Theater:Düsteres Familienbild

Gilching Gymnasium Theater

Elisabeth Rass verwandelt sich im Gilchinger Gymnasium als Helene Alving von der stolzen Frau in ein seelisches Wrack. Joachim Bauer spielt den bigotten Pastor Manders, der gegen seine unterdrückten Gefühle ankämpft.

(Foto: Georgine Treybal)

Regisseurin Ingrid Storz-Popp beweist bei der Besetzung von Ibsens "Gespenster" eine glückliche Hand. Das gesellschaftskritische Stück ist Teil der Gilchinger Kunst- und Kulturwoche, die noch bis Sonntag läuft

Von Patrizia Steipe, Gilching

Was zählt mehr? Das Streben nach Glück oder das Streben nach gesellschaftlicher Ordnung? Und was ist, wenn Gesetz und Ordnung zwar nach außen hin gewahrt werden, sich beim näheren Betrachten jedoch als Lüge und Feigheit entpuppen? Wer ein Theaterstück von Henrik Ibsen (1828-1906) besucht, der weiß wohl schon im Vorfeld, dass es an die Substanz gehen wird, dass bürgerliche Moralvorstellungen zerpflückt werden. So auch bei "Gespenster". Das Theater im Kunstforum brachte das Stück im Rahmen der Gilchinger Kunst- und Kulturwoche auf die Bühne des Christoph-Probst-Gymnasiums.

Unter der Leitung von Ingrid Storz-Popp spielte das Ensemble das düstere gesellschaftskritische Stück. Die Regisseurin hatte eine glückliche Hand bei der Besetzung der Rollen. Elisabeth Rass brillierte als verhärmte Frau Alving. Um ihrer Pflicht als Ehefrau zu genügen, hat die Gutsherrin ihr Lebensglück geopfert. Trotzdem erhält sie dafür keinen Dank - im Gegenteil: Wenige Stunden bevor sie der Vergangenheit für immer abzuschütteln hofft, holen sie die Schatten ein. "Die Sünden der Väter rächen sich an den Kindern" zitiert Sohn Osvald. Allmählich verwandelt sich die anfangs stolze, starke Frau in ein von Gefühlen übermanntes seelisches Wrack - diese Veränderung gelingt Rass dank intensiver Gestik und Mimik hervorragend. Der bigotte und reaktionäre Pastor Manders (Joachim Bauer) belügt sich gefangen im eigenen Wertekanon selbst. Je mehr das erkennbar wird, umso heftiger kämpft er dagegen an. Mit hochrotem Kopf und geballten Fäusten setzt Bauer die unterdrückten Gefühle des Gottesmannes geschickt in Szene.

Und dann gibt es noch das junge Paar. Osvald Alving ist nur auf den ersten Blick ein lebensfroher Bohemien. Seine Freiheitsliebe und die Ablehnung der strengen Konventionen täuschen anfangs darüber hinweg, dass auch er Gefangener eines verlogenen Familiensystems ist. Noch dazu leidet er an einer Krankheit, die ihm den Verstand raubt und die Mutter zur Sterbehelferin werden lässt. Lorraine Töpfer spielt das Hausmädchen Regine Engstrand überzeugend: Schnippisch, verführerisch und auf den eigenen Vorteil bedacht, versucht sie auf der Karriereleiter empor zu klettern und so der Enge der ländlichen Gesellschaft zu entfliehen. Und dann ist da noch Jacob Engstrand, gespielt von Götz Schuricke. Ein scheinbar gutmütiger, einfacher Arbeiter. Subtil blitzt bei Schuricke jedoch der korrupte Wesenszug hervor. Das Publikum bedachte die Inszenierung mit wohl verdientem Applaus.

Die Gilchinger Kunst- und Kulturwoche läuft noch bis zum Sonntag, 23. Oktober. Am Mittwoch, 19. Oktober, referiert Stefan Trinkl über altbayerische Dorfpfarrer, Beginn ist um 19 Uhr im TSV-Vereinsheim. "Bärendreck und Blasmusik" heißt es gleichzeitig im "Andechser 5" mit Mundartdichter Wolfgang Oppler. Zum Schnupperkurs Schuhplattln lädt das Guichinger Brauchtum um 19.30 Uhr ins Vereinsheim ein. Zeitgleich findet unter dem Motto "Inspirationen" ein Komponistenportrait über und mit dem Weßlinger Kammermusiker Graham Waterhouse statt. Im Kinderkino auf dem Abenteuerspielplatz ist um 16 Uhr ein Animationsfilm zu sehen, um 20 Uhr läuft "Toni Erdmann" in der Filmstation. Das Gesamtprogramm steht im Internet unter www.kulturwoche-gilching.de.

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