Tutzing:Entschlossene Wurschtigkeit

Die vier Musiker von Kofelgschroa wollten nicht unbedingt Karriere machen, haben es aber doch getan - und das sehr zurecht. Sind sie doch kauzig und musikalisch zugleich.

Armin Greune

Kofelgschroa im Tutzinger Keller

Leicht angeschrägte Harmonie: Kofelgschroas mehrstimmiger Gesang erwies sich in Tutzing als viel wohlklingender, als der Bandname suggeriert. arm/Foto:

(Foto: STA Franz X. Fuchs)

Unter unbeschwertem Aufwachsen stellt man sich etwas anderes vor: "Do hod's a Zeit gem, wo ma immer mehr koa Luschd mehr g'hobt hod", beschreibt Maximilian Pongratz die Stimmung daheim. Er ist in einem Ort groß geworden, wo der Sommer aus lauter Montagen bestehen kann und das Wochenende erst im Oktober anbricht: "Fünf Dog de Woch' der gleiche Lauf, i mecht aus mei'm Homschderradl 'raus" singen Kofelgschroa. Auch Matthias Meichelböck darf da mitsingen, obwohl er ja "Immigrant" aus Trauchgau ist und nicht passionsgeplagter Oberammergauer wie die anderen drei.

Angesichts der Kindheit und Jugend in einem derart problematischen Umfeld ist doch beachtlich, was aus Pongratz, Meichelböck und den Brüdern Martin und Michael von Mücke geworden ist. In Nachbarschaft von Hubert von Goisern, Haindling, Attwenger und La Brass Banda haben Kofelgschroa ihren ganz eigenen alpenmusikalischen Claim abgesteckt. Obwohl sie der eigenen Karriere mit demonstrativ entschlossener Wurschtigkeit gegenüberstehen, ist ihr Ruf weit über die Grenzen Bayerns hinaus bis zu begeisterten Schweizer und preussischen Kulturredakteuren gedrungen. Dass die Rufer vom Berge Kofel auch in der Heimat gehört werden, beweist Hans Well, der Michael für den Neustart der Biermösl Blosn rekrutierte. Und Micha Acher von The Notwist hat Kofelschroas Debutalbum produziert, das die Münchner Abendzeitung unlängst mit dem Stern des Jahres 2012 in der Kategorie "Neue Heimatklänge" ausgezeichnete - das Fachblatt Musikexpress verlieh der CD gleich fünf Sterne.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen, mit denen das Quartett im Tutzinger Keller empfangen wurde. Zu Beginn des Konzerts war spürbar, dass die originellen Klänge und kauzigen Texte für den größeren Teil des Publikums noch ungewohnt waren: Nach den Liedern entstand stets erst eine Pause, bevor der Beifall einsetzte. Doch am Ende des Konzerts lag der ganze brechend volle Saal "Kofelgschroa" zu Füßen: Mit ihrer enormen Musikalität und einem unwiderstehlichem Groove erzeugte die Band einen Sog, der jeden mitriss.

Meist sind Martin an der Tuba und Max am Akkordeon für das hypnotische rhythmische Grundgerüst zuständig, Michael und Matthias legen sich in sonorem Wohlklang mit Flügelhorn und Tenorhorn darüber. Ob "Sog ned", "Luise" oder "Wann I": Die Kompositionen mit ihren Wechseltakten und Mollakkorden entpuppen sich als wahre Ohrwürmer zwischen Blasmusik und Blues, Balkanpop und Rap. Gelegentlich greift Michael auch für ein rockiges Riff in die Saiten seiner betagten akustischen Gitarre, bevor etwa der Jodler "Jäh i di" anhebt. Selbst der ein- bis mehrstimmige Gesang - von der Kritik schon mal mit Krähenrufen am Ammergauer Hausberg Kofel verglichen - präsentiert sich in Tutzing mit seiner leicht angeschrägten Harmonie durchaus als Ohrenschmaus.

Dabei waren erst technische Probleme mit Gesangsanlage und Verstärker zu meistern - vier Stunden habe der Soundcheck gedauert, sagte Michael: "Die Tonmischer haben unter Einsatz ihres Lebens gearbeitet". So brummte die eine Box während des gesamten Konzerts leise missmutig vor sich hin, während die andere sich mittendrin in selbstmörderischer Absicht von der Bühne stürzte. Aber nicht einmal dieser kleine Unfall konnte an diesem Abend den Triumphzug von Kofelgschroa bremsen.

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