SZ-Adventskalender:Ende einer Dienstfahrt

Rainer F. arbeitete als Chauffeur des Sozialmobils, bis er wegen eines epileptischen Anfalls den Führerschein abgeben musste.

Blanche Mamer

- Wegen rückständiger Mietzahlungen droht einem älteren Ehepaar die Zwangsräumung, für ein anderes älteres Ehepaar wurde eine hohe Stromnachzahlung übernommen, für eine alleinstehende Frau eine größere Menge Brennholz besorgt. Eine ältere Dame erhält Bargeld zum Kauf der medizinisch notwendigen Astronauten-Nahrung, einer alleinstehenden Mutter mit Kindern werden die Fahrkosten zur Augenklinik nach München ersetzt. Und das sind längst nicht alle Hilfsangebote, die der gemeinnützige Verein Ammersee West "Gemeinsam" leistet.

Es gibt auch Hilfsbedürftige, denen nicht mit einer einmaligen Unterstützung geholfen werden kann, berichtet der Vorsitzende Peter Raithel. Da ist beispielsweise ein ehemaliger Mitarbeiter, der über einen Ein-Euro-Job zu dem Verein kam und gute Arbeit geleistet hat. Rainer F. hatte mehr als 30 Jahre als Chemietechniker in einer Münchner Firma gearbeitet. Der Betrieb musste Konkurs anmelden, wurde von der Bank übernommen und zerschlagen. Rainer F. war ohne Job, zu jung für die Rente und viel zu alt, um eine vergleichbare Arbeit zu finden. Das war noch vor der Krise von 2008. Es gelang ihm, über die Handwerkskammer eine Ausbildung als Betriebsinformatiker zu absolvieren.

Doch auch das half nicht, ihn wieder in Arbeit zu bringen, wie das in den offiziellen Verlautbarungen so schön heißt. Einen ersten Ein-Euro-Job erhielt er beim BRK in Landsberg, das zweite Ein-Euro-Angebot kam vom gemeinnützigen Verein Gemeinsam. Als Fahrer des "Sozialmobils", mit dem er alte und behinderte Menschen am Ammersee zum Arzt, zur Krankengymnastik oder auch zum Einkaufen brachte, hat sich Rainer F. bewährt. Denn er war freundlich und hilfsbereit und verstand die Ängste und Nöte seiner Fahrgäste. Und so hat ihn der Verein als Mitarbeiter übernommen, als das Job-Angebot beendet war.

Alles schien sich zum Guten zu wenden.

Sein Lohn war nicht üppig, doch er kam über die Runden, fuhr Tag für Tag seine Touren und half auch ehrenamtlich aus, wenn Not am Mann war. Bis zum 22. Oktober 2011. Nach einer Fahrt stürzte er und zog sich einen Lendenwirbelbruch zu. Die Ursache war ein epileptischer Anfall, wie sich später herausstellte. Ein zweiter Anfall ein paar Tage später in der Nacht endete mit einem Schulterbruch. Rainer F. bekam zunächst Lohnfortzahlung, dann Krankengeld. Alles schien in Ordnung zu sein, als er im Januar mit der Wiedereingliederung begann. Doch schon am zweiten Tag knallte er auf dem Gehsteig gegen einen Zaun. Nun erhielt er die Diagnose "epileptischer Anfall", und auch die vorangegangenen Zusammenbrüche erklärten sich durch die Anfallkrankheit. "Mein Kopf war vorgeschädigt durch ein Aneurysma", sagt Rainer F.

Jedenfalls wurde ihm der Führerschein entzogen, es gab keine Chance mehr auf eine Weiterbeschäftigung. Erst wenn er zwei Jahre ohne Anfall übersteht, könnte er die Fahrerlaubnis wieder bekommen. Jetzt muss er vom Krankengeld leben, sein Antrag auf Rente läuft zwar, doch Rainer F. weiß, dass es noch einige Zeit überbrücken muss. Sein Konto ist überzogen, die Schulden wachsen ihm über den Kopf. Und derzeit sind die Aussichten gering, dass er den Führerschein wieder bekommt. Denn im September hatte er einen erneuten Anfall, diesmal direkt in der Arztpraxis.

Peter Raithel vom Verein "Gemeinsam" bedauert sehr, dass er den Fahrer verloren hat. Bis Ende des Jahres zahlte der Verein monatlich 200 Euro zum Krankengeld dazu, doch die Vereinbarung läuft jetzt aus. Nun versucht Raithel, über Stiftungen eine Unterstützung für den ehemaligen Fahrer des Sozialmobils zu bekommen.

Doch Rainer F., der manchmal schon sehr verzweifelt war, will nicht aufgeben. Er betreibt jetzt ein Forum im Internet für "Arme Leute ohne Geld", kurz ALoG, in dem Hartz-IV-Empfänger ihre Fälle, aber auch Gesetzesinitiativen und Vorschläge der Politiker diskutieren können, sich gegenseitig Mut machen und sich stützen. Nicht, dass er Geld für einen Computer hätte, doch er darf einen PC mitbenützen. Mit Spenden aus dem Adventskalender könnte Rainer F. und auch dem Verein "Gemeinsam" geholfen werden.

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