Aufkirchen:Gefährlicher Pakt mit dem Teufel

Die Himmelmutter-Kapelle erinnert an eine Sage, wonach ein Knecht sein Leben ließ. Maria Ott kümmert sich um das Kirchlein.

Von Carolin Fries, Aufkirchen/Inning

Dass sich in dieser Gegend einst der Teufel herumgetrieben haben soll, mag man sich nicht vorstellen. Wie gemalt ziehen sich die Wiesen zwischen Aufhausen und Aufkirchen leicht hügelig dahin, die Sonne steht auch in den Wintermonaten hoch genug, um die Szenerie nahezu feierlich auszuleuchten. Vorndran, direkt an der Straße steht eine kleine Kapelle mit dem bezaubernden Namen Himmelmutter-Kapelle. Dicke Eiszapfen hängen vom Dach des Kirchleins, das erst 2010 errichtet wurde - nachdem sich Dorfbewohner zehn Jahre lang darum bemüht hatten. Dabei spielte der Standort der Kapelle eine besondere Rolle, denn eben hier stand über Jahrzehnte und Jahrhunderte bereits einmal eine Kapelle, bis diese 1957 abgebrochen wurde. Mit der Kirche verschwand damals nicht nur ein historischer Bau, sondern auch ein Stück der Ortsgeschichte, für deren Erhalt sich in den vergangenen Jahren insbesondere Michael Ott und seine Frau Maria einsetzten. Denn die Geschichte der Himmelmutter-Kapelle ist, zumindest ein Stück weit, auch die Geschichte vom Beginn ihrer Liebe.

Michael Ott ist 1940 in Aufhausen geboren und aufgewachsen. Schon als kleiner Bub musste er abends beim Lechnerhof immer die Milch holen. Dabei traf er erstmals auf seine spätere Frau Maria, die dort im Alter von 15 Jahren mit ihrer Mutter und zwei der insgesamt sieben Geschwister eine neue Bleibe fand. Der Vater war kurz zuvor gestorben. Im Lechnerhof jedenfalls hörten sie beide erstmals von der Sage, die sich vor vielen Jahren auf dem benachbarten Heimrathof, dem damals größten Bauernhof im Ort, ereignet haben soll. "Die Knechte dort mussten schon sehr früh aufstehen, und einer davon musste immer das Gsod schneiden für das Vieh", heißt es in der Aufzeichnung von Michael Ott. Gsod, ein Wort für Getreidereste, das heute kaum mehr jemand kennt. Die schwere Arbeit mit der Hand schildert Ott als sehr anstrengend, gab es noch keine Maschinen dafür. "Der Knecht fluchte jedesmal gotterbärmlich." Als er es eines Morgens gar zu arg trieb mit der Flucherei soll plötzlich ein Jäger vor ihm gestanden haben und ihm folgendes Angebot unterbreitet haben: "Ich schneide dir einen ganzen Winter lang das Gsod, aber wenn der Winter vorbei ist, gehört mir deine Seele." Der Knecht soll sofort eingewilligt haben. Dass der Teufel, die Flügel im Rucksack und die Hörner unter dem Hut versteckt, vor ihm stand, erkannte er nicht. "Mit seinem eigenen Blut unterschrieb er den Vertrag."

Im Frühjahr schließlich kam der Tag, zu dem der Knecht dem Teufel seine Seele versprochen hatte. Es war die Freinacht vor dem 1. Mai, der Knecht ging am Abend schon früh in seine Kammer, "ihm war wohl nicht mehr ganz wohl in seiner Haut", heißt es. In der Nacht soll über dem Starnberger See ein schweres Gewitter aufgezogen sein, ein fürchterlicher Sturm brauste, es blitzte und krachte. "Im hellen Schein eines Blitzes stand plötzlich der Teufel beim Knecht, packte ihn und flog mit ihm zum Fenster hinaus." Die Bäuerin, aufgeschreckt durch das schwere Gewitter, sah durch das Fenster, wie der Teufel mit dem Knecht in Richtung Aufkirchen flog. Voller Entsetzen soll sie sich bekreuzigt und gerufen haben "Himmemutta huif!" Die Legende besagt, dass der Teufel den Knecht daraufhin fallen ließ, man fand ihn am nächsten Tag tot und verkohlt am Boden neben der Straße. An dieser Stelle wurde zum Gedenken die Himmelmutter-Kapelle erbaut, die im Zuge der Entstehung der Aufhausener Siedlung verschwand.

Die Kapelle wieder aufzubauen, sagt Maria Ott, habe ihr Mann immer schon vorgehabt. Doch nie sei Zeit gewesen. Irgendwann war aber klar: Im Ruhestand würde er es anpacken. Und so kam es dann auch, wenngleich sich insbesondere die Baugenehmigung über viele Jahre hinzog. Im Gemeinderat herrschte Uneinigkeit darüber, ob der Platz an der Straße in der Nähe des Todesmarsch-Mahnmals dafür geeignet sei. Für Michael Ott kam kein anderer Platz in Frage: Hier hatte die Kapelle einst gestanden, hier sollte sie auch wieder errichtet werden. 2004 schließlich erteilte der Gemeinderat dem Vorhaben doch noch seine Zustimmung, drei Jahre später wurde der Grundstein gelegt. Viele Handwerker und Privatleute unterstützten die Familie Ott beim Wiederaufbau des Kirchleins, spendeten Geld oder Baumaterialien. Insgesamt 14 000 Euro sollte das Kirchlein letztlich kosten, das 2010 festlich eingeweiht wurde. Drei Jahre später starb Michael Ott. "Er hatte alles geschafft, was er sich vorgenommen hatte", sagt seine Frau. Die 76-Jährige bewahrt den Schlüssel zur Kapelle auf, die zu einem wahren Schmuckstück geworden ist. Bronzetafeln am Eingang ehren die Spender und Helfer, besonders aber die Deckenmalerei im Inneren ist ein Hingucker: Hier hat der Fassadenmaler Günther Wasmeier, Vater des berühmten Skirennläufers, die Aufhauser Sage in acht Szenen auf den Putz gemalt. Der Altar stammt aus der alten Höhenrainer Kirche, die Marienfigur hat ein Schnitzer aus Oberammergau auf Bestellung gemacht. Helle Locken fallen ihr über die Schulter. "Mein Mann wollte eine blonde Maria haben", sagt Maria Ott und lächelt. Nun, "seine" Maria war eben auch blond. Einmal im Jahr trifft sich die Dorfbevölkerung hier zur Marienandacht.

Den Heimrathof gibt es inzwischen nicht mehr, der Lechnerhof wurde zum Pferde-Hof, den Maria Otts Bruder betreibt. "Er ist nach wie vor meine zweite Heimat", sagt sie. Vieles hat sich getan, die größte Veränderung brachte wohl die Gebietsreform, die aus den Aufhausern Aufkirchner machte. "Tief in unserem Herzen werden wir immer Aufhauser bleiben", schreibt Maria Ott in einem kleinen, feinen Heft, welches die Geschichte der Kapelle erzählt. Diese stehe im Übrigen nach wie vor auf Aufhauser Gebiet. Maria Ott sagt das nicht ohne Stolz.

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