SZ-Adventskalender:Zu viele alte Gefühle

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Für eine warme Daunendecke reicht die monatliche Zuwendung nicht. Bernd Dommel lebt allein und hat es schwer

Von Blanche Mamer, Starnberg

Dass ihn seine Frau nach 36 Ehejahren von heute auf morgen verlassen hat, das hat er immer noch nicht verwunden. Dadurch wurde er gezwungen, sein Haus zu verkaufen und damit sind alle Pläne fürs Alter zerstoben. Heute lebt der 80-jährige Bernd Dommel (Name geändert) im Betreuten Wohnen, bekommt Grundsicherung und Pflegestufe 1, kämpft mit einer Vor-Weihnachts-Depression und macht zugleich Pläne für das Weihnachtsessen. Denn seine Exfrau kommt, ebenso der 55-jährige behinderte Sohn mit seiner ebenfalls behinderten Frau. "Die beiden sind glücklich, es macht richtig Freude, sie zu sehen. Meine Ex würde gerne wieder zu mir zurück kommen, doch dafür ist es zu spät", sagt er und wirkt ziemlich traurig. "Ist alles nicht so gut gelaufen", findet er. Und berichtet, dass er Sauerbraten kochen werde, ganz traditionell mit Kartoffelknödeln und Sauerkraut. Wenn ihm früher jemand vorhergesagt hätte, dass er sich mit Kochrezepten befassen würde, hätte er ihn ausgelacht.

Dommel hat Maurer gelernt. "Ein schwerer aber schöner Beruf. Durch den Bauboom in den 60er und 70er Jahren war ich immer auf Achse. " Ja, er habe zu viel gearbeitet und nicht mitbekommen, dass seine Frau unglücklich war. Eines Abends sei er heimgekommen, das Haus sei leer gewesen, ihre Sachen weg und der Großteil der Möbel auch.

Als sie sich kennenlernten, am Bahnhof in Hechendorf, war sie 19 Jahre alt und er fuhr sie mit seinem Motorrad nach Hause. Sie war gerade aus Amerika zurückgekommen, vom Besuch ihrer Schwester. Es sei eine große Liebe gewesen. Schon nach drei Monaten wurde geheiratet, erzählt er. Er baute ein Haus, doch nicht alles lief glatt. Wegen eines schweren Unfalls war er lange arbeitsunfähig, dummerweise machte er sich danach selbstständig, was gehörig schief ging. Von Schulden geplagt zog er zu seiner sechs Jahre älteren Schwester. Nun lebt er seit acht Jahren in der hellen Erdgeschosswohnung, versorgt sich so weit es geht selbst. Das Essen auf Rädern schmecke ihm nicht. Drum koche er selber, mit dem Rollator schaffe er es, im nahen Lebensmittelgeschäft einzukaufen und dann zu kochen. Eine Mikrowelle hätte er gern, damit er sich abends die Reste vom Mittag schnell aufwärmen kann. Und ein Raclette-Gerät steht ebenfalls auf seinem Wunschzettel. Er weiß, dass das nicht lebensnotwendig ist, doch es wäre eine Abwechslung, wenn sein Sohn sonntags zu Besuch kommt.

Er kann bei weitem nicht alles tun, was er sich vorstellt. Schließlich sei er ja ziemlich lädiert, findet er. Mit zwei neuen Hüften, einem Herzschrittmacher, einem blinden Auge und einer latenter Depression muss er mit seinen Kräften haushalten. Einmal wöchentlich kommt eine Haushaltshilfe und eine Pflegerin, um ihm beim Duschen zu helfen. "Eine junge, hübsche Frau", sagt er, doch so recht will ihm der freudige Ausdruck nicht gelingen. "Ich hab ein Tief, wie ich es noch nie hatte", bricht es aus ihm heraus. Klar, dass das mit Weihnachten zusammenhänge, weil einfach zu viele alte Gefühle hochkämen. "Ich grübele zu viel und mache mir auch immer Sorgen um die Zukunft." Alles wird teurer und er muss schon jetzt jeden Cent zweimal umdrehen. Für ein warmes Daunenbett hat seine monatliche Zuwendung nicht gereicht. So steht das ebenfalls auf seinem Wunschzettel.

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