SZ-Adventskalender:Sie schläft auf dem Sofa

Die 70-jährige Karin B. braucht nach Rücken-OPs ein Bett

Von Carolin Fries, Gilching

In der Wohnung ist kaum Platz, auf der Eckbank und dem einen Stuhl in der Küche türmen sich Klamotten- und Papierstapel, dazwischen Tischdecken und Bettwäsche. Auch das Wohnzimmer steht voll. Karin B. hat kaum Kraft, aufzuräumen, die Dinge zu sortieren. Die kleine Wohnung in Gilching, in der die 70-Jährige seit 16 Jahren lebt, steht bezeichnend für ihr Leben. Immer nur bruchstückhaft kann sie daraus berichten, dann kommen ihr regelmäßig die Tränen.

Dabei hatte alles gut begonnen. Als junges Mädchen begann sie eine Beamtenlaufbahn bei der Stadt München, "das einzig Gute in meinem Leben", sagt sie heute rückblickend. Sie heiratete jung, zog mit ihrem Mann nach Italien und lebte dort ein gutes Leben.

Zwei Kinder brachte sie auf die Welt, als die Mädchen vier und sechs Jahre alt sind, stirbt ihr Mann. Was sie nicht weiß: Steuern für seine in freiberuflicher Tätigkeit erzielten Gewinne wurden nie abgeführt, nur wenige Monate nach seinem Tod steht der Gerichtsvollzieher in der Tür, pfändet Haus und Möbel.

Karin B. geht mit den Kindern zurück nach Deutschland in die Wohnung ihrer Mutter. Sie arbeitet hin und wieder als Dolmetscherin. Sie verliebt sich auch wieder, bekommt eine dritte Tochter. Doch die Beziehung hält nicht. Karin B. bleibt alleinerziehend. Sie sagt, sie habe stets alles für ihre Töchter getan. Vor 17 Jahren aber haben die Töchter den Kontakt abgebrochen, das Sorgerecht für die Jüngste, die damals noch nicht volljährig war, hat sie verloren. Karin B. tut sich schwer, davon zu erzählen. "Ich soll überfordert gewesen sein", sagt sie nur und schüttelt den Kopf. "Inzwischen bin ich überfordert", meint sie nur und blickt sich in der Wohnung um.

Karin B. bekommt lediglich 220 Euro Rente, sie lebt von der Grundsicherung. Seit dem Sorgerechtsstreit leidet sie nicht nur psychisch und muss Antidepressiva nehmen. Auch körperlich hat sie einiges durchgemacht - unter anderem diverse Operationen: fünf mal an der Wirbelsäule, drei Mal am Magen, einmal an der Schilddrüse. Obendrein leidet sie an einer Hautkrankheit. Ihren Haushalt schafft sie kaum, muss eine Glühbirne ausgetauscht werden, helfen Nachbarn. Auch die Einkäufe erledigt ein hilfsbereiter Mann von nebenan für sie.

Weil kaum Geld übrig bleibt, schläft sie auf dem Sofa, ein Bett hat sie nicht, obwohl ihr Hausarzt ihr dringend zu einer guten Matratze rät - sowohl für ihren geschädigten Rücken, als auch wegen der Haut. Doch dafür fehlt das Geld, ebenso wie für einen neuen Kühlschrank, der seit geraumer Zeit defekt ist und Flüssigkeit verliert.

Karin B.s einziger Lichtblick ist ihre Katze Bella, die seit 2009 bei ihr lebt. Doch jetzt ist die Katze krank, hat einen Tumor in der Niere und muss Tabletten nehmen. Die Tierarztrechnungen belasten die ohnehin knappe Kasse zusätzlich. "Ich mag gar nicht daran denken, dass ich nach den Kindern auch noch die Katze verlieren könnte. Sie ist das einzige, was mir noch lieb und wert ist."

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