Tutzing:Im falschen Film

Gericht muss klären, wie es zu einem handfesten Streit kam

Der Angeklagte ist Taxi-Unternehmer und völlig außer sich. Sieben Tage die Woche sei er für die Allgemeinheit da. Tag und Nacht. Und jetzt das: Er soll einen Fahrgast krankenhausreif geschlagen haben. Diagnose: Nasenbeinfraktur. Wegen vorsätzlicher Körperverletzung hatte das Amtsgericht Starnberg den Taxler dafür zu einer Geldstrafe in Höhe von 6300 Euro verurteilt. Besonders bitter für den Unternehmer: Das Landratsamt verlängert seinen Taxischein wegen der Angelegenheit vorerst nicht.

Das aber wollte der Taxifahrer nicht auf sich sitzen lassen und legte deshalb an diesem Donnerstag vor dem Landgericht München II Berufung gegen das Urteil aus der ersten Instanz ein.

Kaum hatte die Verhandlung begonnen, standen der Angeklagte, sein Verteidiger, Rechtsanwalt Arnulf Kowalski, der Anwalt des Opfers, das als Nebenkläger auftritt, sowie Staatsanwältin Constanze Schneider vor dem Richtertisch. Rechtsanwalt Kowalski hat mit seinem Mandanten Fotos angefertigt. Die "Bilderserie" soll zeigen, was am 24. September 2014 kurz nach Mitternacht vor dem S-Bahnhof Tutzing geschehen sein soll.

Das spätere Opfer war ein Handelsvertreter aus Starnberg und hatte am Abend das Oktoberfest in München besucht. "Ich hatte sauber einen im Tee", räumte der 50-Jährige vor Gericht ein. Aus diesem Grund hatte es ihn auch nach Tutzing verschlagen. Den S-Bahn-Stopp in Starnberg hatte er nämlich verpasst. In Tutzing angekommen, habe er sich gesagt, "und jetzt nichts wie heim." Doch daraus wurde nichts.

Der Handelsvertreter behauptet, er habe sich in das Taxi des Angeklagten gesetzt, worauf es zu einer Diskussion gekommen sei. Er habe wieder aussteigen müssen, so der 50-Jährige. Warum, wisse er nicht. "Dann habe ich eine geschossen gekriegt", berichtete der Zeuge. Er habe "tierisch geblutet". Der Angeklagte habe ihn angeschrien: "Komm halt her, komm halt her." Der Handelsvertreter, der früher einmal Karate betrieb, rief stattdessen die Polizei und ließ sich in ein Krankenhaus bringen. An den genauen Ablauf der Auseinandersetzung könne er sich aber wegen seines "Riesenrausches" nicht mehr erinnern, räumte der 50-Jährige.

"Das kann nicht sein", schnaubte der Taxifahrer. Da komme einer her "besoffen wie die Schellen Sau, greift mich an und erklärt hier nun vor Gericht: "Ich war auf der Wiesn und weiß nichts mehr." In der Version des Taxiunternehmers ist der Handelsvertreter der Übeltäter. Der 50-Jährige soll sich auf dem Bahnhofsvorplatz zunächst mit vier jungen Leuten aus der Slowakei gestritten haben. "Der war voller Adrenalin", behauptete der Taxler. Als einer der Slowaken mit der Hand in das Taxi griff, in dem der Handelsvertreter gesessen haben soll, sei plötzlich die Tür aufgeflogen und der 50-Jährige sei mit "Boxbewegungen" auf den jungen Mann losgegangen sein. Daraufhin, so der Angeklagte, habe er den Vertreter aufgefordert, "ein bissl vom Gas" runterzugehen. Diese Ermahnung soll dem Wiesngänger aber übel aufgestoßen sein. Nach dem Austausch einiger Verbalinjurien sei dieser schließlich auf ihn los. "Dann habe ich ihn mit zwei Fäusten abgewehrt und er ist rückwärts umgefallen", schilderte der Angeklagte den Streit und fügte hinzu: "Ich bin kein Boxer." Angesichtes zweier völlig verschiedener Versionen konstatierte Richterin Sabine Klemt: "Irgendeiner war da in einem anderen Film."

Dieser Film wird eine Fortsetzung vor dem Landgericht München II haben. Der Verteidiger des Taxi-Fahrers will die jungen Leute aus der Slowakei als Zeugen vernehmen. "Das wird eine Menge Kosten produzieren", sagte Richterin Klemt. Und Staatsanwältin Schneider kündigte dem Taxler an, sollte sich bestätigen, dass er zugeschlagen habe, werde sie eine Verurteilung zu einer noch weit höheren Geldstrafe fordern.

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