Tutzing:Das bio-grüne Männchen

Lesezeit: 2 min

Für tiefschürfende Überlegungen hat der Marsianer keine Zeit, er muss operieren und das ist streckenweise sehr witzig. (Foto: Georgine Treybal)

Das vorgezogene Open-Air im Südbad Tutzing beginnt mit dem stark geerdeten Science-Fiction "Der Marsianer" von Alien-Regisseur Ridley Scott

Von Gerhard Summer, Tuzting

Vielleicht ist es ganz gut in diesen schrecklichen Zeiten, dass es freundliche Utopien gibt wie diese: China hilft der NASA uneigennützig mit einer Rakete aus, und die ganze Nation steht mehr oder minder zusammen, um den zurückgelassenen amerikanischen Astronauten Mark Watney wieder vom Mars herunterzuholen. Was letztlich nur gelingt, weil Klebeband auch bei minus 60 Grad hält, Watney durch und durch Optimistist ist und ein Astrodynamiker eine geniale Idee hat. Am Ende bricht Jubel aus auf dem Times Square in New York, wo Hunderttausende auf gute Nachrichten warten.

Ridley Scotts "Der Marsianer - Rettet Mark Watney", mit dem die Open-Airs in Tutzing eine knappe Woche vor dem offiziellen Start des Fünfseen-Filmfestivals ihren Anfang nahmen, ist mit Matt Daman, Jeff Daniels, Sean Bean, Jessica Chastain und Chiwitel Ejiofor glänzend besetzt und zugleich ein Low-Tech-Science-Fiction. Was zunächst einmal kein Fehler sein muss. Es gibt also weder Angriffe schleimig fieser Aliens, die man dem Regisseur durchaus zutrauen könnte, noch gigantische Bilder wie bei "Gravity". Von den Wurmloch-Theorien a la "Interstallar" hält Scott weiten Abstand, Dramatik wie bei "Apollo 13" mag auch nicht aufkommen. Einzig das Raumschiff "Hermes" erinnert an "Krieg der Sterne"-Ästhetik. Der "Marsianer" spielt nämlich in einer sehr nahen Zukunft und ist regelrecht geerdet: eine moderne, freilich nicht immer logische Robinson-Crusoe-Geschichte mit dem bio-grünen Männchen Watney, die dem amerikanischen Pioniergeist huldigt und gelegentlich als Baumarkt-Werbung durchgehen könnte. Denn Scott zeigt: Es sind die kleinen Basteleien und irrwitzigen Einfälle, die den Menschen voranbringen. So mistet Watney eine zu schwere Rakete zu den Klängen von ABBAS "Waterloo" aus und rast mit einer Abdeckplane ins All, die als Ersatz für die viel zu massive Bugplatte dienen soll. Wird schon halten.

"Der Marsianer" beginnt dramatisch mit einem Sandsturm, danach ist scheinbar erst mal die Luft raus. Aber das täuscht ein wenig. Klar, das Videotagebuch, das Watney führt, ist nicht allzu spannend. Der Biologe und kleine Sonnenschein Watney hat keine Zeit für tiefschürfende Überlegungen oder Gefühlsausbrüche. Während andere Astronauten in Depressionen verfallen oder an Suizid denken könnten, operiert er sich tapfer einen Antennenstab raus, der ihm bei dem Inferno in den Bauch gefahren ist und nicht ganz zufällig wie ein Indianerpfeil aussieht. Dann geht er daran, den Mars zu kolonisieren, indem er mit Scheiße und Marsstaub Bio-Kartoffeln anbaut. Oder er saust mit dem Rover durch die Gegend und hört die Discokracher aus den Achtzigerjahren. Das ist dann schon ganz lustig: Watney birgt radioaktives Material, um daraus eine Heizung zu bauen, und Donna Summer singt "Hot Stuff". Trotzdem ziehen sich die Szenen ein wenig hin, genauso wie die Parallelhandlung auf der Erde, auch wenn dabei klar wird, dass die NASA eine Behörde ist und ihren Boss Teddy Sanders die Furcht vor einem Shitstorm antreibt.

Zeitweise könnte man den Eindruck haben, Scott zeige Zelteln auf dem Mars, so einladend und wie ein übers Land gestreuter Grand Canyon sieht der Planet aus, besonders nachts, wenn der rauchige Himmel blau ist und von Sternen übersät. Aber das täuscht. Und spätestens, wenn die Wohnkuppel des Astronauten in die Luft fliegt und ein von Stürzen und Explosionen am ganzen Körper gezeichneter Watney aus der Dusche steigt, ist klar, wie sehr diese Idylle trügt.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: