SZ-Serie "Lustwandeln":Malerisch

Lesezeit: 3 min

Das Kurparkschlösschen ist das meistfotografierte Motiv in Herrsching, es hatte ehemals dem Künstler Scheuermann als Sommerresidenz gedient. Seine ausschweifenden Feste waren legendär, heute hat die Gemeinde Probleme mit randalierenden Nachtschwärmern

Von Patrizia Steipe, Herrsching

Sie sind das Wahrzeichen Herrschings: das Kurparkschlösschen und der Kurpark am Ammersee. Mit seinen vielen Türmchen, mit Giebel und Erker, der Eingangsloggia mit den Säulen und dem malerischen Fachwerk ist das Schlösschen das wohl meistfotografierte Motiv in der Gemeinde. Auch unzählige Brautpaare haben sich hier das Jawort gegeben und lassen sich vor der malerischen Kulisse von Schloss und altem Park fotografieren. Im Grunde genommen ist das im Historismus errichtete Gebäude im Stil alter italienischer Adelspaläste gar kein Schloss. Deswegen passt sein anderer Name: "Scheuermann-Villa", eigentlich besser. Der Kunstmaler Ludwig Scheuermann hat 1888 die schöne Villa am Seeufer nach eigenen Plänen als Sommerresidenz errichten lassen.

Scheuermann (1859 bis 1911) stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie. Nach dem Studium an der Kunstakademie in München malte er erfolgreich Landschafts- und Genrebilder. Sein Ruhm hat die Jahrhunderte allerdings nicht überdauert. In Museen sucht man seine Bilder vergebens. Erst vor ein paar Jahren konnte die Gemeinde durch Zufall endlich einen echten Scheuermann erwerben. Mit Ende zwanzig erwarb der junge Maler als einer der ersten "Zuagroasten" das Grundstück am Ammersee. Damals hatte Herrsching gerade mal 350 Einwohner. Beschaulich war es hier, ganz im Gegensatz zum bereits damals begehrten Starnberg, wo eine Prunkvilla nach der anderen entstand. Die unberührte Natur hielt Scheuermann gerne auf Leinwand fest.

1 / 3
(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das Kurparkschlösschen mit seinem pittoresken Fachwerk ist im Grunde eine Villa, sie gehörte dem einst bekannten Landschaftsmaler Ludwig Scheuermann.

2 / 3
(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Im Kurpark wiederum sind regelmäßig Skulpturen zu sehen.

3 / 3
(Foto: Georgine Treybal)

Heute dient das Schlösschen Dichtern und Kabarettisten wie Anton G. Leitner...

...und Frank Astor als Bühne.

Der Maler Ludwig Scheuermann und seine Genrebilder - hier "Die Hauskapelle" von 1887 - sind heutzutage fast vergessen.

Die Villa errichtete Benedikt Rehm, ein Herrschinger Zimmerermeister, der gleichzeitig Bürgermeister war. Als Fundament diente ein Sockel aus großen Quadersteinen. Bei Hochwasser sollte dies vor Überschwemmung schützen. Natürlich ließ sich Scheuermann ein Atelier einbauen, der Park mit Gewächshaus, Obstgarten, dem Bootshaus und der Badehütte rundete das Ganze ab.

Scheuermann ließ es in seiner Sommerresidenz regelrecht krachen. Seine Künstlerfeste waren legendär. Die ganze Nacht über wurde gefeiert. Wenn seine Künstlergesellschaft aus München ins Bett ging, standen die hiesigen Bauern und Fischer gerade auf. Die sorglose Zeit währte nicht allzu lange. Ludwig Scheuermann starb 1911 an einem Herzleiden und wurde in Herrsching begraben.

Die Villa erbte Sohn Erich, ein passionierter Flieger. 1934 verkaufte er die Villa wegen ihrer hohen Unterhaltskosten an die Gemeinde Herrsching und bekam als Ausgleich die wenige Schritte entfernt liegende, nach Plänen von Roderich Fick entworfene Nachbildung von "Goethes Gartenhaus". Die Gemeinde öffnete damals den großen Park für die Bevölkerung. Das Haus selbst drohte zu verfallen. Im zweiten Weltkrieg diente es als Notunterkunft. Nach dem Krieg beherbergte es vorübergehend eine Schule. In den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts entschloss sich die Gemeinde zu einer Generalsanierung. Anschließend zog die Volkshochschule ein.

Vor einigen Jahren stand die nächste Sanierung ins Haus. Wegen des fehlenden zweiten Fluchtweges durften einige Räume nicht mehr für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden. Das Schlösschen musste brandschutztechnisch ertüchtigt werden. Im Zuge der Renovierung wurden das Trauzimmer neu gestaltet und Räume für Empfänge und Ausstellungen hergerichtet. Die Organisation der Nutzung hat die Gemeinde vor etwa zwei Jahren dem Kulturverein übertragen. Seitdem hat sich das Kurparkschlösschen als Veranstaltungsort für Lesungen, Konzerte, Kabarett und Ausstellungen einen Namen gemacht. Daneben organisiert der Kulturverein die Vermietung der Räume an externe Nutzer. Mit den Einnahmen sollen Defizite aus dem Kulturbereich ausgeglichen werden.

Auch der Kurpark musste renoviert werden. Die jahrzehntelange Beanspruchung hatte ihre Spuren hinterlassen. Wilde Trampelpfade waren entstanden, die Wege und Bänke ohne Befestigung. Bäume und Sträucher wucherten unkontrolliert, hässliche Thujen beeinträchtigten das Gesamtbild. Die Herrschinger Landschaftsarchitektin Monika Treiber ließ Wege kiesen, Sichtachsen nach Andechs und Dießen schlagen, naturbelassene Wildkräuterwiesen am Kienbach und repräsentative Blumenrabatten anlegen. An der Aufgangstreppe der Villa rankt sich nun eine Bobbie James empor. Diese Kletterrosenart hatte Treiber auf einem alten Bild des Kurparkschlösschens entdeckt und wiederangepflanzt. Besonders großen Anklang bei Spaziergängern finden die neuen Sitzstufen am Ammersee. Hier können sie abends atemberaubende Sonnenuntergänge genießen. Als letztes sind die schmiedeeisernen Eingangstore zum Kurpark renoviert worden. Anhand einer Postkarte aus den Dreißigerjahren waren fehlende und ausgebrochene Figuren ersetzt worden.

Die Idylle im Kurpark wird in den Sommermonaten allerdings regelmäßig von Randalierern gestört. Sie haben Exponate der traditionellen Skulpturenausstellung zerstört, in den Toiletten gewütet und hinterlassen säckeweise Unrat im Park. Im Gemeinderat wurden bereits drakonische Maßnahmen bis zum Alkoholverbot in der Nacht erörtert. Davon hat die Mehrheit im Gremium noch Abstand genommen. Der Sicherheitsdienst bekam aber mehr Kompetenz, um die Störenfriede in ihre Schranken zu weisen. Damit die Scheuermann-Villa auch für nachfolgende Generationen erhalten werden kann, setzt sich die Bürgerstiftung "Kulturförderung Kurparkschlösschen Herrsching" ein. Es ist eine Unterstiftung der Bürgerstiftung Landkreis Starnberg. Ein wichtiges Ziel der Bürgerstiftung ist die Nachwuchsförderung. So vergibt die Stiftung Förderpreise an junge Künstler und ermöglicht ihnen einen Auftritt im Kurparkschlösschen. Mit der finanziellen Unterstützung durch die Bürgerstiftung wurde aber auch eine Ton- und Lautsprecheranlage angeschafft.

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: