltonne geworfen zu haben. Der Läufer sei "total abgetreten und älter als 30 Jahre gewesen", behauptete die Angeklagte. Die betrogene Rentnerin sagte jedoch im Prozess, dass ihr eigener Teppich nachweislich etwa 5000 Euro wert und nur wenige Jahre alt gewesen wäre.

"Es war meine Schuld, hereingefallen zu sein", bedauerte das Opfer. Sie werde aber so einen Fehler nie wieder begehen, versicherte die Seniorin. Die Zeugin hatte auch berichtet, beim inzwischen verstorbenen Mann der Angeklagten vor 25 Jahren einen Seidenteppich gekauft zu haben. Damals sei sie zufrieden gewesen.

Das Betrugsopfer wirkte nun sprachlos, als es in der Verhandlung von den Vorstrafen der Angeklagten erfuhr. Deren Verteidiger führte an, dass die Frau erst seit drei Monaten erstmals in ihrem Leben soziale Leistungen beziehe, weil sie aus Angst nie Anträge bei den Ämtern gestellt habe. Vielleicht hätte seine Mandantin sonst die Taten nicht begangen, meinte der Anwalt.

Zuletzt war die Frau vor einem Jahr zu zwölf Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Denn sie hatte auf ähnliche Art und Weise mit ihrer Nichte einen völlig überteuerten Teppich einer 92-jährigen Stockdorferin für 20 000 Euro angedreht - und mit einer erlogenen Schicksalsgeschichte auch noch ein Darlehen von 6000 Euro erbettelt. Als die Münchnerin seinerzeit im Herbst 2013 erneut bei der Rentnerin auftauchte, um weitere 11 000 Euro zu kassieren, warteten schon Polizisten auf die Betrügerin.

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