Tutzing:Malende Botschafterin

Tutzing Pol.Akademie, Ausstellung Gloria Gans

Gans vor dem Bild "Wir, die Kinder von Agbogbloshie".

(Foto: Georgine Treybal; .)

Gloria Gans' Ausstellung "Fliehkräfte" in Tutzing

Von Anna-Elena Knerich, Tutzing

"Malen und Zeichnen lehrt Sehen: Wenn man in der Gesichtslandschaft eines Fremden spazieren geht, wird man mit ihm vertraut, ohne zu sprechen", lautet die Devise der Künstlerin Gloria Gans. Und tatsächlich hat man beim Betrachten ihrer großformatigen und farbintensiven Porträts von Flüchtlingskindern das Gefühl, deren Geschichten und Erlebnisse nachempfinden zu können - auch wenn sie der Künstlerin nie davon erzählt haben.

"Welcome I" heißt das Porträt eines Jungen in Violett- und Rosatönen, über dessen Gesicht sich eine Landkarte zieht. Neben seinem Mund steht "Afghanistan" und "Iran", auf der Stirn "Deutschland": die Route, die der minderjährige Flüchtling allein zurückgelegt hat, bis er in Deutschland ankam. Aus einem anderen "Welcome"-Porträt schaut einem mit traurigem Blick ein afrikanisches Kind entgegen; auf dem feuerroten Gemälde sind die Umrisse Gambias angedeutet, im oberen Bildrand ist das Meer zu sehen, welches das Kind von seiner Heimat trennt. In der rechten Bildecke ist ein weiteres Gesicht skizziert - naiv, stark stilisiert und eindimensional wirkt es fast wie eine afrikanische Maske. "Das Flüchtlingskind hat dieses Porträt meiner Tochter gezeichnet, ich habe es in mein Bild integriert", sagt die Künstlerin. Indem sie die eigenen Kinder in Beziehung mit den Flüchtlingen setzt, möchte sie an das Mitgefühl des Betrachters appellieren.

Seit über einem Jahr besucht Gans Kinder in Flüchtlingsheimen und malt mit ihnen - immer wieder tauchen in den Bildern der Flüchtlinge die Motive einer Flagge und eines blutenden Herzens auf, das von einem Dolch durchstoßen wurde. Gans wählt die Titel ihrer Bilder stets sorgfältig: "Welcome" und "Migrare" stellen Fluchtbewegungen dar. Doch es beschäftigen sie auch die Ursachen, die weltweit Fliehkräfte freigesetzt haben: Krieg, Verfolgung, Klimawandel und die ungleiche Verteilung von Geld und Ressourcen. Ein Bild zeigt zwei ghanaische Kinder, die auf einer Müllhalde kauern: In Agbogbloshie landet illegaler Elektromüll aus Europa, Kinder verbrennen die Plastikhülsen von Smartphones, um an die Edelmetalle zu kommen - dabei entstehen extrem giftige Gase. Ghana gilt als sicheres Herkunftsland, doch Gans fragt sich, wie arm Menschen sein müssen, dass ihre Kinder diese Arbeit tun? Sie sieht sich als Malerin in der Rolle, eine Botschaft zu vermitteln - dennoch sollen ihre Bilder in Rhythmus, Farbe, Struktur und Komposition auch sinnlich sein: "Thematisch ist die Ausstellung ernst, da wirken die strahlenden Farben vielleicht als Widerspruch", sagte sie in ihrer Eröffnungsrede. Doch die Kraft der Farben stelle die Energie der ankommenden Jugend dar, die als Chance für das alternde Europa zu begreifen sei.

Bis 5. August zu den Öffnungszeiten der Politischen Akademie Tutzing, wochentags 8 bis 17 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: