Der Falkner und sein Vogel:Herr Zangerl greift an

Mit einem trainierten Habicht vertreibt Falknermeister Peter Stich aus Traubing Krähen. Auch gegen die Kaninchenplage im Hirschgarten oder im Olympiapark werden die Raubvögel eingesetzt. Zur Belohnung gibt es Eintagsküken

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Wenn Bauern schwarz sehen, weil Krähenschwärme ihre Silos belagern und Ballen aufhacken, dann rufen sie Peter Stich zur Hilfe. Der ehemalige Traubinger Revierförster rückt dann umgehend mit einem seiner Raubvögel aus. Im Auto pirscht er sich bis auf 30 Meter an die Krähen heran. Aus dem Fenster schleudert er "Herr Zangerl". Der zweijährige Habicht entfaltet seine beeindruckenden Flügel auf gut einen Meter und stürzt sich mit solcher Vehemenz auf die überrumpelten Krähen, dass die das Weite suchen. Zumindest für eine Weile. "Wirklich vergrämen lassen sich die schlauen Sauviecher nicht", brummelt Stich nicht ohne Respekt.

Nachhaltiger läuft die Jagd des erfahrenen Falkners auf Kaninchen. Auf Geheiß des Münchner Kreisverwaltungsreferats rückt Stich an, wenn die Plage - massive Löcher zum Beispiel oder Fraßschäden - in Hirschgarten oder Olympiapark überhand nimmt. Dann schickt Stich erst ein Frettchen in den Bau. Das stöbert die Kaninchen auf. Sobald ein Tier aus dem Bau kommt, greift der Habicht zu und hält es fest. Stich vollendet das tödliche Werk mit einem speziellen Falknermesser.

Falkner Peter Stich mit Greifvogel

Ein Wüstenbussard spreizt sein Gefieder. Auf dem Lederhandschu zu sitzen, muss der Greifvogel erst lernen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Bevor Stich einen Greifvogel zur Jagd einsetzen kann, muss er ihn mindestens ein Jahr lang behutsam abrichten. "Sie können einen Beizvogel nicht bestrafen. Der Vogel merkt es, wenn Sie ungeduldig oder wütend sind", erklärt er die besondere Herausforderung bei der Arbeit mit den Wildvögeln. Jeden Fehler mache nicht der Vogel, sondern der Falkner. Wie vor wenigen Wochen, als Stich aus Versehen einen Habicht so erschreckt hatte, dass der samt der Langfessel davon flog. Am Traubinger Pfarrgarten verhedderte sich der Vogel schließlich hoch oben an einer Fernsehantenne. "Mehr als 15 Minuten kopfüber, und der wäre hin gewesen", befürchtete Stich. Zum Glück konnte die Tutzinger Feuerwehr den verunglückten Habicht noch rechtzeitig mit der Drehleiter bergen. So sei die Falknerei auch eine Persönlichkeitsschulung. Abgesehen davon, dass auch jeder Vogel seinen eigenen Charakter habe. Stich spricht geradezu liebevoll von "Frau Bachmann": "Ein guter Jäger. Sie war mir nach vielen Jahren richtig ans Herz gewachsen."

Täglich trainiert Peter Stich jetzt mit "Herr Zangerl" und einem noch jungen, namenlosen Wüstenbussard, bindet sie morgens im Garten seines Traubinger Hauses mit einer Langfessel am Sprenkel, einem Befestigungsring an. Er gewöhnt sie zunächst an die Anbindevorrichtung und das Balancieren auf seiner Hand im Lederhandschuh. Mit geübtem Griff stülpt er ihnen eine Ledermaske über den Kopf, wenn sie transportiert werden sollen. Zur Belohnung gibt es ein Eintagsküken. Die Küken sind auch die Grundnahrung der insgesamt elf Greifvögel, die Stich momentan in einer großen Voliere hält. Um sie satt zu bekommen, bestellt er schockgefrostete Hähnchenküken im 7000er-Pack von einer Großbrüterei und lagert sie in drei Tiefkühltruhen ein.

Falkner Peter Stich mit Greifvogel

Tutzing Traubing Falkner Peter Stich, hier mit einem jungen männlichen Habicht.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Seit 30 Jahren widmet sich der Tutzinger CSU-Gemeinderat und ehemalige Vize-Bürgermeister Stich intensiv der hohen Kunst der Falknerei. Die genoss im Mittealter an europäischen Höfen höchstes Ansehen. Das Falkenbuch von Kaiser Friedrich II. aus dem 13. Jahrhundert "Von der Kunst zu beizen" in lateinischer Sprache und mit hervorragenden Abbildungen versehen blieb bis in die Neuzeit ein Standardwerk über die Beizjagd. Heute ist die Falknerei vor allem im arabischen Raum beliebt, Vögel und edel verziertes Zubehör gelten dort als Statussymbol.

Stich widerspricht allerdings Gerüchten über horrende Summen, die angeblich für einen Vogel bezahlt würden. "100 000 Dollar oder Euro, das ist ein Schmarrn", sagt Stich, der im Lauf der Jahre selbst etwa 80 Beizvögel gezüchtet hat. Für die teuersten - etwa einen weißen Gerfalken aus Sibirien - müsse man vielleicht 10 000 bis 15 000 Euro hinblättern. Doch selbst ein Steinadler sei heute für 3000 bis 4000 Euro zu bekommen. Habichte, Harris Hawks (Wüstenbussarde) und Wanderfalken kosteten vielleicht 600 bis 2500 Euro. Gerade die Wanderfalken haben sich Stich zufolge in Deutschland wieder enorm vermehrt, vor allem seit das Insektizid DDT verboten worden sei: "Die brüten ja heute an Kühltürmen, Hochhäusern und Kirchentürmen."

Stich hat als Falknermeister inzwischen sechs Falkner ausgebildet. Im Landkreis Starnberg weiß er allerdings nur von einer weiteren aktiven Kollegin. Für den 69-Jährigen ist die Falknerei längst eine Passion. So nimmt er auf seine Urlaube meist eher seine Vögel als seine Familie mit. Als Mitglied im Deutschen Falkenorden und Österreichischem Falknerbund trifft er sich mit Falknerfreunden gern zur Niederwildjagd. Gemeinsam reiste man unter anderem schon mehrfach nach Italien und Schottland. Ein präparierter Schneehase in Stichs Büro zeugt neben vielen anderen Jagdtrophäen von der Beizjagd in den Highlands.

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