SZ-Adventskalender:Malen als Therapie

Seit seiner Fußamputation ist Erich W. Frührentner. Er wünscht sich für sein einziges Hobby Farben, Pinsel und Leinwände

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Starnberg

Im Wohnzimmer hängen klassische Gemälde dicht an dicht, sie erinnern an Claude Monet, Jan Vermeer, Pierre-Auguste Renoir oder Carl Spitzweg. "Fast wie echt", stellt Erich W. fest und lächelt dabei verschmitzt. Der Frührentner lebt fürs Malen. Seit ihm vor sieben Jahren ein Fuß amputiert werden musste, ist Malen die einzige Beschäftigung, die ihm geblieben ist.

Sein Atelier hat er unter einer überdachten Terrasse, dort ist das beste Licht, erklärt W. Das bedeutet aber auch, dass der 62-Jährige in den Wintermonaten nicht malen kann. Es ist zu kalt da draußen. Aber das macht nichts: "Ich habe ja keinen Zeitdruck", sagt er. In den Regalen stehen Pinsel und Farben. An der Staffelei hat er gerade den "Briefboten im Rosenthal" von Carl Spitzweg in Arbeit. Daneben hat W. sich einen Kunstdruck des Werks zurechtgelegt und mit Bleistift ein Raster eingezeichnet. Das erleichtert das Kopieren. Spitzwegs Bilder malt W. am liebsten. Für die feinen Pinselstriche brauche er eine Leinwand mit besonders feiner Struktur, erklärt er. Malutensilien, Vorlagen und Rahmen bestellt er aus einem Versandkatalog. Die Leinwand zieht er selbst auf. Rund 150 Stunden arbeitet der Rentner an einem Bild. "Ein Monet geht leichter", erklärt er. Den schaffe er schon in 50 Stunden.

Der gelernte Maler, Lackierer und Tapezierer betätigte sich schon immer gerne als Kunstmaler. Sein erstes Bild malte er als 15-Jähriger mit den Farben seines Vaters im Keller. Seine Mutter habe ihn dann einen Malkasten geschenkt. "Damals habe ich nicht so gut malen können wie heute. Aber es hat schon gut ausgesehen", sagt der Rentner, der stolz darauf ist, dass er sich alles selbst beigebracht hat. Der Autodidakt nahm früher seine Staffelei mit hinaus in die Landschaft. Aber damals konnte er noch laufen und hatte neben dem Malen auch andere Hobbys: Fußball und Tennis, im Winter Skifahren. Doch vor sieben Jahren bekam er eine Infektion, ein Bein musste ihm abgenommen werden. "Das war ein grausamer Schicksalsschlag." Es folgten monatelange Aufenthalte in verschiedenen Kliniken. Als er endlich nach Hause durfte, konnte W. nicht mehr arbeiten und auch nicht mehr allein leben. Er ging zurück in sein Elternhaus. "Ich bin immer gerne in der Natur gewesen. Jetzt habe ich nur noch meine Malerei."

Gott sei Dank könne er zuhause bei seiner Mutter leben, sagt er. Denn von seiner kleinen Frührente könne er sich keine Mietwohnung mehr leisten. Seine Mutter ist über 90 Jahre alt und ebenfalls krank. Ein ambulanter Pflegedienst kommt ins Haus. W. bewegt sich mühsam mit Krücken durch die Zimmer. Weit kommt er damit nicht, er muss seine Kräfte schonen. Dennoch versucht er, seine Mutter im Haushalt zu unterstützen. Seinen alten Motorroller hat er mit speziellem Seitenständer ausgestattet und fährt damit zum Einkaufen. Mit seinem gesunden Fuß steigt er ab, dann nimmt er die Krücken und läuft die paar Meter ins Geschäft. "Ich kann mich nicht ganz aufgeben", meint er tapfer.

Beim Malen kommt W. zur Ruhe. Er konzentriert sich ganz auf die Farben, sie müssen harmonieren. Malen in Öl ist jedoch teuer - das kann er sich von seiner kleinen Rente nicht leisten. Gern würde er seine Werke verkaufen, um damit seine Malutensilien für neue Bilder zu finanzieren. "Doch da müsste ich die Bilder ja ausstellen", sagt er. Um seiner Leidenschaft nachgehen zu können, wünscht er sich vom SZ-Adventskalender Farben, Pinsel und Leinwände. Schon 400 Euro würden reichen, damit er das Material für ein paar neue Bilder bestellen kann.

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