Tutzing:Ein Koch, der Fußball spielt

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Fritz Häring besucht die äthiopische Gemeinde. Neue Folge von "Bayern isst bunt" am 3. Januar im TV

Von Otto Fritscher, Tutzing

"Es hat furchtbar eingeschlagen", erinnert sich Fritz Häring. Gut, dass der Wirt des "Tutzinger Midgardhauses" damit nur den Fußball meint, der hinter ihm im Netz zappelte. Als Torwart sei er halt nun mal nicht so versiert wie als Koch, sagt Häring und zuckt entschuldigend die Schultern. Doch für einige Szenen in der neuesten Folge von "Bayern ist bunt", die am kommenden Sonntag, 3. Januar, 19.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen gesendet wird, hat Häring die Kochkluft mit Turnhose und Sportschuhen getauscht, um mit Flüchtlingen aus Äthiopien, die in Holzkirchen gestrandet sind, Fußball zu spielen. "Als ich eingewechselt wurde, stand es 1:1, als das Spiel aus war, haben wir 1:6 verloren", sagt der Koch.

Fußball - das ist nämlich eine der besten Gelegenheiten, Flüchtlinge nicht nur zu beschäftigen, sondern auch zu integrieren. Und in der neuesten Folge der Multikulti-Sendung geht es nicht nur ums Kochen und die Kultur von Äthiopiern, die in München und Nürnberg zum Teil schon lange leben, sondern eben auch um Flüchtlinge, die vor kurzem in Bayern gestrandet sind. "Dieses Thema kann man bei einer Sendung, in der es um die kulturelle Vielfalt in Bayern geht, nicht einfach links liegen lassen", ist Häring überzeugt.

Und so hat er seine Fußballkameraden gefragt, warum sie nach Deutschland gekommen sind (zumeist der Armut in der Heimat wegen), und was sie hier erwarten (vor allem Arbeit). Er hat aber auch mit Äthiopiern, die in Bayern schon gut integriert sind, geredet und auch ein bisschen gekocht. Etwa mit Endale Mekuria, einem Rastafari, der in Nürnberg das Lokal "Shashamane" betreibt. Und der aus einem alten Lastwagen den ersten afrikanischen Food Truck bauen will, mit dem er dann von Veranstaltung zu Veranstaltung, von Konzert zu Festival etwa, touren kann.

Höhepunkt der intensiven Dreharbeiten im vergangenen September war aber das äthiopische Neujahrsfest, das in einer äthiopischen Kirche an der Riesstraße in München mit Weihrauch, Gesängen und "exotischen rituellen Handlungen", so steht es im Drehbuch, gefeiert wurde. Nach dem Gottesdienst gab es im Untergeschoss der Kirche äthiopisches Essen, ohne Besteck natürlich. Fleisch, Gemüse, Kräuter und andere Speisen werden in Hirsemaisfladen eingerollt und mit den Fingern gegessen. Und am nächsten Tag, nach dem Festmahl, nahm Häring dann an der Gemeindefeier zum Neujahrsfest teil, für das eine komplette Schulaula in eine "äthiopische Tempellandschaft" umgemodelt worden war. So hat es Häring empfunden, mehr will er noch nicht verraten.

2015 war das bislang intensivste Fernsehjahr für Fritz Häring. Nicht nur, dass auf ARD Alpha zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag und Heiligdreikönig (jeweils um 15.30 Uhr) acht Sendungen von "Bayern isst bunt" als Wiederholungen ausgestrahlt wurden und noch werden. "ARD Alpha ist ein Bildungskanal, und da sind wir drin", sagt Häring und es klingt ein bisschen stolz. Zudem stand Häring 2015 so oft vor der Kamera wie sonst noch in keinem Jahr zuvor. "Rund 20 Drehtage" schätzt der Tutzinger, war er am Set, insgesamt vier Sendungen hat er aufgenommen, von denen allerdings in diesen Tagen gerade mal eine einzige ausgestrahlt wird, eben "Bayern isst bunt" über die äthiopische Community in München und Nürnberg.

Gedreht, aber noch nicht nachvertont, sind Folgen über die Slowaken und Chinesen, mit denen Häring im Lauf des Jahres 2015 geredet, gekocht, gescherzt und ein paar Tage gelebt hat. Und dann ist da noch die 45-Minuten-Sendung mit dem Titel "Appetit auf Istanbul", die dritte Folge der Serie nach den Städteportraits von Jerusalem und Tel Aviv. "Da geht es nicht so viel um Kulinarik, sondern um das Lebensgefühl einer Stadt, aber auch um Politik", so Häring.

"Appetit auf . . ." hat sich zu einer veritablen Serie entwickelt, worauf Häring schon ein bisschen stolz ist. Eine Folge pro Jahr will das Bayerische Fernsehen drehen, die Zuschauerquoten lagen bisher deutlich über der magischen Zehn-Prozent-Grenze. "Im Ausland drehen, das ist schon sehr aufwendig und zeitintensiv", sagt Häring, der selbst sieben Tage in Istanbul verbracht hat. Und dort "einzigartige Sachen" erlebte, wie etwa die tanzenden Derwische, aber auch einen Großbäcker, der seine Angestellten wie Leibeigene behandelt und einen Rapper, der sich mit Staatspräsident Erdoğan anlegt. Doch der Sendetermin dafür steht noch nicht fest. "An einem Sonn- oder Feiertag, vielleicht Ostern", mutmaßt Häring. "Appetit auf Tel Aviv" hat indes das Interesse des Fernsehsenders der Deutschen Welle gefunden. Diese bringt die Reportage, synchronisiert in englischer und spanischer Sprache, am 28. Januar auf den Bildschirm.

16 verschiedene Nationen und Kulturen hat er im Verlauf der vier Staffeln von "Bayern isst bunt" bislang kennengelernt. "Das ist schon unglaublich, was ich da alles gesehen habe", sagt er. Schönes wie Erschreckendes. Und er hat geredet, in seinem bairischen Dialekt, oder in seinem "Omnibus-Englisch", wie er sagt, oder eben mit Händen und Füßen; aber immer, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, wie man so sagt in Bayern. Auch unbequeme Fragen hat er gestellt, zum Beispiel der Frau eines ultraorthodoxen Juden, ob sie die Pille nimmt. Dafür wäre er fast aus der Wohnung geflogen.

Koch Fritz Häring im Kreise der äthiopischen Fußballer, die auch in der neuen Folge von "Bayern isst bunt" vorkommen. (Foto: Stefan Zanev/Bayerischer Rundfunk)

Und er war dabei, als Muslime ein Lamm schächteten, ohne Vorwarnung für ihn. "Als Koch hat man schon mit Fleisch zu tun, und da bin ich nicht zimperlich, aber als der Mann da plötzlich den Kopf des Lamms in der Hand hielt, da war ich erschrocken und betroffen. Und dann halten die mir ausgerechnet in solchen Momenten das Mikrofon vor den Mund - und ich sage, was ich gerade empfinde", erinnert sich Häring. Das sind die Momente, in denen "Bayern isst bunt" am authentischsten ist. Und solche Situationen gibt es in jeder Folge zwei oder drei, dass Häring überraschend etwas beschreiben, seine spontane Befindlichkeit ausdrücken muss.

Wenn er die Wahl hätte, bei welchem Volk würde er leben wollen, wenn er seine geliebte Heimat am Starnberger See aufgeben müsste, in dem er sommers täglich schwimmt? Häring überlegt. "Das ist nicht einfach", sagt er, entscheidet sich dann aber für die Äthiopier. Warum? "Entspannte Leute, der Ursprung der Rastafaris, ein unglaublich vielseitiges Land." Aber auch die Uiguren, die Häring, wenn er beim Erzählen so richtig in Fahrt ist, als "Uriguren" bezeichnet, haben ihn beeindruckt. "Erdige Menschen, fast wie Bären", sagt er. Am wenigsten könnte er sich vorstellen, bei ultraorthodoxen Juden zu leben.

Doch jetzt bald dann, nach Heiligdreikönig, wenn das Midgardhaus für zwei Monate schließt, zieht es Häring mit seiner Frau Marlis erst mal in den Süden. "Lesen, abschalten - und dann hier wieder mit Vollgas an die Arbeit", sagt Häring. Sei es in der Küche oder vor der Kamera. Nur das mit dem Fußballspielen, das muss er wohl noch ein bisschen üben.

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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