Tutzing:Warten auf den letzten Schub

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Der Einbau einer neuen Unterführung bereitet Probleme. Darum verzögert sich die Freigabe der Strecke.

Andrea Eibl

Tutzing- Der Nebel hat sich noch nicht ganz verzogen, schon stehen etwa 20 Zuschauer entlang des rot-weißen Absperrbandes, das die Baustelle einzäunt. Es ist noch nicht einmal acht Uhr morgens und trotzdem warten die Schaulustigen gespannt auf den Moment, in dem sich die neue Brücke der Lindemann-Unterführung in Tutzing weiter bewegt. Obwohl es so früh am Morgen ist, ist die Stimmung ausgelassen und die Passanten fragen scherzhaft, ob sie mit anschieben sollen. "Schon die ganze Nacht kommen immer wieder neugierige Anwohner und schauen uns bei der Arbeit zu", berichtet Gerald Morak, Projektleiter der Bahn und Verantwortlicher für den Neubau der Tutzinger Unterführung.

Einschub aufgeschoben: Erst muss der feuchte Boden mit Kies aufgeschüttet werden, dann kann die Brücke eingeschoben werden. Foto: Fuchs (Foto: STA Franz X. Fuchs)

Nachdem die alte Brücke bereits Donnerstagnacht abgebrochen worden ist, sollte in der Nacht zum Samstag die neue mit Hilfe der Fluidts-Methode des Kran-Unternehmens Konecranes eingeschoben werden. Seit 4.30 Uhr wird die Brücke mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Minute in Richtung der Gleise verschoben - doch im Moment steht sie still. Die Arbeiter ziehen mit Hilfe eines Krans einen Teil der Verschubbahn wieder aus dem Boden. "Es gab Komplikationen, weil der Boden zu feucht ist", erklärt Morak. Nun müsse der Untergrund erst mit Kies aufgeschüttet werden, bevor mit dem Verschub fortgefahren werden kann. Ein Blick von den Gleisen hinunter auf die Baustelle offenbart die sechs Meter breite Lücke, die noch zwischen der Brücke und den Schienen klafft. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die Brücke in der Endlage steht und die Gleislücke geschlossen wird.

So bleibt der Streckenabschnitt zwischen Tutzing und Weilheim sowie Kochel, der eigentlich am Dienstag freigegeben werden sollte, weiter für den Zugverkehr gesperrt, teilt die Bahn mit. Ersatzweise werden Busse eingesetzt. Die Abfahrtzeiten der Regionalzüge verschieben sich. So fährt zum Beispiel der Zug nach Garmisch-Partenkirchen eine halbe Stunde früher am Münchner Hauptbahnhof, um den Bus in Tutzing zu erreichen. Die Bahn und das staatliche Bauamt Weilheim, die das Projekt gemeinsam stemmen, hoffen darauf, die Arbeiten in dieser Woche vollenden zu können. Doch noch steht jeder der zwei Brückenpfeiler in einem etwa zehn Meter tiefen Graben, in denen orangefarbene Verschubbahnen verlegt wurden. Auf ihnen befinden sich zylinderförmige Aufsätze, die die Brücke anheben und 20 Meter tragen sollten. Befindet sich die Brücke in der Endlage, wird mit dem Hinterfüllen begonnen. Mit einem gut verdichtbaren Material werden die Gräben zugeschüttet, bevor das Gleisbett wieder aufgefüllt und die Schienen verschweißt werden können. Am Ende soll die Unterführung laut Projektleiter Gerald Morak die nächsten hundert Jahre standhalten. "Das ist die übliche Lebenszeit einer Brücke, bevor sie abgängig wird", erklärt er.

Auch die alte Lindemann-Unterführung hatte dieses Alter erreicht. Die neue Brücke soll höher und breiter werden; sie ist über viereinhalb Meter hoch und 1700 Tonnen schwer. Wie ein Riese steht sie in der Morgendämmerung und wartet auf den letzten Schub.

© SZ vom 10.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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