Tutzing:Einstimmung auf den Herbst

Tutzing, Ev. Akademie, Brahmstage

Mit Sinn für Dramatik (von links): Eduard Kutrowatz (Klavier), Helena Dearing (Sopran) und Iwona Sakowicz (Mezzosopran).

(Foto: Georgine Treybal)

Das Vokalquartett Wien präsentiert zum Auftakt der Brahmstage in Tutzing Lieder und Klaviermusik des Hamburger Komponisten und seines Vorbilds Franz Schubert

Von Patrizia Steipe, Tutzing

"Der graue Nebel tropft so still herab auf Feld und Wald und Heide, als ob der Himmel weinen will in übergroßem Leide." Schwermütig und sehnsuchtsvoll klang die Melodie durch den gut besuchten Konzertsaal der Evangelischen Akademie in Tutzing. Zum Auftakt der 18. Brahmstage trat das Vokalquartett Wien mit Brahms- und Schubertliedern auf. Der "Spätherbst" (Text: Hermann Allmers) aus den Vier Quartetten op. 92 von Brahms passte perfekt zu dem kühlen Herbstabend. Himmel und Wasser präsentierten sich grau in grau, und fast hätte man meinen können, dass sich Johannes Brahms bei seiner Komposition vom herbstlichen Starnberger See hatte inspirieren lassen. Allerdings hatte Brahms (1833 bis 1897) bekanntlich 1873 einen schönen Sommer in Tutzing verlebt.

Bei der Brahms-/Schubert-Soirée standen lyrische Lieder und Klavierstücke der beiden Komponisten im Mittelpunkt. Eduard Mörike, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe hatten die literarische Vorlage zu den Brahms-Liedern gegeben, die das Vokalquartett für das Auftaktkonzert ausgewählt hatte. In den für die damalige Zeit besonders beliebten Duetten und Quartetten hatte Brahms die verklärenden Worte aufgegriffen und in seine wohlklingenden Melodien verwandelt, in denen sich das Sehnen und die Idealisierung der Gefühle widerspiegelten. Dramatisch und stimmgewaltig trug das Vokalquartett Wien die Lieder vor. Mit vielen Emotionen, bei denen das Zarte hinter sich Bahn brechende Gefühle zurücktrat, besangen die Musiker den Gefühlsüberschwang und die romantische Verklärtheit in Stücken wie "Die Boten der Liebe" oder "An die Heimat".

Pianist Eduard Kutrowatz reizte die dynamischen Möglichkeiten des Flügels besonders bei dem Klavierstück Es-Dur 946 Nr. 2 aus. Ein "Leitstück" von Brahms, das durch die Überwindung traditioneller Harmonien und klassischer Formen besonders gut die musikalische Romantik repräsentiert. Brahms hatte sich dem älteren Komponisten Franz Schubert (1797 bis 1829) zeitlebens sehr verbunden gefühlt. In seinen Jahren in Wien hatte sich Brahms sogar auf die Suchen nach Zeitzeugen gemacht, die ihm mehr über sein Vorbild berichten konnten. Das erfuhr das Tutzinger Publikum zwischen den Musikstücken von Helena Dearing (Sopran), Iwona Sakowicz (Mezzosopran), Clemens Kerschbaumer (Tenor) und Andreas Lebeda (Bass). Damals waren Hauskonzerte en vogue, bei denen romantische Duette, Terzette und Quartette vorgetragen wurden. "Senke, strahlender Gott, die Fluren dürsten nach erquickendem Tau, der Mensch verschmachtet, matter ziehen die Rosse, senke den Wagen hinab", so besang das Vokalquartett leidenschaftlich das von Brahms vertonte Schiller-Gedicht "Der Abend" und machte damit den mythologisch verbrämten Sonnenuntergang zu einem ergreifenden Ereignis. Besonderen Applaus gab es für das humoristische Dramulett "Der Hochzeitsbraten", bei dem vor allem Helena Dearing und Clemens Kerschbaumer schauspielerisches Talent bewiesen.

Im Rahmen des Brahmsfestivals gehen zum Sonntag, 25. Oktober, vier weitere Konzerte und eine Sonderveranstaltung über die Bühne. Einer der Höhepunkte: "Brahms meets Jazz" am Freitag, 16. Oktober, 20 Uhr, mit dem Jazz-Quartett Max Grosch und dem Diogenes Quartett in der Aula des Gymnasiums Tutzing.

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