Tutzing:Zauberhafte Renaissance

Tutzing: Homogen und reich an Farben: Dirigent Albert Frey mit seinem Ensemble beim Auftritt in St. Joseph.

Homogen und reich an Farben: Dirigent Albert Frey mit seinem Ensemble beim Auftritt in St. Joseph.

(Foto: Arlet Ulfers)

Konzertante Vesper mit Musik von Praetorius, Cavalli und Gabrieli in der Tutzinger Pfarrkirche

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Alte Musik in historischer Aufführungspraxis tut sich im Fünfseenland etwas schwer. Anders ist es nicht zu erklären, warum in der Tutzinger Pfarrkirche St. Joseph so viele Bänke leer blieben. Es fehlt offenbar an Willen, Vorbehalte zu überwinden und Neues zu entdecken. Denn wer einmal die Magie der Renaissance-Musik auf originalen beziehungsweise originalgetreu nachgebauten Instrumenten und mit vibratolosem Ensemble- und Solo-Gesang erlebt hat, wird sich diesen Zauber wohl kaum jemals wieder entgehen lassen. Es lag auch etwas Elektrisierendes in der Luft, schon als das Ensemble Sed Formosa die ersten Töne in den Kirchenhall schickte.

Vielleicht weckte die Programm-Angabe "Konzertante Vesper" die falschen Vorstellungen. Die liturgische Vesper, die musikalische Danksagung am Ende des Tages, war in der Renaissance formal alles andere als streng und asketisch, wie man es vermuten könnte. Zumal in diesem Programm die übliche freie Zusammenstellung einer Vesper hier nach Allessandro Grandi vorgenommen wurde. Dass der Sizilianer in Venedig unter dem ihm so einiges neidenden Monteverdi Vizekapellmeister war, sagt schon viel über den sinnenfreudigen Reichtum und die Qualität dieser Musik aus. Kombiniert mit Werken von Michael Praetorius, Francesco Cavalli und Giovanni Gabrieli erklang in Tutzing denn auch eine Musik von komplexer Polyphonie in einer Vielzahl von Kombinationen der Stimmen wie in der Zusammensetzung des Instrumentariums. Wie farbenreich die Musik war, vermittelt bereits die Besetzung des Consorts, in dem zwei Barockgeigen, Chitarrone (italienische Theorbe), Orgelpositiv und zwei Gamben eine Bläsergruppe von sechs Barockposaunen, zwei Zinken und einem Dulzian gegenüber stand.

Albert Frey am Pult behielt nicht nur eine sichere Hand bei den vielen Wechseln der für moderne Ohren ungewohnt gebrochenen Rhythmen, sondern vermocht auch den recht großen Apparat straff und in kammermusikalischer Präzision zu führen. Aber nicht nur das: Als Altus von glasklarem Timbre setzte Frey mit dem marianischen Antiphon "Salve Regina" von Alessandro Grandi dem Programm ein Glanzlicht von melancholischer und wohlgeformter Schönheit auf.

Während die historischen Instrumente von Haus aus nicht gar so sauber intonieren - wenn sie auch von der Klangqualität und -charakteristik unvergleichlich ansprechender als moderne Instrumente sind -, zeigte sich das vokale Oktett von absoluter Intonationssicherheit, ob als Chor, solistisch oder in vielfältigen Ensemblekonstellationen. Hier war ein selten homogener Klangkörper zu hören, der trotz komplexer Stimmverflechtungen und bisweilen virtuos mäandernder Linienverläufe stets eine geradezu perfekte Ensemblebalance zu wahren vermochte. Sowohl in begleiteten Passagen als auch a cappella. Besonders beeindruckte das Vokalensemble in der nachdrücklichen textlichen Ausdeutung, die mit prägnanter Differenzierung geradezu als klangmalerisch bezeichnet werden kann.

Das Instrumentalensemble brillierte indes vor allem in drei rein instrumentalen Einschüben: von Cavalli eine Sonata, von Gabrieli eine Sonata und eine Canzona. Besonders reizvoll dabei die Bildung von zwei farblich unterschiedenen Gruppen, die mit dichtem Dialogisieren und bisweilen räumlich wirkenden Echoeffekten fesselnde Entwicklungen nachzeichneten. Der lang anhaltende, begeisterte Applaus bestätigte die ungemein ansprechende Wirkung der Darbietung.

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