Tagebücher der besonderen Art:Heimatpolitik im weltweiten Netz

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Es gibt immer mehr Blogger und Facebook-Gruppen im Internet, die sich mit dem Geschehen und den Entscheidungen der Mandatsträger im Landkreis befassen - allerdings auf höchst unterschiedliche Weise

Von Peter Haacke, Starnberg

Nichts ist nerviger als Politik. Und nichts ist spannender. Vor allem dann, wenn sich entscheidende Dinge nicht etwa im abstrakten Raum, sondern unmittelbar vor der eigenen Haustür abspielen und damit persönliche Betroffenheit erzeugen bei Menschen, die ansonsten gar nichts mit Politik am Hut haben. Gleichwohl ist das heimatliche politische Geschehen mit der neuzeitlichen Errungenschaft des Internets nicht gerade überschaubarer geworden: Genügte Kommunalpolitikern sowie politisch Interessierten vor wenigen Jahren noch zur Meinungsbildung das aufmerksame Studium der Tageszeitungen für einen soliden Überblick, gibt es heutzutage dank Internet eine Vielzahl weiterer Informationsquellen, die helfen können, den eigenen polit-soziologischen Mikrokosmos neu zu ordnen. Neben - oftmals ungefilterter und häufig auch unreflektierter - Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken wie "Facebook" befassen sich zunehmend auch Blogschreiber mit kommunalpolitischen Inhalten. Allein in Starnberg gibt es drei Autoren, die sich kritisch mit dem politischen Geschehen in der Kreisstadt befassen.

Ein Blog ist ein auf einer Website geführtes, meist öffentlich einsehbares Tagebuch oder Journal, in dem eine Person, der Blogger, Aufzeichnungen führt, Sachverhalte protokolliert ("postet") oder seine Gedanken niederschreibt. Die meisten Blogschreiber im Landkreis Starnberg sind überwiegend Journalisten, journalistisch oder zumindest politisch Interessierte, die ihre Erkenntnisse digital publizieren. In Berg existiert schon seit Jahren der "QUH"-Blog als Auftritt der Gruppierung "Quer. Unabhängig. Heimatverbunden", der von Bergs Dritter Bürgermeisterin Elke Link und Gemeinderat Andreas Ammer teils unterhaltsam, teils informativ befeuert wird. Ebenfalls einen gewissen politischen Anspruch hegt die Homepage "Gilching-aktuell" von Uli Singer, oder die "Vorortnews" aus Tutzing, für die Lorenz Goslich verantwortlich zeichnet.

Wenn es um Starnberg geht, dürfte Thorsten Schülers Blog www.politik-starnberg.de der prominenteste sein. (Foto: SZ)

Eine besondere Situation herrscht in Starnberg: Hier buhlen neun Fraktionen um Aufmerksamkeit, jede Gruppierung pflegt ihren eigenen digitalen Auftritt. Dass es bei der wohlwollenden Darstellung in eigener Sache teilweise zu höchst eigenwilligen Interpretationen kommt, liegt in der Natur der Sache. Mit Politik befassen sich aber neben den Parteien, den Tageszeitungen und einem Anzeigenblatt auch zwei Blog-Schreiber sowie eine Vielzahl von engagierten "Facebook"-Gruppen.

Prominentester Blogger in Starnberg dürfte Thorsten Schüler sein: Unter www.politik-starnberg.de verfolgen bis zu 5000 Menschen monatlich das politische Geschehen in der Kreisstadt aus der Sicht von "Dr. Thosch". Seit 2014 - also seit Amtsübernahme von Bürgermeisterin Eva John - protokolliert er unter anderem akribisch Stadtratssitzungen, erläutert Hintergründe zu Tunnel und Umfahrung, greift Themen aus der Presse auf. Aus seiner politischen Nähe zur UWG macht er keinen Hehl, ist aber bemüht, seine persönliche Haltung gegenüber der Berichterstattung aus dem Stadtrat deutlich abzugrenzen.

Diese Unterscheidung fällt beim "lokales-aus-starnberg"-Blog um einiges schwerer. Urheberin dieses digitalen Tagebuchs ist die Journalistin Barbara Irlbauer. Sie interpretiert die "Geschehnisse in der Stadt Starnberg" aus ihrer ganz speziellen Perspektive. Zwar verspricht Irlbauer, "nach bestem Wissen und Gewissen neutral zu berichten", und auch eine "Vermischung von Bericht und Kommentar soll es bei mir nicht geben". Kritiker unterstellen ihr jedoch weiterhin eine ungetrübte ideologische Nähe zu WPS, FDP, BMS und Bürgermeisterin John. Dritte im Bunde der Starnberger Blog-Schreiber, die sich explizit mit Politik befassen, ist Erika Schalper: Die vielseitig begabte Kunst-Aktivistin, Kreisrätin und Ortsvorsitzende der Grünen beschreibt unter der Adresse www.erika-schalper.de als "Nachspiel" ihre eher subjektiv-launige Eindrücke von Stadtratssitzungen.

"Facebook" ist seit den Kommunalwahlen 2014 ein wahrer Tummelplatz für allerlei Meinungen; selbst Starnbergs Bürgermeisterin hat sich im "Gesichtsbuch" verewigt. Mehr politischen Gehalt verheißt die immerhin 1900 Mitglieder starke Gruppe "Starnberg schafft sich ab": Ursprünglich gegründet als Wahlkampfplattform verflachte die politische Debatte zuletzt jedoch zusehens, zumal man unliebsame und allzu kritische Kommentatoren aussperrte. Darunter ist etwa Peter Riemann, der als Reaktion auf seinen Rauswurf "Starnberg schafft sich ab - ehrlich" gründete. Hier dürften sich all jene aufgehoben fühlen, die ein ohnehin kritisches Verhältnis gegenüber der aktuellen Politik aus dem Starnberger Rathaus pflegen. Einen veritablen Gegenentwurf dazu liefern "Starnberg bleibt oben" und die "Bürgerinitiative Pro Umfahrung - Contra Amtstunnel", jüngste Mitglieder der großen Facebook-Familie. Beide Gruppierungen hoffen auf eine erfolgreiche Klage zugunsten eines Bürgerbegehrens zur Verhinderung des B2-Tunnels.

In Berg existiert schon seit Jahren der "QUH"-Blog als Auftritt der Gruppierung "Quer. Unabhängig. Heimatverbunden", der von Bergs Dritter Bürgermeisterin Elke Link und Gemeinderat Andreas Ammer befeuert wird. (Foto: Georgine Treybal)

Weniger politisch als vielmehr heimatverbunden geben sich die Gruppen "Starnberg" und "ThiPoSta", was "Think positive Starnberg" bedeutet. Der Anspruch dieser rund 1000 Mitglieder zählenden Community: "Nachdem es in Starnberg diverse Gruppierungen gibt, die nur das Negative in den Vordergrund stellen, soll diese Gruppe die guten Seiten von Starnberg beleuchten." Das klingt zunächst gut, hat jedoch einen Haken: Es handelt sich um eine geschlossene Gruppe. Wer die Beiträge lesen möchte, muss sich zuvor anmelden.

Fazit: Es gibt diverse Möglichkeiten, sich per Internet über Kommunalpolitik zu informieren. Allerdings ist dabei stets zu beachten, ob die jeweilige Quelle auch vertrauenswürdig ist, Fakten real und nachprüfbar sind und welche Interessen die jeweils Verantwortlichen haben. In jedem Fall kann Politik vor der eigenen Haustür auch sehr spannend sein.

© SZ vom 03.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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