Engagierte Augstein:Auszeichnung für das Anderssein

Tutzing: Sabine Augstein

Die "gewordene Frau" Maria Sabine Augstein kämpft seit Jahren für Schwule und Lesben.

(Foto: Nila Thiel)

Die Tutzingerin Maria Sabine Augstein erhält an diesem Freitag das Bundesverdienstkreuz. Als Juristin engagiert sie sich seit Jahren für die Rechte von homosexuellen und transsexuellen Menschen

Von Manuela Warkocz, Tutzing

Ja, sie freue sich sehr auf diesen Freitag im Bayerischen Sozialministerium und die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, sagt Maria Sabine Augstein im Garten ihres Tutzinger Anwesens. Dass der Bundespräsident ihr Engagement für die Rechte von homosexuellen und transsexuellen Menschen auszeichnet - sie erstritt unter anderem die gesetzliche Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe vor dem Bundesverfassungsgericht -, erfüllt die Juristin auch mit Genugtuung. Denn die 65-Jährige erinnert sich noch gut, wie man ihr entgegenschleuderte "Sowas wie dich hätt' ma unterm Hitler vergast". Von Beleidigungen, Unverständnis und Diskriminierungen hat sich die Frau nicht von ihrem Weg abbringen lassen, der für sie als Junge begonnen hatte und den sie heute als transsexuelle Lesbe selbstbewusst geht.

Geboren wurde sie 1949 als ältestes Kind von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein und seiner ersten Ehefrau, der Journalistin Lore Ostermann. Schon kurz nach ihrer Geburt trennen sich die Eltern. Die Mutter ist bald überfordert. "Das Anderssein war mir auf die Stirn geschrieben. Damit kam sie nicht klar", erklärt Maria Sabine Augstein ihren schwierigen Start ins Leben. Sie wächst in der Familie von Augsteins Schwester Anneliese in Hannover auf. Der Onkel ist Jurist, ebenso zwei Vettern. Das prägt sie. Auch das Selbstbewusstsein, das man ihr dort vermittelt. Als sie gleich am ersten Schultag verprügelt wird, bringt ihr der ältere Cousin Boxen bei, "damit ich mich gegen Jungs durchsetzen kann". Mit 16 weiß sie: "Ich fühle als lesbische Frau. Ich will eine Frau sein." Es dauert aber noch zwölf Jahre - Abitur, Jurastudium in München, Anwaltszulassung -, bis sie in Singapur ihre geschlechtsangleichende Operation vornehmen lassen kann. In Deutschland war das zu der Zeit noch völlig unmöglich. Und im Ausland eine äußerst teure Angelegenheit. Der Vater übernimmt die Kosten. Seitdem bezeichnet sie sich als "gewordene Frau", neugeboren als Maria Sabine. Sie legt Wert auf hübsche Kleidung - für die Feierstunde im Ministerium liegt ein schwarz-grünes Kleid bereit - und pocht auf korrekte weibliche Bezeichnungen. Als man sie auf ihre vier Hunde hin als "Hundefreund" anspricht, korrigiert sie umgehend, sie sei eine "HundefreundIN". Irritierend männlich wirkt ihre tiefe Stimme. "Die hat mir einiges vermasselt", ist sich Augstein sicher. Die Stimmbänder zu verkürzen galt aber früher als riskante Operation. Heute brauche sie das als "alte Frau" auch nicht mehr, wie sie kokettiert.

Andere Dinge sind der leidenschaftlichen Juristin wichtig: Transsexuelle als Anwältin zu beraten etwa. Sich im Lesben- und Schwulenverband zu engagieren. Die Ehe für alle durchzusetzen. Als "sensationell" bezeichnet sie das entsprechende neue Gesetz in den USA. Sie kämpft dafür, dass tausende Urteile nach dem Paragrafen 175 (Schwulenparagraf) aufgehoben werden. Und sie will für Schwule und Lesben in Deutschland die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption rechtlich verankern.

Für sie selbst kamen Kinder und eine Adoption nie in Frage: "Ich hatte immer genug mit mir selbst zu tun." Ihr Leben teilt sie seit 37 Jahren mit der Fotografin Inea Gukema-Augstein. Mit ihrer Frau lebt sie in dem Tutzinger Haus, das ihr der Vater Rudolf Augstein geschenkt hat. "Wäre schön, wenn der das noch mitbekommen hätte", sagt sie im Hinblick auf das Bundesverdienstkreuz.

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