Unterbrunn:Persilscheine und Petticoats

Hermann Geiger ist ein leidenschaftlicher Sammler von Gegenständen aus den 50- und 60er Jahren. Nun ist dazu ein Buch erschienen: "Nimm dir Zeit - und nicht das Leben"

Von Blanche Mamer, Gauting

Es war die bestbesuchte Ausstellung seit Bestehen des Gautinger Bosco: Hermann Geigers Schau "Sammeln macht glücklich" zum Leben in den 50er und 60er Jahren zog allein bei der Vernissage mehr als 300 Besucher an. "Kannst ma dazu an Katalog machen", hat der Gautinger Schriftsteller Gerd Holzheimer vorgeschlagen und sich auch gleich als Autor angeboten. Das erzählt Bosco-Initiator Hans-Georg Krause bei der Vorstellung des nun erschienenen Büchleins "Nimm dir Zeit - und nicht das Leben". Holzheimer hat geschrieben, Krause hat die wichtigsten Artefakte der Ausstellung fotografiert. Es ist ein richtig schönes Buch geworden, gedruckt auf gutem Papier, auf dem Titel prangt das rote Goggomobil, auf der Rückseite die Tütenlampen.

Und wie schon bei der Ausstellung herrscht auch bei der Buchpräsentation ein riesen Andrang. Auf dem niedrigen stehen Podest drei Polstersessel aus den 50er Jahren, deren Design heute wieder in ist, davor ein abgerundeter dreieckiger Tisch, das Ganze im gedämpften Licht der Stehlampe mit Tütenleuchten, daneben ein Plakat des Films "Lausbubengeschichten" von Ludwig Thoma. Klar, dass dieses Ambiente Erinnerungen an die vermeintlich gute alte Zeit herbeirufen. Und damit viele Geschichten, die erzählt werden wollen.

Holzheimer beginnt. Mit Geschichten aus seinem Elternhaus am Münchner Waldfriedhof, die seine Großmutter erzählte. Dass das Haus von amerikanischen Bomben zerstört und von russischen Kriegsgefangenen wieder aufgebaut wurde, die dann wieder von den Amis befreit wurden, und der Bub sich darob mit der Frage herumschlug, wer denn nun der Gute und wer der Böse war. Jedes Kapitel des Buches hat er mit einem Schlagertitel überschrieben. Nur nicht das dritte: "Das beste Persil, das es je gab", ein Werbespruch, der aber ziemlich genau den Geist der 50- und 60er Jahre traf und auf die "Persilscheine" anspielte, die die Amerikaner Tausenden von Nazi-Deutschen ausstellten und ihnen damit eine neue Karriere in der Nachkriegspolitik ermöglichten. Auch Hermann Geiger muss sich auf Erzählungen verlassen: Geboren im Januar 1956, dem kältesten Monat seit Jahren, wird der Neugeborene nachts zwischen der damals noch ledigen Mutter und der Großmutter ins Bett gelegt, damit er nicht erfror. Allerdings beginnt er mit einer typischen Anekdote zu seiner immer weiter wachsenden Sammlung: Eine Frau aus Stockdorf habe ihn angerufen und ihm eine alte Kutsche angeboten. Es habe sich jedoch nicht, wie erwartet, um ein kleines Gefährt gehandelt, sondern um eine große antike sizilianische Kutsche, die vor 1840 bemalt wurde und eine hochherrschaftliche Vergangenheit hat.

Dann ist Zeit für den Überraschungsgast: Eva Schlichenmaier, im originalen Outfit der 50er, einem Sommerkleid aus Rosenstoff mit ausgestelltem Rock, enger Taille und großem Kragen - begleitet Hansi Kraus zum dritten Sessel, jenem Schauspieler, der den Lausbuben im Film mimte und nach Ansicht seiner Eltern selbst ein Lausbub war. Eigentlich hatte er keine Lust, denn er sollte eine Geschichte schreiben. Da die Eltern nicht locker ließen, schrieb er, wie er eine tote Ringelnatter gefunden hatte und sie mit heimbrachte, um die Tanten zu erschrecken. Als er mit der Schlange wedelte, riss der Großvater sie ihm aus der Hand und biss hinein. Das hat ihm den Magenumgedreht, er ist auf den Balkon gestürzt und hat gespien.

Unterbrunn: Ebenfalls typisch Sixties: eine alte Lampe.

Ebenfalls typisch Sixties: eine alte Lampe.

(Foto: Arlet Ulfers)

Schließlich zeigt Geiger noch den Werbefilm über den damals 29-jährigen Günter Maurus, Erstverkäufer im Herrenbekleidungsgeschäft Hirmer, der wie die Familie Geiger, einen Lloyd fuhr. Auch Maurus ist im Saal, ein wenig wehmütig erinnert er sich an damals und seine Vorstellungen von der Zukunft. Geiger selbst hat ein weiteres Projekt im Kopf. Er möchte eine Ausstellung machen über das Leben in Unterbrunn in der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg.

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