SZ-Serie: Genuss erleben, Folge 20:Vom Starnberger See an den Gröbenbach

Rudolf Schall war früher im Undosa. Nun probiert er zusammen mit Sinan Yildirim im Wirtshaus Gröbenzell Neues

Von Valentina Finger, Gröbenzell

Das mit dem Baum passt Rudolf Schall und Sinan Yildirim so gar nicht. Von der bemalten Fassade bis zur Dekoration des Kellerraums zieht sich dieses Motiv durch das Wirtshaus Gröbenzell. Irgendwann möchten die beiden, die das Traditionslokal im Februar übernommen haben, das weg haben. Schritt für Schritt wollen sie ihre eigenen Ideen umsetzen. Aber nur nicht zu abrupt. "Wir gehen mit dem Grundkonzept behutsam um. Als neuer Wirt muss man erst mal ein Gefühl dafür kriegen, was die Leute mögen", sagt Schall.

Was er und Yildirim ursprünglich wollten, mochten die Gäste nicht. Eigentlich sollte aus dem früher einfachen Gasthaus ein Restaurant werden, in dem unter anderem feine Tischdecken signalisieren, dass dort etwas besser gespeist wird. Aber gehoben speisen wollten die Wirtshaus-Besucher nicht. Die Wartezeiten waren vielen zu lang, die Tische wurden nicht voll. Der Versuch schlug fehl. "Klar hat man Vorstellungen, aber wenn die nicht angenommen werden, muss man es halt bleiben lassen", sagt Schall, der zum Beispiel als einstiger Wirt des Starnberger See-Restaurants Undosa schon seine Erfahrungen mit etwas exklusiveren Lokalen gemacht hat.

Jetzt läuft es wieder. Denn wie gewohnt gibt es im Wirtshaus weiterhin bodenständige, bayerische Küche. Die Pfannkuchensuppe kommt in der typischen Löwenkopf-Terrine, danach wählt man aus verschiedene Gröstl, Schnitzel, Braten. Ein paar Ausflüge erlauben sich die Neuen aber doch. Auf der Tageskarte behaupten sich Exoten wie Spaghetti und Glasnudeln neben Gulasch und Wurstsalat. Zum Standard gehören auch internationale Klassiker wie Nachos oder Currywurst, den Salatteller darf auch mal Gyros aufpeppen.

Als ersten Gang gibt es ein bisschen Do-it-yourself: Durch den Zwiebel-Tomaten-Mix im kleinen Extra-Schälchen wird das knusprige Baguette zur Bruschetta. Ein leckeres Schmankerl wird anschließend im Pfännchen serviert: Der Allgäuer Spätzle-Klassiker ist mit Spinat im Käse noch würziger. Das Beste auf der Speisekarte sind für die Wirte die Burger. Die gab es vor ihnen nicht. Über das Paradoxe daran muss Schall selbst lachen: "Wir wollen eine bayerische Wirtschaft sein und unsere Spezialität sind Burger. Aber so ist es nun einmal." Wieso sie die hervorheben, ist leicht zu verstehen: Patty, Speck und Co. werden im röschen Brötchen stilecht von Coleslaw und Pommes Frites begleitet.

Auch eine Version für Vegetarier gibt es, obwohl sie nicht auf der Karte steht. Im Gegensatz zur fleischigen Variante ist das Gemüsepflänzchen darin jedoch nicht hausgemacht. Weil die Nachfrage zu gering sei und man ja wirtschaftlich denken müsse. Beim Kartoffelsalat lässt man sich ein bisschen helfen, zum komplett Selbermachen sei das Küchenteam zu klein. "Früher hat es gereicht, ein guter Wirt zu sein. Heute sollte man vor allem ein guter Kaufmann sein", sagt Schall, der wie sein Partner noch ein zweites Lokal in München hat.

Ansonsten wird im Wirtshaus viel Wert auf kulinarische Handwerkskunst gelegt. Damit alles auch so schmeckt, wie es sich die Wirtsleute vorstellen, haben sie seit der Eröffnung Anfang des Jahres vier Mal ihren Küchenchef gewechselt. Florian Neubauer, der junge Mann, der jetzt das Regiment am Herd führt, hängt mit seinem Herzen am Wirtshaus: Vor zehn Jahren hat er dort seine Lehre gemacht. Eigentlich wollte er vor ein paar Monaten nur nach einem normalen Job als Koch in seiner einstigen Ausbildungsstätte fragen. Nun kochen die anderen nach seinen Vorgaben.

Das Ambiente, in dem man Neubauers Gerichte genießt, hat sich seit der Übernahme durch Schall und Yildirim kaum verändert. Der Gastraum erinnert an einen Erlebnispfad: Kleine Stufen schaffen das Gefühl von mehreren Ebenen, überall kann man verspielt-hölzerne Details oder Einsätze in Felsoptik entdecken. "Manches ist ein bisschen in die Jahre gekommen, aber das hat seinen Charme. Viele Leute lieben es in dieser Form", sagt der 52-jährige Schall, der selbst in Gröbenzell aufgewachsen ist. Die Neugestaltung der Schwemme im vorderen Bereich könnte er sich aber dennoch als nächsten Schritt bei der Auffrischung der Innenräume vorstellen.

Dafür befinden sich er und sein Partner an der Quelle. Gemeinsam haben sie vor einiger Zeit das Möbelhaus Marie weniger als 500 Meter entfernt vom Wirtshaus Gröbenzell gestartet. Da der Nordatlantik-Stil, den sie dort angeboten haben, aber nicht so gut bei der Masse ankam, konzentrieren sie sich nun in derselben Firma auf ein kleineres Sortiment mit Gastro-Mobiliar.

Wahlweise auf Rattanmöbeln oder Biergarten-Bestuhlung sitzt man im Hof des Lokals sehr schön unter einer grünen Vielfalt an Bäumen. Wer schon einmal zur Gröbenzeller Musiknacht, die in diesem Jahr zum zwölften Mal stattfand, im Wirtshaus vorbeigeschaut hat, weiß, wie dort bei gutem Wetter gefeiert wird. Für Schall und Yildirim war die diesjährige Musiknacht ihre Premiere. Nächstes Jahr seien sie ohne Frage wieder dabei.

Dass so viele Gröbenzeller regelmäßig ins Wirtshaus kommen, ist kein Wunder: Es hat eine beinahe 100-jährige Tradition, war schon mal ein Café und ein Geflügelrestaurant von "Wienerwald" mit Kegelbahn im Untergeschoss. An deren Stelle hat der Vorgänger der jetzigen Wirte einen rustikalen Weinkeller eingerichtet. Viele Jahre war der Keller geschlossen. Schall hat sich um Brandschutzvorkehrungen sowie Fluchtwege gekümmert und die Konzession zurückbekommen. Nun ist der Raum mit seinen Arkaden und den auf Alt getrimmten Wänden wieder beliebt für private Feierlichkeiten aller Art.

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Bald wollen die Wirte auch eigene Veranstaltungen organisieren, bevorzugt etwas mit Live-Musik. Unter ihnen soll das Wirtshaus wieder der zentrale Treffpunkt werden, der es einmal war. Man müsse nur seine Hausaufgaben und eins nach dem anderen machen, so Schall. Als erstes muss der Baum weg. Was sonst noch so anders wird, wird sich zeigen.

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