Tutzing:Die Kraft der hundert Stimmen

Tutzing St.Joseph, Chorkonzert

Starker Auftritt: der Philharmonische Chor Beseda brnênská aus Brünn in der St-Joseph-Kirche.

(Foto: Georgine Treybal)

Der Brünner Philharmonische- und der Chor der Christuskirche München begeistern ihr Publikum in Tutzing mit Klangfülle und mit stark differenzierter Gestaltung

Von Reinhard Palmer, Tutzing

Das Vokalensemble der Christuskirche München ist der älteste evangelische Kirchenchor Münchens. Es gibt ihn seit 111 Jahren, und das Jubiläum machte dieses Jahr zu einem ganz besonderen im Programm der Sänger. Der Partnerchor, der Philharmonische Chor Beseda brnênská aus dem tschechischen Brünn, machte seine Aufwartung. Und die Sänger gaben zwei gemeinsame Konzerte unter der Leitung von Petr Kolař und Andreas Hantke.

Um Freundschaften zu pflegen, ist Chorgesang ein geradezu ideales Instrument, ist doch die soziale Komponente hier per se gegeben. Sich so intensiv zu begegnen, um gemeinsam zum Wohlklang, zur hörbaren Harmonie zu finden, schweißt Menschen schnell und extrem zusammen. Unter diesem Zeichen stand zweifelsohne das Konzert in der St.-Joseph-Kirche in Tutzing, das in der Reihe "Sommerserenade - klingender Sommerabend" am Vorabend des Konzerts in München stattfand.

Musikalisch gesehen profitiert ein solches Chortreffen nicht nur vom gegenseitigen Ansporn und von praktischen Anregungen, sondern auch von der Möglichkeit, mal die etwa jeweils 50 Stimmen starken Klangkörper zu einem gewaltigen Stimmapparat zusammenzuschließen. Möglich machte es vor allem die Qualität beider Chöre, insbesondere die Präzision im Ensemblegesang, die stimmliche Gewandtheit der Choristen sowie nicht zuletzt die klare sprachliche Artikulation, sodass trotz hoher Sängerzahl und kurzer Vorbereitungszeit ein präziser, homogener Chor zustande kam. Mendelssohns 98. Psalm "Jauchzet dem Herrn alle Welt" op. 91 und zum Schluss das "Sure on this shining night", eine popmusikalisch gefärbte, stark emotional geformte Ballade von Morten Lauridsen (geborten 1943), einem US-Amerikaners dänischer Abstammung , hatten die Ehre, mit der Kraft von etwa 100 Stimmen zu erschallen. Mendelssohns achtstimmigen Chorsatz mit strahlenden, triumphalen Höhepunkten, andererseits auch mit schön ausbalancierten Rücknahmen in dieser Chorstärke zu erleben, war ein nicht minder emotionales Erlebnis, das starken atmosphärischen Eindruck hinterließ.

Im getrennten Vortrag der Chöre offenbarten sich aber auch deutliche Eigenheiten, die schon im Dirigat der musikalischen Leiter sichtbar Form annahmen. Während die Tschechen unter dem plastisch modellierenden Kolař eher die satte Klangfülle im großen Freiraum der Dynamik nach oben hin fokussierten, strebten die Münchner unter Hantkes geradezu symphonischen Dirigat nach einer stärker differenzierten Gestaltung insbesondere in den Rücknahmen mit Hang zur kammermusikalischen Zurückhaltung. Was sich letztendlich auch im Repertoire niederschlug. So erklang etwa die geistliche Chormusik "Die Himmel erzählen die Ehre Gottes" von Schütz trotz der Komplexität im Satz klar und transparent. Deutlich manifestierte sich die Feinarbeit im lyrisch-elegischen Nachtlied Regers mit feinsten Reibungen, hymnischen Ausbrüchen und effektvollen Wendungen.

Gesangswerke tschechischer Komponisten in der Originalsprache zu hören, war ein weiterer Höhepunkt im Programm. Auch wenn im Publikum wohl kaum jemand die Texte verstand, konnten die "Fünf Klänge aus Mähren" (Bearbeitung von Janáček) von der Besonderheit der tschechischen Sprache in Rhythmik und Melodik profitieren, zumal geknüpft an eine erzählerische Gestaltung im folkloristischen Sinne. Das sorgte für reiche Farbigkeit zwischen heiterer Beschwingtheit, getrübter Melancholie und lyrisch-romantischer Schönmelodik. Ähnlich auch in den "Sechs Hochwalder Liedern" (Ukvalské písnê) Janáčeks, die insgesamt kraftvoller daherkamen und auch hymnische Größe einschlossen.

Dieses Fest der Chormusik zwischen sakraler und profaner Musik, zwischen Renaissance und Gegenwart, zwischen ernsthaften und humorvollen Inhalten hatte durchweg eines gemeinsam: die anspruchsvolle Ausführung, die das Publikum hörbar begeisterte.

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