Umwelt:Grundstück mit PCB verseucht

Etwa 400 Lastwagenladungen Erdreich müssen in Herrsching entsorgt werden. Giftige Hinterlassenschaft einer Kondensatorenfabrik verursacht Folgekosten in Millionenhöhe. Inning beobachtet die Werte in einer ehemaligen Hausmülldeponie

Von Patrizia Steipe und Astrid Becker, Herrsching

Sie sind unsichtbar, widerstandsfähig und auch nach Jahrzehnten noch nachweisbar: Polychlorierte Biphenyle, kurz: PCB. Diese Chemikalie hat 30 Jahre lang eine Kondensatorenfabrik für ihre Isolatoren verwendet, die sich 1954 an der Dillizerstraße in Herrsching angesiedelt hatte. Dieser Stoff galt damals noch als unbedenklich; mittlerweile ist er verboten, denn er gilt als krebserregend. Die Firma gibt es seit den Neunzigerjahren nicht mehr, sie hat jedoch ein ungesundes Erbe hinterlassen, wie Untersuchungen ergeben haben. Auch die Gemeinde Inning ist mit dem Thema Altlasten beschäftigt. In einer ehemaligen Hausmülldeponie wurden Schadstoffe entdeckt. Allerdings ist die Belastung des insgesamt 10 000 Quadratmeter großen Areals etwas harmloser als die in Herrsching.

Dort ist das ganze Ausmaß der Altlasten in der die Gemeinde erst seit ein paar Wochen bekannt. Es hatte fünf Jahre lang gedauert, bis bei einer Untersuchung im Rahmen einer Bauvoranfrage festgestellt wurde, wie groß der verseuchte Bereich ist. Letzte sind für Juli anberaumt. "Aber jetzt können wir endlich das ganze Ausmaß einschätzen", erklärte Julia Andersen. Dem Gemeinderat gab die Umweltjuristin vom Starnberger Landratsamt einen Sachstandsbericht. "Wir haben über 80 Erkundungsbohrungen und Tests auf dem Firmengelände und in der Nachbarschaft vorgenommen", erklärte sie. "Ganze Meter an Akten mit den Untersuchungsberichten" stapelten sich jetzt im Landratsamt. Das Ergebnis: Neben dem Firmengrundstück sind auch sieben Nachbargrundstücke in unterschiedlichem Ausmaß belastet. "Betroffen sind die oberen Erdschichten, aber auch das Grundwasser", sagte Andersen. Alle hat das Landratsamt in das Altlastenkataster aufgenommen. Die betroffenen Grundeigentümer waren frühzeitig informiert worden. Sie sollten beispielsweise kein Brauchwasser aus dem Brunnen verwenden, auch nicht zum Blumen gießen. Andere sollten auf den Anbau von Nutzpflanzen verzichten oder kleine Kinder nicht im Sandkasten spielen lassen. Entwarnung gab es bei der Raumluftmessung. Die Hausbesitzer hatten befürchtet, dass durch das Pfingsthochwasser eventuell PCB in die Häuser gespült worden sein könnte und sich dort festgesetzt hätte. Da PCB schwer wasserlöslich sei, habe es sich nicht in der Bausubstanz angereichert, erklärte Andersen.

Umwelt: Der Boden des ehemaligen Firmengrundstücks an der Dillizerstraße in Herrsching ist mit Chemikalien verseucht.

Der Boden des ehemaligen Firmengrundstücks an der Dillizerstraße in Herrsching ist mit Chemikalien verseucht.

(Foto: Arlet Ulfers)

Grund für die PCB-Verseuchung sei wohl ein Brand in den Sechzigerjahren gewesen. Deswegen hatte sich das PCB auch auf die umliegenden Grundstücke verteilt. Damals wurde dem keine große Bedeutung beigemessen; heute sei das anders. Landratsamt und Gemeinde wollen nun eine Vollsanierung. "Der ganze Mist muss raus", betonte Bürgermeister Christian Schiller. Was das bedeutet, erklärte der Geologe Andreas Ther. Für das Schadensgrundstück stehen die Sanierungsarbeiten bereits fest: Das Erdreich soll unter erhöhten Arbeitssicherheitsvorkehrungen für die Arbeiter bis in drei Metern Tiefe ausgetauscht werden. Dazu soll eine Dichtwand um das Grundstück gelegt und der Wasserspiegel abgesenkt werden. Insgesamt 400 Lastwagenladungen werden wohl für die 10 000 Kubikmeter Erde nötig sein, meinte Ther. Das Ganze werde mindestens ein halbes Jahr lang dauern.

Die Fahrbahn der Dillizerstraße muss nicht abgerissen werden. Die Belastung des Gehsteigs ist durch die Asphaltdecke "gut abgedeckt". Wie die Nachbargrundstücke saniert werden sollen, wird nach der letzten Untersuchung erarbeitet. Was die Kosten betrifft, so prognostizierte Schiller: "Das geht in die Millionen". Die Gemeinde ist derzeit im Gespräch mit einem Investor, der die Sanierung übernehmen soll. "Bezahlt wird er dann über die Bebaubarkeit des Grundstücks", erklärte Schiller.

PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind organische Chlorverbindungen. Sie wurden bis in die Achtzigerjahre unter anderem in Kondensatoren, Kunststoffen, Dichtungsmassen und Lacken verwendet. PCB ist wegen seiner gesundheitsschädigenden Wirkung mittlerweile weltweit verboten. Da die Substanz biologisch nicht abgebaut wird, hält sie sich dauerhaft in der Umwelt. PCB reichert sich in pflanzlichen und tierischen Fetten an und gelangt so in die Nahrungskette. Beim Menschen konzentriert sich PCB im Fettgewebe und in Organen wie Hirn, Niere und Leber. Neben verschiedenen gesundheitlichen Störungen, die durch eine PCB-Belastung ausgelöst werden können, wird der Stoff auch als krebserregend eingestuft. pat

Auch im gut zwölf Kilometer entfernten Inning beschäftigen Altlasten Verwaltung und Gemeinderäte gleichermaßen. So ging es in der jüngsten Gemeinderatssitzung wieder einmal um die ehemalige Hausmülldeponie Obere Fischleite, die sich südlich von Buch befindet. Dass sich dort auch Altlasten verbergen, wurde schon lange vermutet. Deshalb wurde die ehemalige Deponie, die 1966 bis 1975 bestanden hatte, auch entsprechend untersucht. Finanziell unterstützt wird dies im Rahmen eines Projekts von der Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern mbH. Dort wollte die Gemeinde nun auch einen Antrag auf Sanierung der mittlerweile längst begrünten und bewaldeten Fläche stellen. Hintergrund dafür war die zunächst entdeckte, hohe Belastung des Geländes, unter anderem auch mit Barium, das, vereinfacht gesagt, in bestimmten chemischen Verbindungen entzündlich und auch sehr giftig sein kann. Wie sich nun aber herausstellte, ist die Konzentration der Schadstoffe im Boden zurückgegangen. Saniert werden muss das Gelände daher vorerst noch nicht, wohl aber weiter untersucht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: